Chinas Wirtschaft schwächelt ein wenig. Nach aktuellen Zahlen ist die chinesische Wirtschaft nicht so stark gewachsen, wie vorhergesagt. Die Gründe sind vielfältig.

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Zum Auftakt eines mehrtägigen Treffens der chinesischen Führung zur Ausrichtung der künftigen Wirtschaftspolitik hat die Statistikbehörde des Landes enttäuschende Konjunkturdaten vorgelegt. Das Bruttoinlandsprodukt der Volksrepublik wuchs im zweiten Quartal nur um 4,7 Prozent, wie es am Montag hiess. Damit ist es die niedrigste Rate seit Anfang 2023 und weniger als von Analysten erwartet. Das sogenannte Dritte Plenum zur Wirtschaftspolitik begann unterdessen hinter verschlossenen Türen, es dauert bis Donnerstag.

Chinas Wirtschaft krankt an vielen Stellen

Historisch am bekanntesten ist das Dritte Plenum im Jahr 1978, auf dem weitreichende Reformen eingeleitet wurden, die als Beginn der Reform- und Öffnungspolitik Chinas gelten. Dieses Mal findet das Treffen mit deutlicher Verspätung statt, was im Vorfeld für Unruhe gesorgt hatte.

Die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt kämpft derzeit mit einer immensen Immobilienkrise, die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch, der Binnenkonsum schwach. Hinzu kommen die geopolitischen und handelspolitischen Spannungen mit den USA und Europa, vor allem die Zollpolitik angesichts hoher chinesischer Subventionen für eigene Schlüsselindustrien.

Schon am Freitag hatten veröffentlichte Daten zum Aussenhandel im Juni gezeigt, dass sich China nur teilweise von den noch immer spürbaren Folgen seiner restriktiven Corona-Politik erholt: Die Exporte von Gütern und Dienstleistungen stiegen zwar deutlich um 8,6 Prozent im Jahresvergleich, die Importe gingen dagegen überraschend um 2,3 Prozent zurück, was auf eine schwache inländische Nachfrage schliessen lässt.

Nun folgten Zahlen zum BIP im zweiten Quartal. In den ersten drei Monaten des Landes war das chinesische BIP noch um 5,3 Prozent gewachsen. Von der Finanzagentur Bloomberg befragte Analysten hatten für das zweite Quartal mit einem Wachstum von 5,1 Prozent gerechnet, jetzt sind es lediglich 4,7 Prozent.

Xi kündigt bedeutende Reformen an

Das Umfeld sei "verflochten und komplex", erklärte die Statistikbehörde. Die Nachfrage im Inland bleibe unzureichend und die Basis für eine gesunde wirtschaftliche Erholung müsse weiterhin gestärkt werden. Auch die Industrieproduktion liess leicht nach.

Die Augen sind indessen auf das Dritte Plenum gerichtet, das von Staatschef Xi Jinping geleitet wird. Er legte zu Beginn des viertägigen Treffens einen "Tätigkeitsbericht" vor, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Xi habe zudem einen Beschlussentwurf des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei zur weiteren umfassenden Vertiefung der Reformen und der weitergehenden Modernisierung Chinas erläutert. Der Staatschef hatte kürzlich "bedeutende" Reformen angekündigt.

Beobachter erwarten allerdings eine nur "bescheidene" Änderung der Politik, um die Hightech-Produktion anzukurbeln sowie den Wohnungsbau und Haushalte des Landes zu unterstützen, wie etwa Harry Murphy Cruise von Moody's Analytics sagte. Die Zeitung der Kommunistischen Partei hatte vergangene Woche gewarnt, bei den Reformen des Dritten Plenums gehe es "nicht um einen Richtungswechsel". China-Experte Ting Lu von Nomura rechnet mit einer Diskussion über "grosse, langfristige Ideen und Strukturreformen" statt "kurzfristiger politischer Anpassungen".

"Das Dritte Plenum wird das kollektive Bemühen in den Vordergrund stellen, damit China seine Ziele der technologischen Unabhängigkeit und Modernisierung der Industrie erreicht", glaubt Jeroen Groenewegen-Lau vom China-Institut Merics in Berlin: "Vorübergehende Wohlstandsverluste werden in Kauf genommen", so der China-Experte. Ob und wann etwaige Erfolge bei der Bevölkerung ankommen, darüber werde das Plenum voraussichtlich keine genaue Auskunft geben.

Chinesen sparen lieber als zu konsumieren

Die chinesische Führung erwartet in diesem Jahr ein Wachstum von fünf Prozent – was unter westlichen Gesichtspunkten gering ist, für China jedoch weit entfernt von den zweistelligen Wachstumsraten liegt, die jahrelang die Wirtschaft des Landes bestimmt hatten. Derzeit hält Peking noch an dem Ziel fest.

Der Aufbau einer modernen Industrie sei zwar sinnvoll, jedoch seien derzeit auch andere Massnahmen erforderlich, um bestehenden Problemen zu begegnen, warnen Ökonomen. Um nachhaltig zu wachsen, solle China die Inlandsnachfrage ankurbeln und die Wirtschaft auf Konsum ausrichten, empfahl jüngst der Internationale Währungsfonds (IWF).

Was bei der Umsetzung von Xis High-Tech-Ambitionen derzeit auf der Strecke bleibe, seien die Alltagssorgen vieler Chinesen, sagen Kritiker. Der Konsum stockt, weil viele Haushalte ihr Geld lieber für unsichere Zeiten sparen. Wie akut die Lage ist, zeigten auch andere am Montag veröffentlichte Wirtschaftsdaten. Die Einzelhandelsumsätze, ein wichtiger Indikator für die Kaufbereitschaft der Chinesen, legten im Juni im Vorjahresvergleich nur noch um zwei Prozent zu – der schwächste Wert seit mehr als einem Jahr. Im Mai waren es noch 3,7 Prozent gewesen. (afp/dpa/the)

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