Die Schweizer Grossbank Credit Suisse kam wegen mehreren grossen internationalen Korruptionsfällen ins Visier der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma. Es sind lediglich Ermittlungen, keine Sanktionen. Ausser Spesen also nichts gewesen? Zwei kritische Beobachter der Bankenwelt äussern sich.
Am Montag gab die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma bekannt, sie habe zwei Verfahren gegen die Credit Suisse AG abgeschlossen. Dabei ging es um die Jahre 2006 bis 2016.
"Im ersten Verfahren stellte sie Mängel bei der Einhaltung der Sorgfaltspflichten im Bereich der Geldwäschereibekämpfung fest", schreibt die Finma in einer Mitteilung. Das Fehlverhalten der Grossbank stehe im Kontext von mutmasslichen Korruptionsfällen rund um den internationalen Fussballverband Fifa, den brasilianischen Ölkonzern Petrobras und den venezolanischen Ölkonzern PDVSA.
Im zweiten Verfahren ging es um eine für die Bank bedeutende Geschäftsbeziehung mit einer politisch exponierten Person (PEP), deren Identität nicht bekanntgegeben wurde.
Finma ordnet weitere Massnahmen an
Die Finma hält fest, die Credit Suisse habe seit 2015 mehrere Massnahmen ergriffen, um den Kampf gegen die Geldwäscherei zu verstärken. Trotz der "teilweise substantiellen Verbesserungen" ordnet die Finma jedoch zusätzliche Massnahmen "zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands" an.
Dazu werde die Finma "einen Prüfbeauftragten einsetzen, der die vollständige Umsetzung dieser und der weiteren seit 2015 eingeleiteten Massnahmen sowie deren Angemessenheit und Wirksamkeit überprüfen wird".
In einer Mitteilung anerkennt die Credit Suisse die Schlussfolgerungen der Finma. Die Grossbank unterstrich auch, dass die Verfahren "zu keiner Busse, Gewinnrückführung oder Einschränkung der kommerziellen Aktivitäten" geführt hätten.
"Finma wachsamer geworden"
Viel Aufhebens um nichts, also? "Erschreckend oder beunruhigend ist, dass gerade auch bei systemisch wichtigen Banken [too big to fail] die Sorgfalts- und Meldepflichten nicht so erfüllt werden, wie sie nach dem Gesetz sein sollten", sagt Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency International Schweiz.
"Erfreulich hingegen ist die Tatsache, dass die Finma ihre Kontrollen einheitlich durchführt, und nicht nur bei den kleineren Banken, wie dies beispielsweise bei der Tessiner Bank BSI der Fall war. Besser spät als nie", so Hilti.
Marc Guéniat von der Nichtregierungs-Organisation Public Eye (ehemals Erklärung von Bern) begrüsst ebenfalls die Wachsamkeit der Finma gegenüber den Grossbanken sowie die Tatsache, dass die Aufsichtsbehörde über diese Art von Untersuchung informiere, was sonst eher selten sei.
Dennoch seien die gemeldeten Verstösse keine "einfachen Vorfälle. Es sind drei grosse Affären [Fifa, Petrobras und PDVSA], die zeigen, dass es bei der Credit Suisse ein ziemlich ernstes Problem gibt", betont Guéniat.
Starke Versuchung, schwache Sanktionen
Mit dem Ende des Bankgeheimnisses und der Einführung des automatischen Informationsaustauschs wurde oft von einer so genannten Zebra-Strategie gesprochen: Weil die Vermögensverwaltungs-Banken aus den reichen Industrieländern nur noch Weissgeld annehmen dürften, würden sie nach Märkten im Osten und Süden suchen, wo das Risiko deutlich höher sei, auf Schwarzgeld zu stossen.
Auch wenn er den Begriff Zebra-Strategie, der durch den Entwicklungsorganisations-Dachverband Alliance Sud verbreitet wurde, nicht kennt, hält Guéniat fest, dass "die in den letzten vier, fünf Jahren aufgetretenen Grossaffären des Schweizer Finanzplatzes fast systematisch aus Entwicklungs- oder Schwellenländern kommen: 1MDB in Malaysia, Petrobras, die mehr als 40 Schweizer Banken betrifft, PDVSA, Venezuela, mehrere Fälle im Zusammenhang mit dem Rohstoffhandel...".
Dabei helfe besonders die Tatsache, dass "das Sanktionssystem, sowohl administrativ als auch strafrechtlich, äusserst schwach ist. So wurde beispielsweise einer der Manager der Schweizer Privatbank Heritage, der im Fall Petrobras verurteilt wurde, mit einer Geldstrafe belegt, die unter seinem Monatsgehalt lag", so Guéniat.
Schreckgespenst schwarze Liste
Schwache Sanktionen, aber auch Gesetzeslücken, gibt Hilti von Transparency International zu bedenken. Im Rahmen des jüngsten Länderberichts über die Schweiz 2016 habe die FATF (Financial Action Task Force) die Schweiz gerügt, weil diese die FATF-Empfehlungen in wichtigen Bereichen weiterhin nicht erfülle.
Die Schweiz unterliegt einem Verfahren, das als "enhanced follow up- Verfahren" bezeichnet wird. Das bedeutet, dass sie sehr genau und streng über ihre Fortschritte berichten muss, wenn sie nicht auf eine schwarze Liste gesetzt werden will.
"Was wir brauchen – und das ist auch die Forderung der FATF –, ist einerseits, dass die Schweizer Finanzintermediäre verpflichtet werden, die Richtigkeit der Kundenangaben zum wirtschaftlich Berechtigten zu überprüfen, und andererseits, dass sie verpflichtet werden, die Kundendaten laufend zu aktualisieren, um nicht Altlasten mitzunehmen", sagt Hilti.
Zudem bestehe in diesem Bereich noch weiterer Handlungsbedarf, was auch der FATF-Bericht festgehalten habe: "Der Geltungsbereich des Geldwäschereigesetzes sollte auch auf nicht-finanzintermediäre, risikobehaftete Tätigkeiten ausgeweitet werden. Solche Tätigkeiten werden insbesondere erbracht von Anwälten, Notaren, Treuhändern sowie Kunst- und Luxusgüterhändlern."
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
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