- Interne und jetzt veröffentlichte Unterlagen des Fahrdienst-Vermittlers Ubers aus den Jahren 2013 bis 2017 geben tiefe Einblicke in das damalige aggressive Geschäftsgebaren des Unternehmens.
- So habe Uber versucht, Zusammenstösse zwischen Taxifahrern und seinen Chauffeuren zu Lobbyzwecken zu nutzen.
- Während Behörden-Razzien soll das US-Unternehmen auch in europäischen Städten Computer per Fernzugriff blockiert haben.
Ein Datenleck entblösst einem Medienbericht zufolge die aggressive Lobby-Kampagne des US-Fahrdienstleisters Uber bei dessen Streben auf den europäischen Markt. Mehr als 124.000 interne Dokumente aus den Jahren 2013 bis 2017 zeigten, wie Uber "versucht hat, Politiker, Beamte und Journalisten zu beeinflussen", berichteten NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" am Sonntag.
Enge Kontakte mit dem Unternehmen pflegten demnach etwa der heutige französische Präsident Emmanuel Macron, ein FDP-Abgeordneter und eine ehemalige EU-Kommissarin.
Uber-Chef Khosrowshahi distanziert sich von früherem Geschäftsgebaren
Die Unterlagen stammen aus einer Zeit, in der Uber unter dem Mitgründer und damaligen Chef Travis Kalanick auf eine aggressive internationale Expansion setzte. In der Anfangszeit versuchte das 2008 gegründete Unternehmen auch in Europa zum Teil sein US-Modell zu etablieren, bei dem Privatleute Fahrgäste in ihren eigenen Autos befördern.
Nach dem Einschreiten von Regulierern gab Uber die Praxis auf, Spannungen mit Taxibranche und Behörden blieben jedoch über Jahre gross. Seit 2017 Dara Khosrowshahi den Spitzenjob bei Uber übernahm, distanzierte sich das Unternehmen wiederholt vom Geschäftsgebaren seines Vorgängers.
Auch nun hiess es in einer Stellungnahme des Unternehmens: "Wir haben und werden kein Verhalten in der Vergangenheit entschuldigen, das ganz klar nicht mit unseren gegenwärtigen Werten im Einklang steht. Stattdessen bitten wir die Öffentlichkeit darum, uns nach dem zu beurteilen, was wir in den vergangenen fünf Jahren getan haben und was wir in den kommenden Jahren tun werden."
Direkter Draht zu Macron
Ein Austausch von SMS-Nachrichten legt dem Bericht zufolge nahe, dass sich Macron 2015 als damaliger Wirtschaftsminister auf Bitten des Unternehmens gegen eine Uber-kritische Verordnung eines französischen Polizeipräfekten einsetzte. "Ich werde mir die Sache persönlich anschauen", schrieb Macron laut NDR, WDR und "SZ" – woraufhin die Verordnung noch am selben Abend entschärft wurde.
Die französische Zeitung "Le Monde" berichtete unter Berufung auf zahlreiche Dokumente, Textnachrichten und Zeugen, es habe geheime Absprachen zwischen Uber und dem damaligen Wirtschaftsminister Macron gegeben. Demnach war sein Ministerium darum bemüht, dem Fahrdienstleister dabei zu helfen, seine Position in Frankreich zu festigen. So sei dem Unternehmen vorgeschlagen worden, den Abgeordneten ausformulierte Änderungsanträge vorzulegen.
Der Elysée-Palast erklärte auf AFP-Anfrage, dass Macron als Wirtschaftsminister in einer Zeit, als sich "tiefgreifende Veränderungen" im Dienstleistungssektor ereigneten, "natürlich" mit vielen der daran beteiligten Unternehmen in Kontakt stand.
Die Opposition in Frankreich reagierte empört auf die Berichte. Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Mathilde Panot, warf Macron vor, er habe als "Lobbyist" für ein US-Unternehmen agiert, "welches das Arbeitsrecht dauerhaft deregulieren will". Der kommunistische Abgeordnete Pierre Dharréville forderte eine parlamentarische Untersuchung der Vorgänge.
FDP-Politiker Fricke als Uber-Lobbyist
In Deutschland koordinierte dem Bericht zufolge der FDP-Politiker Otto Fricke die Lobby-Kampagne von Uber. Fricke war von 2002 bis 2013 Bundestagsabgeordneter, arbeitete dann als Lobbyist und wechselte 2017 wieder in die Politik und in den Bundestag. Laut internen Uber-Dokumenten halfen seine Politikkontakte, eine Änderung des Personenbeförderungsgesetzes im Sinne des Fahrdienstleisters durchzusetzen.
Brisant ist auch der Fall des renommierten Ökonomen Justus Haucap, der den Recherchen zufolge eine Auftragsstudie und einen Uber-freundlichen Zeitungsartikel im Dezember 2014 in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" platziert haben soll. Haucap ist Mitglied des Kuratoriums der FAZIT-Stiftung, welche die journalistische Unabhängigkeit der "FAZ" sicherstellen soll.
Niederländische EU-Kommissarin erhält gut dotierten Berater-Job bei Uber
Auf EU-Ebene sicherte sich Uber dem Bericht zufolge die Unterstützung der EU-Kommissarin für Digitales, Neelie Kroes. Die Niederländerin übernahm nach ihrem Ausscheiden in Brüssel 2014 und nach Ablauf einer durch die Kommission auferlegten 18-monatigen Karenzzeit einen üppig bezahlten Beraterjob bei dem US-Unternehmen.
Unterlagen aus dem Datenleck legen jedoch nahe, dass es schon während der Karenzzeit im Zusammenhang einer Polizeirazzia gegen Uber in Amsterdam im März 2015 Kontakt zwischen Kroes und Uber gab. Das Unternehmen war demnach höchst erpicht darauf, dies geheim zu halten. Es bestehe das Risiko, dass sich an Kroes eine Debatte über "die politische Drehtür und über Vetternwirtschaft" entzünde, heisst es den Medien zufolge in einer unternehmensinternen Mail.
Computer während Razzia per Fernzugriff abgeschaltet
Die Unterlagen belegen den Berichten zufolge auch den bereits seit Jahren bekannten umstrittenen Einsatz von zwei Software-Werkzeugen. Mit einem namens Greyball wurde demnach die Anzeige in der Uber-App am Standort von Regulierungsbehörden so angepasst, dass keine Fahrzeuge angezeigt wurden. Mit einem "Kill Switch" seien unter anderem während einer Razzia im Uber-Büro in Amsterdam Computer per Fernzugriff abgeschaltet worden.
Der Datensatz wurde der britischen Zeitung "The Guardian" zugespielt und enthält E-Mails, Präsentationen, Briefings, Textnachrichten und Schaubilder, die in Zusammenarbeit mit weiteren internationalen Medien ausgewertet wurden.
Uber war anfangs in europäischen Ländern auf massiven Widerstand und rechtliche Hürden gestossen. Den Dokumenten zufolge veranschlagte der Konzern allein im Jahr 2016 ein Lobby-Budget in Höhe von 90 Millionen Euro, um diese auszuräumen. (hub/afp/dpa)
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