Lange haben VW-Diesel-Besitzer auf höchstrichterliche Urteile im Abgasskandal gewartet. Nun drückt der BGH vor der Sommerpause aufs Tempo. Zwei umstrittene Fragen beantworten die Richter zugunsten von Volkswagen. Die wichtigste Entscheidung steht aber noch aus.

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Zwei umstrittene Fragen im Abgasskandal sind höchstrichterlich zugunsten von Volkswagen beantwortet. Der Konzern muss getäuschten Diesel-Käufern zwar Schadenersatz, aber keine sogenannten Deliktszinsen zahlen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Donnerstag urteilte.

Die Richter entschieden ausserdem, dass Vielfahrer unter Umständen leer ausgehen. Es könne vorkommen, dass vom zu erstattenden Kaufpreis nach Anrechnung der zurückgelegten Kilometer nichts mehr übrig bleibt. (Az. VI ZR 354/19 u.a.)

Deliktszinsen können fällig werden, wenn jemand einem anderen eine Sache oder Geld "entzieht". Klassischer Fall ist ein Diebstahl. Hier ging es um die Frage, ob VW erfolgreichen Diesel-Klägern zusätzlich zum Schadenersatz Zinsen auf das in das Auto gesteckte Geld schuldet.

Besitzer älterer Autos klagten weniger

Dafür sehen die obersten Zivilrichter keinen Anlass. Betroffene Kunden hätten im Austausch für den Kaufpreis ein voll nutzbares Fahrzeug erhalten, sagte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters. Das habe den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Geldes kompensiert.

Land- und Oberlandesgerichte hatten teils vierstellige Summen zugesprochen. Der Wolfsburger Autobauer schweigt zur gesamten Grössenordnung. Aber der BGH-Anwalt des Konzerns hatte gesagt, wegen der grossen Zahl an Verfahren gehe es um sehr viel Geld.

Die Entscheidung zu den Vielfahrern hat nach Auskunft von Volkswagen dagegen nur Auswirkungen auf vergleichsweise wenige ähnliche Fälle. Besitzer älterer Autos hätten eher selten geklagt.

In dem Muster-Fall vor dem BGH ging es um einen VW Passat, der inzwischen rund 255.000 Kilometer auf dem Tacho hat. Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hatte geschätzt, dass ein durchschnittlicher Passat nur 250.000 Kilometer schafft. Damit sei die Laufleistung ausgeschöpft.

Der BGH bestätigte dieses Urteil. Dass der Kläger keinen Schadenersatz mehr bekommen könne, sei zumutbar. Der finanzielle Schaden durch den Kauf sei in diesem Fall durch die Nutzung des Autos bereits vollständig ausgeglichen.

Weitere Frage wird noch entschieden

Die wichtigste Entscheidung des Tages soll um 13.00 Uhr verkündet werden. Sie betrifft die Frage, ob der Konzern Klägern auch dann Schadenersatz schuldet, wenn diese ihr Auto erst nach Auffliegen des Abgasbetrugs im Herbst 2015 gekauft haben. Laut VW ist der Ausgang wegweisend für rund 10.000 noch offene Verfahren. (Az. VI ZR 5/20)

Die zentrale Frage dürfte hier sein, ob VW zu diesem Zeitpunkt noch vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorgeworfen werden kann. Für die Zeit vor Bekanntwerden des Skandals geht der BGH davon aus, dass der Konzern seine Kunden bewusst getäuscht hat und deshalb prinzipiell haftet.

Bei der Berechnung der Ansprüche müssen sich Betroffene auf den Kaufpreis aber die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Und Geld bekommt nur, wer sein Auto zurückgibt.

Ab wann steht Klägern kein Schadenersatz mehr zu? Weiteres Urteil

In einem weitere Urteil entschied das Gericht, dass Diesel-Klägern, die ihr Auto nach Bekanntwerden des Abgasskandals im Herbst 2015 gekauft haben, kein Schadenersatz von Volkswagen zusteht. Ab diesem Zeitpunkt habe der Konzern sein Verhalten geändert, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Donnerstag. Eine Täuschung und vorsätzliche sittenwidrige Schädigung von Käufern sei nicht mehr feststellbar. (Az. VI ZR 5/20)

Die obersten Zivilrichter wiesen die Revision eines Mannes zurück, der seinen VW-Diesel erst im August 2016 gekauft hatte. Der Muster-Fall aus Rheinland-Pfalz ist nach Einschätzung von VW beispielhaft für rund 10.000 noch offene Verfahren.

Der Wolfsburger Autobauer war am 22. September 2015 mit einer Ad-hoc-Mitteilung an die Aktionäre und einer Presseerklärung an die Öffentlichkeit gegangen. Von da an war das Thema über Monate gross in den Medien. Volkswagen hatte damals auch eine Internetseite eingerichtet, auf der Autobesitzer überprüfen konnten, ob auch ihr Wagen einen Motor mit der illegalen Abgastechnik hat.

Umstände für Täuschung entfallen ab Herbst 2015

Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass wesentliche Umstände, die vorher für eine Täuschung sprachen, bereits im Herbst 2015 entfallen seien, sagte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters. Schon aufgrund der Ad-hoc-Mitteilung hätten Käufer nicht mehr damit rechnen können, dass die Abgastechnik den Vorgaben entspreche. Dass VW erst unter Druck reagiert habe und zur Aufklärung des Skandals möglicherweise noch mehr hätte tun können, reiche für den gravierenden Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung nicht mehr aus.

Vor Bekanntwerden des Skandals sieht die Sache ganz anders aus. Für diese Zeit hat der BGH in seinem ersten Diesel-Urteil vom 25. Mai festgestellt, dass der Konzern seine Kunden bewusst getäuscht hat und deshalb prinzipiell haftet. Bei der Berechnung der Ansprüche müssen sich Betroffene auf den Kaufpreis aber die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Und Geld bekommt nur, wer sein Auto zurückgibt.

Damit sind die anderen rund 50.000 noch laufenden Verfahren letztlich vorentschieden. Der Konzern will diese Fälle nicht mehr vor Gericht durchfechten, sondern jedem Kläger eine individuelle Summe anbieten. Wer sich darauf einlässt, soll sein Auto behalten dürfen.  © dpa

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