Bislang hiess es immer, dass sich Grossbritannien mit dem selbstverschuldeten Brexit ins eigene Fleisch schneiden und auch ökonomisch den grössten Schaden davontragen würde. Doch auch die deutsche Wirtschaft schlägt Alarm, vor allem, wenn der EU-Austritt ungeregelt über die Bühne gehen sollte.

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Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft haben vor drastischen Folgen eines chaotischen Brexits ohne Abkommen mit der EU gewarnt.

DIHK-Chef: Verlust von Jobs und Wohlstand

"Beim Brexit drohen auch massive Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft", sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer.

"Das kann zum Verlust von Jobs und von Wohlstand führen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Industriepräsident Dieter Kempf sprach von einer "dramatischen" Situation: "Jede Verzögerungstaktik ist brandgefährlich. Die Wirtschaft braucht endlich Klarheit."

Die britische Premierministerin Theresa May kämpft derzeit darum, dass der mit der EU ausgehandelte Austrittsvertrag eine Mehrheit im britischen Parlament findet und ein chaotischer Brexit Ende März 2019 vermieden wird.

May hatte der Europäischen Union am Freitag zwar neue Zusicherungen zur irischen Frage abgerungen, sie erhielt beim EU-Gipfel aber weniger als erhofft. May will weiter verhandeln.

Kempf sagte, die EU dürfe das Austrittsabkommen nicht aufschnüren. "Die Politik im Vereinigten Königreich muss endlich den Ernst der Lage erkennen", sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI).

Kempf: "Keine Spielchen mehr!"

Es gehe um fundamentale Weichenstellungen für die Zukunft des Landes und der nachfolgenden Generationen. "Wir haben nur noch knapp drei Monate Zeit, da darf sich niemand Spielchen erlauben. Ohne Abkommen gibt es auch keine Übergangsphase, die unsere Unternehmen dringend benötigen."

Ein ungeordnetes Ausscheiden des Vereinigten Königreichs riskiere ein Aussenhandelsvolumen Deutschlands von über 100 Milliarden Euro: "Es droht eine unmittelbar durchschlagende Rezession in der britischen Wirtschaft, die auch an Deutschland nicht unbemerkt vorüberziehen würde."

Deutsche Unternehmen seien mit rund 120 Milliarden Euro und weit über 2.000 Beteiligungen im Vereinigten Königreich engagiert, sagte Kempf.

"Sie bereiten sich intensiv auf das Szenario eines harten Brexits vor. Für ihre jeweiligen Branchen haben die Unternehmen eine umfangreiche Folgenabschätzung getroffen. Dabei geht es natürlich auch um mögliche Produktionsverlagerungen."

Die Unternehmen warteten mit Investitionsentscheidungen in Grossbritannien erst einmal ab. Die Opportunitätskosten - also entgangene Erlöse - gingen mit Sicherheit in die Milliarden. Einige Unternehmen hätten bereits Umstrukturierungen vorgenommen.

Kempf: "Die Investitionsbremse in Grossbritannien könnte sich schlagartig lösen, wenn das Austrittsabkommen endlich unterschrieben wird."

Massive Verunsicherung bei Unternehmen

DIHK-Präsident Schweitzer sagte: "Man muss sich klar machen, worum es geht: Grossbritannien ist der fünftgrösste Exportmarkt Deutschlands. Mehr als 750.000 Arbeitsplätze in Deutschland hängen vom Export nach Grossbritannien ab. Unser Exportvolumen mit Grossbritannien ist seit dem Brexit-Entscheid schon um mehr als fünf Prozent zurückgegangen."

Der DIHK rechne bei einem no-deal-Brexit für deutsche Unternehmen insgesamt mit bis zu 10 Millionen zusätzlichen Zollanmeldungen pro Jahr und mehr als 200 Millionen Euro zusätzlichen Kosten nur durch diese Zollbürokratie. "Die eigentlichen Zölle könnten noch dazu kommen: Allein für die deutschen Autoexporte drohen dann Mehrbelastungen von rund zwei Milliarden Euro im Jahr."

Die Zollbehörden im Vereinigten Königreich seien kaum darauf vorbereitet, ein Chaos in Dover zu verhindern, wenn Zollanmeldungen und -kontrollen nötig wären. "Just-in-Time-Produktions- und Lieferketten stehen auf dem Spiel", sagte Schweitzer

Die unklare Lage beim Brexit führe zu einer massiven Verunsicherung bei den Unternehmen - in einem derzeit ohnehin zunehmend instabilen Konjunkturumfeld.

"Das hat also konkrete Auswirkungen. Weil es keine Klarheit gibt, können sich die Firmen nicht wirklich auf den Brexit vorbereiten. Da hängen ganze Wertschöpfungsketten dran."

Je länger es bis zum Ende der britischen EU-Mitgliedschaft am 29. März 2019 keine Lösung gebe, umso schwieriger werde die Situation für die Wirtschaft, sagte Schweitzer: "Umso höher wird der Rückgang bei den Exporten und umso mehr belastet das den Wohlstand - und das schon vor dem eigentlichen Brexit. Mir fehlt aber derzeit die Fantasie, wie es im Unterhaus für das Austrittsabkommen eine Mehrheit geben kann. Der ausgehandelte Vertrag mit der EU begrenzt die negativen Auswirkungen des Brexit auf die Wirtschaft. Ihn von britischer Seite wieder aufschnüren zu wollen, erscheint mir allein schon angesichts des komplexen Gesamtpakets als nicht gangbar." (mwo/dpa)

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