Nach dem Abgas-Skandal warten Autofahrer in Deutschland gespannt auf den Diesel-Gipfel. Haben die Manipulationen der Auto-Industrie Konsequenzen, drohen beispielsweise in grossen Städten Fahrverbote? Und wer zahlt dafür, dass die Luft besser wird?
Am Mittwoch verhandeln Vertreter der Autobranche, der Bundesregierung und der betroffenen Ländern auf dem Diesel-Gipfel über Nachrüstungen für betroffene Fahrzeuge.
Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was wird auf dem Diesel-Gipfel verhandelt?
Bundesregierung und Autoindustrie wollen sich zum Diesel-Gipfel treffen, um über die nötigen Konsequenzen aus dem Abgasskandal und den Verdacht eines Kartells der Hersteller zu beraten.
Die Autoindustrie hatte mit unerlaubter Software die Prüfergebnisse ihrer Diesel-Fahrzeuge verfälscht, der Abgas-Skandal kam ans Licht.
Während auf dem Prüfstand die Grenzwerte eingehalten werden, stossen die Autos im Real-Betrieb deutlich mehr Schadstoffe aus. Dies führt zu hoher Luftbelastung vor allem in Ballungsräumen.
Zudem wird den deutschen Autobauern die Bildung eines Kartells vorgeworfen. Sie sollen sich im Vorfeld abgesprochen haben, um gemeinsam die Tankgrösse der zur Abgasreinigung benötigten Flüssigkeitstanks klein zu halten.
Bundesverkehrsminister
Wer ist zum Diesel-Gipfel eingeladen?
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) haben die Regierungschefs der Autoländer sowie Vertreter der deutschen Autobauer nach Berlin geladen. Seitens der Politik werden neben den Bundesministern damit folgende Personen teilnehmen:
Winfried Kretschmann (Grüne) – Ministerpräsident von Baden-WürttembergHorst Seehofer (CSU) – Ministerpräsident von BayernVolker Bouffier (CDU) – Ministerpräsident von HessenStephan Weil (SPD) – Ministerpräsident von Niedersachsen- Armin Laschet (CDU) – Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen
- Michael Müller (SPD) – Regierender Bürgermeister von Berlin
- Olaf Scholz (SPD) – erster Bürgermeister von Hamburg
Seitens der Wirtschaft sollen zudem die Chefs von VW, Audi, Porsche, BMW, Daimler, Ford Deutschland und Opel ihre Lösungen präsentieren.
Zudem werden der Verband der Automobilindustrie (VDA) sowie der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) teilnehmen.
Auch der Deutsche Städtetag, die IG Metall und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sind eingeladen.
Von mehreren Seiten stösst die Teilnehmerliste allerdings auf Kritik: So werden keine Vereinigungen, die Verbraucherinteressen vertreten, beispielsweise der ADAC, am runden Tisch Platz nehmen.
Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) fehlen.
Was sind die Standpunkte der einzelnen Teilnehmer?
Die AUTOBRANCHE hält Softwareupdates für die beste Lösung. Betriebsräte der grossen Autofirmen halten den Dieselantrieb noch auf Jahre für unverzichtbar. Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 und zum Teil auch Euro 6 sollten deshalb flächendeckend nachgebessert, Diesel- Fahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 1 bis 4 mit Hilfe einer "Öko-Prämie" beschleunigt ausgetauscht werden.
UMWELT- UND VERBRAUCHERSCHÜTZER fordern Rückrufe und Pflicht- Nachrüstungen für alle Diesel der Abgas-Normen 5 und Euro 6. Diese Fahrzeuge müssten am Motor nachgerüstet werden, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch. Die bisher geplanten "Updates" der Motor-Software hält Resch weder für ausreichend noch für rechtens.
Die BUNDESREGIERUNG ringt noch um eine gemeinsame Position. Justizminister Heiko Maas (SPD) wirft der Union einen Zickzackkurs vor. Eine Musterfeststellungsklage, an der sich mehrere Verbraucher gemeinsam beteiligen können, "könnte den Autokäufern in Deutschland bereits offenstehen, wenn CDU/CSU sie nicht in der laufenden Wahlperiode blockiert hätten", kritisierte er. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will, "dass die Fahrzeuge schnellstens auf Kosten der Hersteller optimiert werden". Er erwarte beim Gipfel ein "akzeptables Angebot" der Automobilindustrie. Für Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ist eine Software-Nachrüstung nur ein erster Schritt. In einem zweiten Schritt müssten die Autobauer dann die Hardware der Fahrzeuge nachrüsten, "und zwar auch auf ihre Kosten".
Einige AUTO-BUNDESLÄNDER schlagen vor, die Krise auch mit öffentlichem Geld anzugehen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil brachte "steuerliche Anreize oder eine Art Klimaprämie" für den Umstieg von alten Diesel- auf Euro-6- und Elektroautos ins Gespräch. Weils bayerischer Kollege Horst Seehofer (CSU) will eine geringere Kfz-Steuer als Anreiz zum Kauf neuer, emissionsarmer Euro-6-Diesel. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) geht davon aus, "dass es beim Diesel-Gipfel die Zusage für wirksame und nachprüfbare Schadstoffsenkungen zügig für die gesamte Euro-5- und Euro-6-Flotte gibt - und dass die Industrie die Kosten für die Nachrüstung trägt".
Die GEWERKSCHAFTEN heben die beschäftigungspolitische Bedeutung des Diesels hervor. Die IG-Metall setzt sich für eine bessere digitale Verkehrssteuerung, einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sowie der Erdgas-Infrastruktur als Sofortmassnahmen ein.
Welche Folgen drohen Autofahrern nach Diesel-Gipfel?
Prinzipiell ist jedwede Konsequenz aus dem Abgas-Skandal denkbar:
Die Auswirkungen könnten von Fahrverboten für bestimmte Diesel-Fahrzeuge und die Stilllegung nicht nachgerüsteter Modelle bis hin zu überhaupt keinen Konsequenzen reichen.
Es sieht aber danach aus, dass die Auto-Industrie mindestens zu einer für den Verbraucher kostenlosen Nachrüstung betroffener Diesel-Modelle verpflichtet wird - auf Software- oder Hardware-Ebene.
Ob weitere Vorschläge in der Runde mehrheitsfähig sind, wird sich aber erst im Laufe des Tages herauskristallisieren. (dpa/mgb)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.