Die europäischen Finanzminister haben das nächste Hilfspaket für Griechenland freigegeben – mehr als acht Milliarden Euro. Die Nachricht ging beinahe unter im täglichen Informationsfluss. Die Euro-Krise hat scheinbar ihre Bedrohlichkeit verloren. Vor allem in den Medien ist es ruhig um sie geworden. Dabei ist sie noch lange nicht überwunden.
Grosse Probleme sind nach wie vor ungelöst, zentrale Ursachen nicht behoben: "Die Euro-Krise ist nicht vorbei", sagt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW). "Sie hat sich nur beruhigt."
Euroraum von zahlreichen Problemen geplagt
Tatsächlich sah es in den letzten Wochen und Monaten so aus, als ginge es wieder aufwärts in Europa: Spanien und Irland haben den Rettungsschirm verlassen, die meisten Länder erwarten ein leichtes Plus beim Wirtschaftswachstum. Vor allem ist die Nervosität auf den Finanzmärkten gesunken, seit Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) im September 2012 verkündete, im Notfall unbegrenzt Staatsanleihen aus Krisenstaaten zu kaufen und so den klammen Ländern finanziell unter die Arme zu greifen. "Damit hat die EZB den Regierungen eine erhebliche Atempause verschafft", sagt Wolfgang Wiegard, ehemaliger Vorsitzender des Rats der Wirtschaftsweisen. Aber eben nur eine Atempause. Noch immer plagen eine Reihe ungelöster Probleme den Euroraum.
Staatsschulden und Arbeitslosigkeit schwächen Wirtschaft
Zum einen sitzen die Krisenländer auf einem riesigen Berg Staatsschulden, den sie dringend abbauen müssen. In der Krise war die Arbeitslosigkeit gestiegen, die Steuereinnahmen gesunken, Banken mussten gerettet werden – das alles liess die Schulden steigen. Sie loszuwerden ist allerdings enorm schwierig für die betroffenen Länder, da ihre Wirtschaft schwächelt. Das Wachstum ist gering, die Arbeitslosenrate noch immer sehr hoch, in Griechenland liegt sie bei mehr als 27 Prozent. "Die Krisenländer müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit durch wirtschaftspolitische Reformen stärken", fordert Wiegard. Das ist jedoch weitgehend noch nicht gelungen, Länder wie Italien müssen erst einen Weg finden, die Voraussetzungen für stabiles Wachstum zu schaffen.
Europäische Finanzpolitik verbesserungswürdig
Zudem müsse in Zukunft sichergestellt werden, dass sich die Länder an die gemeinsamen Regeln halten, sagt Marcel Fratzscher vom DIW. "Wir brauchen einen glaubwürdigen Mechanismus, der die Länder diszipliniert." Eine Lösung könne sein, die europäischen Institutionen entsprechend zu stärken oder eine neue zu schaffen, die sich mit dem Thema Finanzpolitik auseinandersetzt.
Eine andere offene Baustelle sind die Banken. "In vielen Fällen sind die noch zu anfällig", sagt Fratzscher. "Sie halten zu viele Risiken in ihren Bilanzen." Diese müssten reduziert werden. Die Bankenunion, die eine europäische Bankenaufsicht und das Abwickeln von Krisenbanken über einen gemeinsamen Fonds vorsieht, ist laut Fratzscher ein Schritt in die richtige Richtung. Die Frage ist nur, ob Europa in der Praxis durchsetzen kann, was es auf dem Papier vereinbart hat – zum Beispiel sicherzustellen, dass in dem Bankenrettungsfonds genügend Geld vorhanden ist.
"Die Krise wird uns noch einige Jahre begleiten"
Diese Probleme werden sich nicht von heute auf morgen lösen lassen. "Die Krise wird uns noch einige Jahre begleiten", sagt Wiegard. Vor allem die nötigen Reformen in den Krisenländern brauchen Zeit, ehe sie Wirkung entfalten. Und sie sind keine einfache Aufgabe: In Spanien zum Beispiel muss der aufgeblasene Immobiliensektor geschrumpft werden, die Menschen woanders Arbeit finden. "Eine so grosse Änderung passiert nicht innerhalb von zwei, drei Jahren", sagt Fratzscher. Auch die Reformen der Agenda 2010 hätten in Deutschland fünf Jahre gebraucht, ehe sie ihre volle Wirkung entfaltet haben.
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