Während die EU überlegt, den Euro noch in weiteren Ländern einzuführen, machen ihn Euroskeptiker derweil für allerlei Unheil verantwortlich. Tatsächlich hat der Euro massgeblich zum hiesigen Wohlstand beigetragen, für seine teils ungleiche Verteilung in der Bevölkerung kann er nichts.
Für den Mallorca-Urlaub nicht mehr Geld tauschen müssen, im heimischen Supermarkt Produkte aus Italien und Frankreich finden und im Internet bequem EU-weit Preise vergleichen: All diese Vorteile des Euro scheinen vergessen. Zumindest, wenn man sich den Punkt "Währungspolitik" des EU-Wahlprogramms der "Alternative für Deutschland" ansieht und dort liest: "Wir fordern eine geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes". Die Anti-Euro-Polemik der Partei hat laut Umfragen massgeblich zum Sieben-Prozent-Erfolg der Partei bei den Wahlen zum Europaparlament beigetragen. 33 Plätze im Europaparlament, das ist die Bilanz der Euroskeptiker und Rechtspopulisten bei der Europawahl Ende Mai. Mit einem europaweiten Stimmenanteil von mehr als vier Prozent sind die Eurokritiker zu einer ernstzunehmenden Grösse geworden.
Schnell wird übersehen, dass der Euro als Spar-Instrument und nicht als ein Ausgaben-Treiber konzipiert wurde. Schon die Gründungsväter der EU-Vorgängerin, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, hatten eine gemeinsame Währungspolitik vorgesehen. Mehrere Initiativen in den 60er und 70er zur Einführung scheiterten aber. Die Ansichten gingen zu weit auseinander. Während vor allem die Bundesrepublik auf ein wirtschaftsgetriebenes Wachstum setzte, wollten Länder wie Frankreich weiterhin durch Staatsausgaben die Wirtschaft ankurbeln. Erst in den 80er Jahren, so fasste es der deutsche Volkswirt Werner Abelshauser zusammen, habe sich auch in Europa das Konzept zu einer "stabilen und langfristig kalkulierbaren Entwicklung der Geldmenge" durchgesetzt.
Grundlagen für den Euro im Maastrichter Vertrag gelegt
So kam es, dass 1990 der gemeinsame Binnenmarkt auch einen freien Kapitalfluss ermöglichte. 1992 konnten dann mit dem Vertrag von Maastricht die Grundlagen für den Euro gelegt werden. Der Vertrag beinhaltete auch die heute viel zitierten Stabilitätskriterien, nach denen ein EU-Staat jährlich maximal Schulden in Höhe von drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts aufnehmen darf - sonst drohen empfindliche Strafen. In einer zweiten Stufe entstand mit dem Europäischen Währungsinstitut eine Vorgängereinrichtung der Europäischen Zentralbank (EZB), die fortan über die Haushalte der Mitgliedsstaaten wachte. 2002 schliesslich wurde der Euro dann in insgesamt zwölf Euroländern als übliche Währung eingeführt. Mittlerweile gehören 18 Länder zum Euroraum, als jüngstes Mitglied kam Anfang des Jahres Lettland hinzu.
Als im Zuge der Wirtschaftskrise mehrere sogenannte Rettungsschirme aufgespannt wurden, wuchs insbesondere in Deutschland vielerorts der Unmut. Unter Führerschaft der Bürgerinitiative Mehr Demokratie e.V. versuchten 37.000 Deutsche vor dem Verfassungsgericht eine Volksabstimmung über das Thema einzuklagen. Im März dieses Jahres wies das Gericht die grösste deutsche Verfassungsbeschwerde zurück. Trotz der Verpflichtungen, den Rettungsschirm notfalls mit bis zu 190 Milliarden Euro zu bedienen, bliebe die Haushaltsautonomie des Bundestags hinreichend gewahrt, begründete Verfassungsgerichtspräsident Andreas Vosskuhle die Entscheidung.
Euro bringt zahlreiche Vorteile
Mit der als von vielen als ungerecht empfundenen Abwälzung des Risikos von nationalen Banken auf europäische Bürger wurde gegen den Maastrichter Vertrag verstossen, so die Einschätzung vieler Experten. Laut dem Direktor des Deutschen Instituts der Wirtschaft Michael Hüthner sei der Euro den Rechtsbruch und so auch "der (damit einhergehenden) Rettung wert". Die Gemeinschaftswährung hatte sich 2010 nämlich insbesondere für Österreich und Finnland ausgezahlt, stellte 2012 auch die Unternehmensberatung McKinsey fest. Gerechnet in absoluten Zahlen sei jedoch Deutschland führend gewesen. Auf das Land entfiel demnach jeder zweite Dank dem Euro zusätzlich eingenommene Euro. In einem Spezial der Wirtschaftssendung "WISO" des ZDF warnten Experten Mitte Mai ausdrücklich vor dem Ausstieg aus dem Euro. Es drohe eine "massive Kapitalflucht aus Deutschland", in exportabhängigen Branchen wie der Automobilindustrie könnten zehntausende Arbeiter ihren Job verlieren, auch private Renten könnten schlimmstenfalls um "mehr als die Hälfte" an Wert verlieren.
Die Kritik der Rechtspopulisten am Euro vergisst all das. Sie hat aber noch eine weitere, viel grundlegendere Schwachstelle. Die Ursache vieler sozialer Probleme liegt nicht bei der europäischen Gemeinschaftswährung. Die Inflation im Jahr der Euro-Einführung war zu einem grossen Teil nur eine gefühlte. Zudem ist die teils ungleiche Verteilung von Eigentum, Einkommen und Rente vorwiegend nicht auf die Politik der EU, sondern auf die der Regierungen zurückzuführen, die dafür die Kompetenz haben. Zusammenfassend könnte man sagen: während ein Mindestlohn Österreichern und bald auch Deutschen mehr Euro im Geldbeutel beschert, könnte die Rückkehr zu Schilling und Deutsche Mark für alle teuer werden.
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