Die Stimmung in der Eurozone ist angespannt. Am Freitag sank der Euro auf 1,09 Dollar - der niedrigste Wert seit 2003. Händler machten zuletzt die günstigere Konjunktur in den USA für die Entwicklung verantwortlich. Auch die Situation in Griechenland zieht die Währung nach unten. Woher die aktuelle Euro-Schwäche kommt, welche Folgen das hat - und warum vor allem Deutschland davon profitieren dürfte.

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Die Entwicklung bekommen etwa Touristen zu spüren, die jetzt in die USA reisen und dort nicht mehr ganz so günstig einkaufen können wie früher. Doch für die Gesamtwirtschaft ist der schwache Euro kein Grund zur Sorge. "Die Abwertung ist für den Euroraum insgesamt eine gute Nachricht", sagt Simon Junker, Experte für Konjunkturpolitik beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Sie könne die Gewinnsituation der Unternehmen verbessern. Damit würde es einfacher, die Schuldenlast abzubauen.

Fragiles Euro-Konstrukt

Der Tiefstand wurde nach Wirtschaftsexperten unter anderem durch das Fluten der Finanzmärkte mit Liquidität der Europäische Zentralbank (EZB) ausgelöst. Vereinfacht gesagt: Je mehr Geld dadurch in Umlauf gelangt, desto mehr sinkt der Wert. Der Eurokurs dürfte noch weiter fallen: Ab Montag beginnt die EZB im grossen Stil Staatsanleihen zu kaufen, verkündete EZB-Präsident Mario Draghi zuletzt auf der Pressekonferenz in Nikosia am Freitag. Bis September 2016 will die EZB Draghis Worte zufolge die Märkte mit 1,14 Billionen Euro stärken.

Die Idee: Der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB, wie aktuell im Fall von Griechenland, soll die Wirtschaft ankurbeln, indem Banken verstärkt Kredite an die Wirtschaft verleihen. Ob diese Rechnung aufgeht, ist laut Junker derzeit schwer zu sagen. "Der Euroraum ist momentan ein sehr fragiles Konstrukt", sagt der Finanzexperte. Die Gefahr: Statt im eigenen Land Kredite zu vergeben, könnten die Banken verstärkt Anleihen im Ausland kaufen.

Geringe Gefahr für Deutschland

Tendenziell steigt durch einen schwachen Euro die Nachfrage aus dem Ausland, sprich der Export wird angekurbelt. "Das trifft nicht nur für Deutschland, sondern für den gesamten Euroraum zu", sagt Simon Junker. Mit Gesamtexporten von rund 46 Prozent (in Relation zum nominalen BIP) stehe Deutschland ganz gut dar.

Besonders exportorientierte Unternehmen könnten vom niedrigen Eurokurs profitieren. Demnach können zum Beispiel Autohersteller wie Daimler, BMW oder Volkswagen ihre Fahrzeuge im Ausland günstiger anbieten. Das gleiche gilt für Branchen, deren Geschäfte in US-Dollar abgewickelt werden. Ein grösserer Teil des deutschen Exports fliesst allerdings in andere Euroländer – dadurch ist die Wechselkurswirkung begrenzt.

Gift für schwache Euro-Länder

Die Kehrseite: Fällt der Wechselkurs, werden die Importe teurer. Dieser liegt in Deutschland immerhin bei gut 31 Prozent. Ein Grosshändler zum Beispiel, der seine Ware aus einem Land ausserhalb der Währungsunion bezieht, verliert durch die Abwertung an Gewinn. Ob der Bürger davon zu spüren bekommt, ist von Fall zu Fall verschieden, erklärt DIW-Experte Simon Junker. Denn das Unternehmen müsse entscheiden, ob es den Preisanstieg verkraftet oder aber die Kosten in Form von höheren Preisen auf den Endkunden überträgt.

Vor allem für schwächere Volkswirtschaften ist der niedrige Eurokurs jedoch ein Problem – zum Beispiel im Fall von Italien, das einen sehr geringen Exportanteil hat und damit von einem schwachen Euro auch wenig profitieren kann.

Im Unterschied zur "Exportnation" Deutschland, das sich vor allem auf hoch spezialisierte High-Tech-Güter konzentriert, verkaufen die übrigen Mitgliedsländer der Euro-Zone vor allem Massenprodukte ins Ausland. Dabei stehen sie in einem harten Preiswettbewerb bei sehr geringen Margen - so dass auch ein schwacher Euro und der dadurch angekurbelte Export den Gewinn nur wenig steigern dürfte.

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