Die Politik bestimmt die Geschicke der Menschen in den Zeiten der Euro-Krise. Und die deutsche Regierung ist als führende Wirtschaftsmacht in Europa federführend in der Rettung bedrohter Länder. Wir waren in Europa auf Stimmenfang und haben ein Meinungsbild aus unterschiedlichen Ländern eingesammelt.
"Euro-Retter" oder "egoistischer Bösewicht". In der medialen Begleitung der Euro-Krise werden aus Deutschlands Bundeskanzlerin
Zypern & Griechenland
Die Menschen auf Zypern und in Griechenland sind wütend. Auf die EU und vor allem auf Deutschland. Das Spardiktat trage Angela Merkels Stempel, heisst es. Den zyprischen Geldanlegern in die Tasche greifen zu wollen, eine deutsche Idee. So sehen es zumindest viele Einheimische, die von der Krise hart getroffen werden. "Deutschland verdient Milliarden an dieser Krise", meint die eine Stimme, während eine andere hofft, dass Merkel die Bundestagswahl im September verliert:
Sofia Gazi*, 32, Journalistin aus Athen – lebt seit einem Jahr auf Zypern:
"Ich gehöre zu der Generation, die sich von Europa viel erhofft hat. Wir haben die Pässe abgeschafft, die Grenzen geöffnet, eine Währungsunion geschaffen. Wir haben europabereite Menschen kennengelernt und uns an einen Tisch gesetzt. Ich dachte immer, ich sei mehr Europäerin statt Griechin, doch ich lag falsch. Das ist sehr schade. Ich bin nicht böse auf die Deutschen, sondern auf die Politik, die sie in Europa ausüben. Merkel,
Paraskevi Sotiriou, 35, Angestellte bei der griechischen Alpha-Bank in Athen:
"Wir hören immer wieder von Bankenfusionen und haben Angst um unseren Job. Das ist in allen Branchen so. Ich kann nicht verstehen, warum die Deutschen uns so sehr hassen. Nicht wir haben diese Krise angerichtet, sondern die Banken und die Politiker."
Fotis Ananiadis, 53, Landwirt in westlichen Teil Griechenlands:
"Ich habe drei Kinder. Das Geld reicht hinten und vorne nicht. Wir müssen alle sparen, nur die Politiker in Athen nicht. In Deutschland sind doch Wahlen, oder? Ich wünsche mir wirklich, dass Merkel die Wahlen verliert. Vielleicht ändert sich dann die Haltung der Deutschen gegenüber Griechenland. Wir brauchen kein Spardiktat, wir brauchen wirkliche Hilfe."
Petroula Mekra, 29, Krankenschwester (Zypern):
"Ich bin erschüttert. Ich habe Bekannte, die haben sich ein Haus kaufen wollen und ein Darlehen in Höhe von 150.000 Euro aufgenommen. Das Geld wurde auf ein Konto überwiesen, jetzt sollen sie knapp 60.000 Euro von dem Geld abgeben. Das ist unfair! Deutschland verdient Milliarden durch diese Krise und wir stehen kurz vor dem finanziellen Aus. Der Fehler liegt im System."
Spanien
In Spanien weicht die Wut langsam aber sicher der Resignation. Vor allem junge Menschen, die noch im vergangenen Jahr auf die Strasse gegangen sind, um für ihre Rechte und gegen die Arbeitslosigkeit zu demonstrieren, haben sich langsam mit der Situation abgefunden. Deutschland ist hier nicht der Buhmann. Deutschland ist das Land, das den Weg aus der Krise gefunden hat.
Simone Garcia, 28 Jahre, studierte Architektin:
"Die Situation in meinem Land ist ziemlich beschissen - ernsthaft! Die Krise geht einfach nicht vorbei, es gibt 5.000.000 Arbeitslose. Die Regierung tut nichts um neue Jobs zu schaffen, sondern erhöht stattdessen die Steuern. Und als ob das noch nicht genug wäre, sind die Politiker auch noch korrupt. Es ist gerade herausgekommen, dass sie Geld geklaut haben.
Die Medien berichten schon darüber. Ich respektiere die Journalisten, aber ich war schon immer der Meinung, dass uns die Medien ohnehin nur erzählen, was sie wollen und nicht die ganze Geschichte. Wenn es um Deutschland geht, wird eigentlich fast nur über Angela Merkel und ihre Macht in der EU berichtet. Meiner Meinung nach hat die Krise Deutschland am Anfang genauso getroffen wie ganz Europa. Aber Deutschland wusste, wie man wieder aufwacht und seitdem geht es dem Land wieder gut."
Italien
Die Situation in Italien gleicht der Lage Spaniens fast aufs Haar. Die Krise trifft vor allem junge Leute. Etwa 35 Prozent aller erwerbsfähigen Menschen unter 35 Jahren sind arbeitslos. Das Vertrauen in die eigenen Regierung ist nicht vorhanden, doch genauso wenig fühlen sich die Menschen von der EU repräsentiert. Die starke Rolle, die Deutschland innerhalb der Euro-Länder spielt, ist auch Italien nicht entgangen. Den Menschen brennt vor allem eine Frage unter den Fingernägeln: Interessiert sich Deutschland überhaupt für die Zukunft Italiens?
Michelangelo Terrazzino, 32, arbeitslos (studierter Betriebswirt):
"Es ist alles sehr schwierig, die Steuern steigen täglich. Der öffentliche Dienst steht kurz vor dem finanziellen Kollaps. Geschäfte schliessen, weil sie kein Geld mehr haben, die Banken geben keine Kredite mehr aus und Firmen können nicht einmal die Schulden vom Staat zurückfordern, weil der aufgrund der EU-Regularien nicht zahlen darf. Private Firmen müssen schliessen, weil der Staat vor dem finanziellen Aus steht. Es klingt unglaublich, aber das ist die Situation in Italien.
Die Medien machen keinen Unterschied zwischen der EU und Deutschland (da stimme ich ausnahmsweise komplett mit den Medien überein). Besonders herausgestellt wird die absolute Machtlosigkeit der EU-Institutionen und wie die meisten wichtigen Entscheidungen von Deutschland und ein paar anderen Ländern getroffen werden. Da wundert man sich natürlich schon, ob die Ausmasse der Opfer, die gebracht werden sollen, im Interesse der ganzen Union liegen oder nicht.
Ich glaube, wir sind die Verlierer in einem Wettbewerb und dafür müssen wir jetzt zahlen. Ich fühle mich nicht gut repräsentiert von der EU, denn wenn man sich die Institutionen anschaut, so wird dort scheinbar nur Deutsch gesprochen. Aber ich frage mich: Ist Deutschland wirklich an der Zukunft Italiens interessiert?"
Grossbritannien
Grossbritannien nimmt in der Euro-Krise eine Sonderrolle ein. Dem britischen Pfund ging es zwar auch schon einmal besser, bei der Rettung des Euro sehen sich die Briten dennoch erst einmal aussen vor.
Tom Dennis, 29, freier Journalist:
"Ich glaube, in Grossbritannien haben die meisten die schwierige Lage langfristig akzeptiert. Die Situation ist generell schwierig, hängt aber auch sehr von den einzelnen Menschen ab. Die Höhe der Schulden, Verschlechterung der Lebensstandards und so weiter, das sind Probleme, die sich nicht von heute auf morgen lösen lassen. Allerdings fehlt den Menschen das Vertrauen in die Regierung, tatsächlich etwas ändern zu können.
Die Medien befassen sich sehr viel mit Deutschland und der Finanzkrise. Die BBC hat eine Debatte angestossen, ob Deutschland für das finanzielle Versagen von anderen europäischen Nationen verantwortlich gemacht werden kann. Natürlich schwingt dabei die Annahme mit, dass die Euro-Krise und die Situation in Ländern wie Griechenland Deutschland mehr angeht als Grossbritannien. Wenn Deutschland erst wirtschaftlich davon profitiert, Länder wie Griechenland im Euro zu haben, dann ist es nur gerecht, dass sie jetzt dafür zahlen.
Meiner Meinung nach war sich Deutschland der Gefahr bewusst, die von den schwächeren Euro-Ländern ausging. Jetzt kann Deutschland nicht mehr tatenlos zuschauen. Es ist jedenfalls keine Option, zur finanzieller Vorsicht aufzurufen. Denn dem Euro unter solchen Umständen beizutreten, war bereits das Gegenteil von finanzieller Vorsicht."
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