- Die Europäische Zentralbank leitet Ende der Null- und Negativzinsen ein.
- Erstmals seit elf Jahren will die Notenbank wieder die Zinsen erhöhen.
- Die hohe Teuerung zwingt zum Gegensteuern.
Mit der ersten Zinserhöhung seit elf Jahren reagieren Europas Währungshüter auf die Rekordinflation. Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) kündigte am Donnerstag an, im Juli die Leitzinsen im Euroraum um jeweils 25 Basispunkte anzuheben.
Zunächst bleibt der Leitzins aber auf dem Rekordtief von null Prozent, Banken müssen für geparkte Gelder bei der EZB weiterhin 0,5 Prozent Zinsen zahlen. EZB-Präsidentin
Nach der Ankündigung weitete der Dax am Nachmittag sein Minus mit 14.235,01 Punkten auf 1,46 Prozent aus. Der Leitindex fiel auf ein Monatstief und steuerte auf den dritten Verlusttag in Folge zu. Der MDax fiel mit einem Abschlag von 1,16 Prozent auf 29.828,00 Punkte. Auch der Eurozonen-Index EuroStoxx 50 sank deutlich.
Anleger fürchten bei den Onlinehändlern schon länger, dass die Inflation die Konsumnachfrage dämpft, steigende Zinsen das Wachstum gefährden und die Lieferkettenprobleme anhalten. An diese Hauptprobleme der Branche erinnerte der schwedische Modehändler Boozt, der seine Jahresziele einstampfte. Auch die im SDax notierten Aktien von About You sanken um fast 6 Prozent.
EZB beendet Anleihenkäufe
Bei seiner auswärtigen Sitzung in Amsterdam, beschloss der EZB-Rat des Weiteren, die milliardenschweren Netto-Anleihenkäufe zum 1. Juli einzustellen. Das Ende dieser Käufe hatte die Notenbank in ihrem längerfristigen geldpolitischen Ausblick ("Forward Guidance") zur Voraussetzung für eine Zinserhöhung erklärt.
In den vergangenen Wochen hatte der Druck auf Europas Währungshüter deutlich zugenommen, nach Jahren des ultralockeren Kurses umzusteuern und mit Zinsanhebungen die rekordhohe Teuerung einzudämmen. Im Euroraum lagen die Verbraucherpreise im Mai 2022 um 8,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonates, in Europas grösster Volkswirtschaft Deutschland sprang die jährliche Inflationsrate im Mai vorläufigen Zahlen zufolge mit 7,9 Prozent auf den höchsten Stand seit fast 50 Jahren.
EZB strebt eine Inflation von 2 Prozent pro Jahr an
Die EZB strebt für den Währungsraum der 19 Länder mittelfristig stabile Preise bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2 Prozent an. Höhere Inflationsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro dann weniger leisten können. Getrieben wird die Inflation seit Monaten vor allem von steigenden Energiepreisen, die nach dem russischen Angriff auf die Ukraine nochmals kräftig anzogen. Auch Probleme in den Lieferketten sorgen für steigende Preise.
Volkswirte rechneten vor der EZB-Sitzung vom Donnerstag mit einer Serie von EZB-Zinsschritten nach oben im laufenden Jahr. Bis zum Ende des Jahres könnte der Einlagensatz demnach auf plus 0,5 Prozent steigen und der Hauptrefinanzierungssatz ein Niveau von 0,75 Prozent erreichen. Andere Notenbanken wie die Federal Reserve in den USA oder die Bank of England haben ihre Leitzinsen bereits mehrfach erhöht. Bis höhere Zinsen bei Sparerinnen und Sparern ankommen, dauert es allerdings erfahrungsgemäss eine Weile.
Europas Währungshüter hatten lange an der Einschätzung festgehalten, die steigende Inflation sei von Sonderfaktoren getrieben und daher vorübergehend. Nun versucht die EZB eine Gratwanderung zwischen hoher Teuerungsrate und gestiegenen Risiken für die konjunkturelle Erholung aus dem Corona-Tief wegen des Ukraine-Krieges. (dpa/ank/okb)
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