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Elf Kilogramm Schokolade lässt sich der Durchschnittsdeutsche jährlich gerne auf der Zunge zergehen. Was viele aber nicht wissen: Für den Genuss eines billigen Schokoriegels etwa müssen Menschen ihre Gesundheit oder gar ihr Leben lassen. Die bundesweite Aktion „Faire Woche“ zeigt bis zum 28. September, wie der Kauf von Schokolade ohne bitteren Nachgeschmack möglich ist. Die Kakaobohne gedeiht dort am besten, wo es für körperliche Arbeit am härtesten ist; die Sonne der Tropen erhitzt die Kakaobäume und die Köpfe der Arbeiter, die sich trotzdem auf einen präzisen Schlag mit der Machete konzentrieren müssen, wenn sie die Kakaofrucht vom Stamm abschlagen. Aber wirklich bedrohlich wird es für die Menschen, wenn sie hochgiftige Pestizide auf die Pflanzen versprühen, um Schädlinge zu töten. Unter anderem stellt eine agrarökonomische Studie der Universität Nigeria fest, dass die verwendeten Spritzmittel die Gesundheit stark angreifen und Vergiftungen so stark sein können, dass sie zum Tod führen. Das Einatmen oder der direkte Kontakt mit den toxischen Pflanzenschutzmitteln verursachen bei den Arbeitern Gesundheitsschäden wie Atemwegserkrankungen, Epilepsie und in einigen Fällen todbringende Krankheiten wie Leukämie, Hirn- und Lebertumoren.Ausserdem gefährden instabile Weltmarktpreise die Existenz der Kleinbauern, da sie häufig weniger Geld erhalten, als sie für die Produktionskosten investieren müssen. Deswegen sind sie häufig auf billige Kinderarbeit angewiesen, um so das Überleben der Familie zu sichern. Selbst Schwangere müssen schwere Feldarbeit leisten, um den Kampf gegen den Hunger nicht zu verlieren.Schokolade ohne Gewissensbisse geniessenEs geht aber auch anders. Nichtregierungsorganisationen haben Standards und Prüfungssysteme entwickelt, die einen fairen Handel gewährleisten sollen. Wir als Konsumenten haben es in der Hand, unter welchen menschen(un)würdigen Bedingungen Kakao, Kaffee und andere Produkte des Südens angebaut und vermarktet werden. Gütesiegel wie "Fairtrade", "UTZ Certified" oder "Rainforest Alliance" Certified" versprechen, dass dafür keine Kinder zur Arbeit verpflichtet werden. Ausserdem unterstützen die Siegel ausstellenden Organisationen die Bauern bei der Bildung von Kooperativen, um gemeinsam für Mindestpreise kämpfen zu können. Überdies werden naturnahe Anbaumethoden wiedereingeführt, damit der Boden nachhaltig – also auch noch in zehn Jahren – bewirtschaftet werden kann. Zudem erhalten die Kleinbauern Prämien, die sie zur Verbesserung ihrer Lage nutzen. Wege zur NachhaltigkeitDer Branchenkenner Richard Perrin hat in Ghana als Projekt-Koordinator zwei Jahre daran gearbeitet, die "UTZ Certified"-Standards einzuführen. Er sieht den "Schlüssel zur Nachhaltigkeit" in der Effizienzsteigerung - solange Natur und Mensch keinen Schaden erleiden. Der britische Volkswirt betont: "Nur so können sich die Bauern unabhängig von zusätzlichen Zahlungen machen und auf dem freien Weltmarkt bestehen." Deswegen flössen bei "UTZ Certified" die Prämien nicht – wie bei anderen Organisationen wie "TransFair" - in soziale, Gesundheits- oder Bildungsprojekte für die Allgemeinheit. Statt dessen finanzieren die zusätzlichen Einnahmen ausschliesslich Projekte, die die Anbaumethoden der Bauern verbessern, so dass diese mehr Früchte ernten können. Die so gesteigerten Erträge haben ausserdem zur Folge, dass die Bauern nicht länger auf ihre Kinder als billige Hilfskräfte angewiesen sind.
Das Konzept könnte auf dem Weltmarkt Erfolg haben, denn auch der Lebensmittelriese Mars hat angekündigt, bis 2020 ausschliesslich Schokolade mit dem "UTZ-Certified"-Siegel zu verwenden. Aber auch hier ist Raum für Verbesserung. Es werden zwar nachhaltige, naturnahe Anbaumethoden eingeführt, auf gefährliche Pestizide wird aber noch immer nicht verzichtet, wenn sie von der vielerorts laxen Regierungen erlaubt sind. "Fairtrade" verbietet die giftigen Spritzmittel kategorisch - unabhängig von der örtlichen Zulassung des Pestizids.Allen Siegeln gemeinsam ist das Ziel einer nachhaltigen, möglichst umweltverträglichen Landwirtschaft. So macht die Sprecherin von TransFair, Claudia Brück, deutlich, dass ihre Organisation bereits eine Vielzahl umweltschädlicher Substanzen verbiete. Sie fordert darüber hinaus: "Die Nutzung von Pflanzenschutzmitteln muss nach und nach reduziert werden." Wem diese Aussagen nicht reichen und wer sicher gehen will, dass sein Produkt ganz ohne Chemikalien erzeugt wurde, der sollte Produkte kaufen, die zusätzlich das EU-Bio-Logo tragen.
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