- Kleinanleger, die sich auf Online-Plattformen gegen Hedgefonds verbünden, sorgen derzeit für einen nie dagewesenen Börsen-Boom einzelner US-Unternehmen.
- Das verrückte Phänomen ruft die Börsenaufsicht und das Weisse Haus auf den Plan.
Ausnahmezustand am US-Finanzmarkt: Niedrige Handelsgebühren, Absprachen in Online-Foren und Youtube-Tutorials haben in der Pandemie einen Börsenboom ausgelöst, bei dem eine neue Generation von Kleinanlegern Aktien angeschlagener Firmen in ungeahnte Höhen katapultiert. Die seit Tagen schon heftigen Kurskapriolen ausgesetzten Papiere des Computerspiel-Händlers Gamestop gingen am Mittwoch mit einem Plus von rund 135 Prozent aus dem Handel. Die Papiere der kürzlich noch als Pleitekandidatin gehandelten weltgrössten Kinokette AMC stiegen um mehr als 300 Prozent.
Auf Reddit zum Aktienkauf verabredet
Aus Sorge vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren die Aktien von Gamestop noch 2020 bei einem Rekordtief von 2,57 Dollar zu haben gewesen. Doch seit Mitte Januar kennen die Papiere nur noch eine Richtung - nach oben. Zuletzt wurden die Aktien zum Höchstpreis von knapp 150 Dollar gehandelt. Als massgeblicher Faktor hinter der Kursrally gilt ein neues Phänomen am US-Aktienmarkt, bei dem sich massenweise Kleinanleger in Foren etwa auf der Chat-Plattform Reddit im Stil von Flashmobs absprechen, um bestimmte Aktien zu kaufen.
Gamestop und AMC: Aktienhandel als Volkssport
Dank eines nicht zuletzt von der Wertpapierhandels-App Robinhood ausgelösten Preiskriegs zwischen Online-Brokern, der die Gebühren massiv hat sinken lassen, hat sich der Aktienhandel in den USA gerade bei vielen Jüngeren während der Coronakrise zu einer Art Volkssport entwickelt. Hinzu kommt, dass auch riskantere Transaktionen etwa mit Optionen, bei denen beispielsweise nur Bruchteile des Werts eines Anteilsscheins gehandelt werden, inzwischen viel stärker der breiten Bevölkerung und nicht mehr nur Finanzprofis zugänglich sind.
So gehört etwa Gamestop zu den Aktien, die jüngst stark auf der Online-Plattform Reddit diskutiert wurden. Ein Hobby der Community ist es zudem, durch konzertierte Aktionen professionelle Investoren aus dem Markt zu drängen, die auf fallende Kurse spekuliert haben. Bei Gamestop kam es zuletzt zu einem regelrechten Kräftemessen mit Hedgefonds, bei dem sich die Kleinanleger zumindest vorerst durchsetzen konnten.
Ganz neu ist das Phänomen indes nicht. Bereits seit Jahren gibt es Social-Trading-Plattformen, auf denen sich Nutzer austauschen, um gemeinsam Kaufideen zu entwickeln.
"Wall Street Journal" spricht von "Krieg"
Die Kursturbulenzen sorgten in der Finanzwelt zur Wochenmitte für grosse Aufregung, das "Wall Street Journal" schrieb gar von einem "Krieg", der zwischen Hedgefonds und Amateurhändlern ausgebrochen sei. Viele Online-Broker hatten angesichts des regen Betriebs am Markt technische Probleme. Forderungen nach einem Handelsstopp wurden laut, um die Lage zu beruhigen. Die Börsenaufsicht SEC teilte mit, die Situation genau im Blick zu haben und kündigte eine Untersuchung an. Eine Sprecherin des Weissen Hauses erklärte beim Presse-Briefing, dass auch ein Team des Finanzministeriums die Lage beobachte.
Sorge um Ansehen der Börse
Zuletzt soll auch der auf dem Kurznachrichtendienst Twitter sehr präsente Tesla-Chef Elon Musk mit einem Tweet zu Gamestop und einem Link zu den Reddit-Nutzern die jüngste Rally angefacht haben. Analysten warnen derweil, dass der massive Kursanstieg nichts mit der Realität zu tun habe. Experte Jens Rabe etwa meint, der Höhenflug der Gamestop-Aktien schade dem Ansehen der Börse, da der Vorgang als "Zockerei" wahrgenommen werde. Er fordert sogar ein Durchgreifen der Aufsichtsbehörden, da Aktien kleiner Firmen als Spielball missbraucht werden könnten. (dpa/mcf)
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