Reiseunternehmen sind besonders von der Corona-Epidemie betroffen. So ist die Nachfrage nach Flügen eingebrochen. Vielfach heben die Maschinen aber auch ohne einen einzigen Passagier ab. Grund dafür ist eine europaweite Regelung.
Die Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie für die Luftfahrbranche sind verheerend. Die Fluggastzahlen sind eingebrochen, viele Maschinen bleiben auf dem Boden. Zugleich heben auch Flugzeuge komplett leer ab, ohne einen einzigen Passagier. Grund dieser sogenannten Geisterflüge ist eine EU-Regel, die nun in der Kritik steht.
Die Airlines führen diese Leerflüge aufgrund der sogenannten 80/20-Regelung durch: Fluggesellschaften, die an einem Airport fliegen wollen, brauchen dafür sogenannte Slots, also Zeitfenster. Gerade grosse Flughäfen haben aufgrund ihrer Infrastruktur nur eine begrenzte Anzahl von Zeitfenstern für Starts und Landungen.
Aufgrund der 80/20-Regelung muss eine Fluggesellschaft ihren Slot zu mindestens 80 Prozent nutzen, sonst verfällt er. Im für die Airline schlimmsten Fall geht der Slot dann an einen Wettbewerber – was die Unternehmen natürlich verhindern wollen und deshalb lieber leer fliegen.
Lesen Sie auch: Alle aktuellen Entwicklungen rund um das Coronavirus in unserem Live-Blog.
Airlines lassen leere Flugzeuge fliegen, um Slots nicht zu verlieren
Eigentlich soll die 80/20-Regelung verhindern, dass Fluggesellschaften Slots beantragen, aber nicht nutzen, und so Wettbewerber fernhalten. In der jetzigen Krise sei die Regelung jedoch kontraproduktiv, da nun ein Riesenanteil der Slots zu verfallen drohe, kritisiert der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft.
Die Fluggesellschaften könnten die Slots entweder verfallen lassen, was wirtschaftlich schade – oder sie liessen leere Flugzeuge fliegen, nur um die Slots zu halten, was ökonomisch wie ökologisch unverantwortbar wäre. Aus diesem Grund sei diese Regelung auch bei vergangenen Krisen vorübergehend ausgesetzt worden.
Der Verband sieht wegen der Auswirkungen der Corona-Epidemie einen immensen wirtschaftlichen Schaden für die Branche. Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow sagte der Deutschen Presse-Agentur bereits am Samstag, es sei absehbar, dass die Folgen der Coronakrise auf den Luftverkehr gravierender seien als bei vergleichbaren Krisen, wie etwa dem Nachfrageeinbruch in der Finanz- und Wirtschaftskrise oder in Folge des SARS-Virus. "Unsere Unternehmen passen mit grossen Anstrengungen ihr Flugangebot an die einbrechenden Buchungen an, um den wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen und Arbeitsplätze zu sichern."
Drastische Buchungsrückgänge bei Lufthansa
So hat etwa der Lufthansa-Konzern seinen Flugplan in den kommenden Wochen bis zur Hälfte zusammengestrichen, wie das Unternehmen am Freitag mitteilte.
Die grösste deutsche Airline hatte bereits zuvor 150 Maschinen und damit 20 Prozent ihrer Flotte aus dem Verkehr gezogen. Die Airlines des Konzerns, zu dem auch Eurowings, Swiss, Austrian Airlines und Air Dolomiti gehören, haben ihren Flugplan ebenfalls deutlich ausgedünnt. Auch andere Fluggesellschaften haben bereits ähnlich reagiert.
Die Massnahme diene dazu, die finanziellen Folgen des Nachfragerückgangs abzumildern, erklärte Lufthansa. Das Unternehmen berichtete von drastischen Buchungsrückgängen und zahlreichen Stornierungen.
Die Folgen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus treffen derzeit die gesamte Flugbranche mit voller Wucht. Wie die Analysefirma Forwardkeys am Donnerstag mitteilte, brach die Zahl der Flugreservierungen auf Verbindungen von Amerika, Asien und Afrika nach Europa in der letzten Februarwoche um 79 Prozent ein. Die Internationale Luftverkehrsvereinigung IATA rechnet für die Airlines weltweit mit Einnahmeeinbussen von bis zu 101 Milliarden Euro. (dpa/afp/mf)
Update 11. März: Die EU-Kommission will "sehr schnell" Vorschläge unterbreiten, um Fluggesellschaften in der Corona-Krise den Erhalt von Start- und Landerechten trotz sinkender Passagierzahlen zu ermöglichen. "Wir wollen es für Airlines einfacher machen, ihre Flughafen-Slots zu behalten", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag in Brüssel. Der Koordinator der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt, Thomas Jarzombek, begrüsste die Ankündigung von der Leyens.
Von der Leyen sagte weiter, Airlines sollten als "vorübergehende Massnahme" nicht ihre Start- und Landerechte abgeben müssen, wenn es wegen sinkender Passagierzahlen keine Flüge gebe. "Der Coronavirus-Ausbruch hat grosse Auswirkungen auf die europäische und internationale Luftverkehrsindustrie." Die EU-Kommissionspräsidentin fügte hinzu: "Wir sehen, dass sich die Lage täglich verschlimmert, und es wird erwartet, dass der Verkehr weiter sinkt."
Bei Flügen von und nach China und Hongkong waren die Slot-Koordinatoren der EU schon übereingekommen, dass die Unternehmen in Bezug auf die Start- und Landerechte "höhere Gewalt" geltend machen und ihre Slots unter bestimmten Bedingungen behalten können.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.