Hand aufs Herz: Sie haben die Aussicht auf ein grosses Erbe – würden Sie darauf verzichten?

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Wir sind darauf gepolt, im Laufe unseres Lebens Besitz anzusammeln. So stellt sich seit Menschengedenken nach dem Tod eines Angehörigen die immer gleiche Frage: Wer bekommt dessen Hab und Gut oder dessen Titel? Nicht immer ist diese Frage leicht zu beantworten und allzu oft offenbaren sich dabei die dunklen Seiten der Menschen. Sehen wir der Wahrheit ins Auge: Der Mensch ist gierig nach Geld und Erbstreitigkeiten sind so alt wie die Menschheit.

Kommen Sie mit auf einen Streifzug durch die Geschichte. Wir stellen Ihnen einige besonderes interessante Erbstreitigkeiten vor.

Eine exhumierte Schachlegende


Der US-Amerikaner Bobby Fischer wurde als Schachspieler weltberühmt: Während des Kalten Krieges besiegte er den sowjetischen Schachweltmeister Boris Spassky. Seit die Schach-Legende 2008 starb, tobt ein Streit um sein auf zwei Millionen Dollar geschätztes Erbe. Vier Parteien kämpfen gegeneinander: eine Ehefrau, zwei Neffen, die US-Regierung (es gibt noch offene Steuerschulden) und eine Frau von den Philippinen, die behauptet, Fischer sei der Vater ihres Sohnes. Dieser Streit nimmt nun makabere Auswüchse an: AFP berichtet, dass Fischers sterbliche Überreste am Montag exhumiert wurden. Denn nun soll ein Vaterschaftstest klären, ob die Frau die Wahrheit berichtet hat.

Filmreifes Drama im Hause L'Oréal

Erbstreitigkeiten müssen nicht zwangsläufig erst nach dem Tod des Vermögenden aufflammen. Ein prominentes Beispiel dafür ist der Zwist um L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt. Die reichste Frau Europas besitzt unglaubliche 16 Milliarden Euro – und aus denen scheint sie sich wenig zu machen. Sie liebt es, andere mit millionenschweren Geschenken zu überhäufen, doch das ist ihrer Tochter Françoise Bettencourt-Meyers ein Dorn im Auge. Sie hält ihre Mutter für unzurechungsfähig und versuchte, sie entmündigen zu lassen – bisher ohne Erfolg. Sie strengte eine Klage gegen einen Freund ihrer Mutter an, dem sie vorwirft, die Geistesschwäche ihrer Mutter ausgenutzt zu haben, um sich zu bereichern. Die Schlammschlacht hat sich nun noch weiter zugespitzt, denn jetzt klagt die Mutter auch noch gegen die Tochter. Die hat nämlich ihre eigene Mutter abgehört, um zu beweisen, dass diese zerstreut ist.

Pikantes Detail: Passagen dieser Aufnahmen gelangten an die Presse. Sie lassen den Verdacht auf Steuerhinterziehung aufkommen und deswegen gerät nun auch der ehemalige französische Finanz- und heutige Arbeitsminister Eric Woerth in Bedrängnis. Er könnte von den Mauscheleien gewusst haben, da seine Frau in der Firma arbeitet, die das Vermögen von Bettencourt betreut.

Viel Wirbel um ein Playmate


Das frühere Playmate Anna Nicole Smith hatte sich 1994 den 89-jährigen Ölmilliardär Howard Marshall geangelt – ein Jahr nach der Heirat starb er. Im Testament tauchte sie nicht auf – hätte von dem Vermögen also nichts bekommen. Dennoch bestand sie auf der Hälfte des Erbes: 1,6 Milliarden Dollar. In einem Rechtsstreit mit Marshalls Sohn wurden ihr im Jahr 2000 tatsächlich 450 Millionen Dollar zugesprochen, 2001 wurde das Urteil aber wieder aufgehoben. Das Hin und Her ging weiter: 2002 sollte sie 88 Millionen Dollar bekommen, was 2004 wieder revidiert wurde. Seit Anna Nicole Smiths Tod im Jahr 2007 streiten sich ihre Angehörigen fleissig weiter mit den Marshalls. Im März 2010 gab es die bisher letzte Entscheidung: Die Smith-Erben gehen in Bezug auf die Marshall-Millionen leer aus.

Maharadschas Juwelen


Diese Geschichte könnte einem Film entstammen. 2009 starb die Inderin Gayatri Devi, die einst als Maharani von Jaipur in sagenhaftem Reichtum gelebt hatte und von der "Vogue" zu einer der schönsten Frauen der Welt gekürt worden war. Obwohl der indische Adel schon lange nichts mehr zu sagen hat, gehören der Familie immer noch Besitztümer im Wert von wohl mehr als 400 Millionen Dollar – Häuser, Schlösser, Juwelen und Co. Schon vor Gayatri Devis Tod war ein Streit um diese Reichtümer entbrannt, denn die Familienverhältnisse sind äusserst komplex: Auch wenn sie seine grosse Liebe gewesen war, hatte der Maharadscha Man Singh II. neben Gayatri Devi zwei weitere Frauen gehabt, die ihm allesamt Kinder gebaren. Er war früh gestorben und so stritten schon Mitte der 1980er Jahre der älteste Sohn aus erster Ehe und die beiden Söhne aus zweiter Ehe mit Gayatri Devi um die Aufteilung des Besitzes. Der Erstgeborene sah sich als Alleinerbe. Bis heute ist die Sache nicht geklärt und nun, nach dem Tod von Gayatri Devi, droht das Ganze komplett aus dem Ruder zu laufen. Gayatri Devi soll ihre beiden Enkel mündlich als Erben eingesetzt haben, weiterhin beanspruchen aber auch die drei Söhne aus den beiden anderen Ehen des Maharadschas das Vermögen.

Märchenhafter Erbstreit


Wer kennt sie nicht, die Märchen der Gebrüder Grimm? Ihre "Kinder- und Hausmärchen" gelten als eines der bekanntesten Bücher der deutschen Kulturgeschichte. Fünf Exemplare der Märchen mit handschriftlichen Notizen der Brüder existieren heute noch. Ihr Wert wird auf 15 Millionen Euro geschätzt und die UNESCO erhob sie zum Weltdokumentenerbe. Eben diese Handschriften sorgten für reichlich Streitereien und zwar zwischen der Stadt Kassel und dem Land Hessen. Beide sahen sich als Eigentümer des wertvollen Nachlasses. Im Dezember 2009 konnten sie sich dann endlich darauf einigen, dass es nicht zum Rechtsstreit kommen soll. Und so befinden sich die Handexemplare nun weiterhin in Kassel, ohne dass die Frage des Eigentümers geklärt wäre.

Intrige am russischen Zarenhof


Zarin Katharina I. setzte in ihrem Testament fest, dass Peter II. nach ihrem Tod im Jahr 1727 Zar werden soll. Er war der Sohn von Alexeis, dem Sohn aus der ersten Ehe ihres Mannes Peters des Grossen. Die beiden Töchter von Katharina und Peter dem Grossen sollten in dem Fall den Thron besteigen, dass Peter II. keine Nachfahren haben sollte – zuerst Anna Petrowna, dann Elisabeth Petrowna. Peter II. war erst 12 Jahre alt, als er den russischen Thron bestieg, weswegen ein gewisser Alexander Danilowitsch Fürst Menschikow die Regierungsgeschäfte für ihn leitete. Katharinas Töchter hätten dafür, dass sie erst einmal auf den Thron verzichten mussten, eine Entschädigung bekommen sollen. Menschikow sorgte dafür, dass sie leer ausgingen. Elisabeth zog sich daraufhin aufs Land zurück, lebte dort in einfachen Verhältnissen und wurde weiterhin von Menschikow schikaniert. Anna kehrte Russland sogar - mehr oder weniger freiwillig - den Rücken. Viel später wurde Elisabeth Petrowna dann doch noch Zarin, aber das ist eine andere Geschichte.

Ismael und Isaak

Zum Abschluss eine Geschichte aus der Bibel: Abrahams Frau Sara war unfruchtbar, doch Gott hatte ihm Kinder versprochen. Damit Abrahams Kinderwunsch in Erfüllung gehen konnte, schickte Sara ihren Mann zur ägyptischen Sklavin Hagar, die ihm ein Jahr später tatsächlich eine Sohn gebar: "Ismael", was so viel wie "Gott erhört dich" heisst. Auf wundersame Weise bekam Sara allerdings als sehr alte Frau doch noch einen Sohn, dem Abraham den Namen "Isaak", der "Lachende", gab. Und damit begannen die Probleme, denn Sara wollte Isaak das Alleinerbe sichern, obwohl das altorientalische Recht besagte, dass man Söhne von Nebenfrauen nicht benachteiligen darf. So überredete sie Abraham, Hagar und Ismael fortzuschicken. Am Ende ging dieser Erbstreit dann doch halbwegs glimpflich aus: Gott rettete die Verstossenen vor dem Verdursten in der Wüste und Ismael, Urahn von Mohammed, wurde ein im Islam wichtiger Prophet.

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