Sie streiken schon wieder. Die Pilotengewerkschaft "Vereinigung Cockpit" hat im Tarifkonflikt mit der Lufthansa für Donnerstag den nächsten Ausstand angekündigt. Es ist die zehnte Arbeitsniederlegung der Piloten seit April dieses Jahres. Was will die Gewerkschaft mit dieser Taktik erreichen? Schadet sie sich selbst? Und ist das aktuelle Streikrecht für solche Extremfälle überhaupt noch angemessen? Unser Portal sprach mit einem Experten.
Seit Monaten läuft der Tarifkonflikt zwischen Europas grösster Airline Lufthansa und der Pilotengewerkschaft "Vereinigung Cockpit". Dabei geht es zum einen um die Übergangsrenten von rund 5.400 Piloten. Aber auch der künftige Kurs des Dax-Konzerns spielt eine Rolle. Die Aufsichtsräte des Unternehmens wollten über ein neues Konzept für eine eigene Billigfluggesellschaft beraten. Die Piloten befürchten dadurch Nachteile.
Nun spitzt sich die Situation im Arbeitskampf zu. Neuer Höhepunkt: Schon während der neunten Streikwelle am Dienstag rief die Gewerkschaft zu einem erneuten Ausstand ab Donnerstag auf. Dies ist bereits die zehnte Arbeitsniederlegung der Piloten seit April dieses Jahres.
Keine neue Streiktaktik durch Cockpit
Der Gewerkschaftsexperte Dr. Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln sieht in der Häufung der Streiks und ihrer kurzfristigen Ankündigungen aber keine neue Taktik. "Je früher der Streik angekündigt ist, desto länger hat die Lufthansa Zeit ihn abzufedern." Die Gewerkschaft müsse für sich entscheiden, ob sie lediglich ein Zeichen setzten oder dem Unternehmen tatsächlich schaden will.
Allerdings geht die Vereinigung Cockpit mit ihrer Taktik das Risiko ein, ihren Rückhalt in der Bevölkerung zu verlieren. "Die Unsicherheit ist ähnlich wie beim Bahnstreik riesengross", sagt Lesch. "Die Besonderheit des Verkehrssektors ist es, dass allein die Androhung eines Streiks wirtschaftliche Auswirkungen für ein Unternehmen haben kann."
Streik kostet die Lufthansa bereit 170 Millionen Euro
Nach eigenen Angaben beläuft sich der Schaden des Streiks bei der Lufthansa bereits auf 170 Millionen Euro. Wo die Schmerzgrenze im aktuellen Konflikt liegt, kann laut IW-Experte Lesch nur das Unternehmen selbst beantworten. Die Lufthansa müsse zwischen den einmaligen Kosten des Streiks und den Kosten eines aus ihrer Sicht falschen Tarifabschlusses abwägen. "Sie wird die Streikkosten hinnehmen, wenn sie am Ende wenigstens die Reformen durchführen kann, um wettbewerbsfähig zu bleiben", so Lesch.
Während der Bahnstreik die Diskussion um die Verabschiedung eines Tarifeinheitsgesetzes befeuerte, sieht der Experte im Grundsatztarifkonflikt zwischen der Lufthansa und Cockpit keinen Grund zu Gesetzesänderungen. "Das gehört zur Tarifautonomie dazu. So etwas muss man aushalten."
Die Situation sei jedoch sehr komplex. Ein Schlichter würde den Prozess aus Sicht des Experten deutlich beschleunigen.
Missbraucht Cockpit das Streikrecht?
In der Auseinandersetzung zwischen Lufthansa und der Pilotengewerkschaft geht es neben zwei Lohnforderungen auch um die Übergangsversorgung der Piloten. Dass die Konkurrenten in beiden Fragen schon näher an der Einigung waren als nun kommuniziert, macht den Gewerkschaftsexperten Lesch jedoch misstrauisch. Angeblich sei nicht der Streit über die Übergangsregelung sondern eine strategische Entscheidung des Unternehmens Anlass des angekündigten Streiks. "Wenn das so wäre, würde Cockpit das Streikrecht missbrauchen, um in unternehmerische Entscheidungen einzugreifen." Ein sogenannter Stellvertreterstreik würde eine lange juristische Auseinandersetzung nach sich ziehen.
Bereits im Konflikt über die kurze Vorlaufzeit der Streiks hatten sich Unternehmen und Gewerkschaft vor Gericht getroffen. Die Lufthansa forderte eine Ankündigung mindestens 48 Stunden vor Streikbeginn. Cockpit bestand auf 24 Stunden. In diesem Fall gab das Arbeitsgericht der Gewerkschaft Recht.
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