"Der Euro-Schreck stellt sich" – so hatte Günther Jauch das Live-Gespräch mit Griechenlands Finanzminister Gianis Varoufakis angekündigt. Doch am Sonntagabend zeigte sich Gianis Varoufakis von seiner zahmen Seite: Bei seinem Auftritt versuchte er, die Wogen zu glätten und für Sympathie zu werben. Für Aufregung sorgte jedoch ein Video des Politikers von 2013.
Was ist das Thema?
Nach einer besonders lauten Woche des Euro-Zanks zwischen Deutschland und Griechenland hätte Günther Jauch kaum einen besseren Gesprächspartner finden können: Per Video-Schalte aus Athen diskutiert der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis erstmals live im deutschen Fernsehen. Und er nutzt die Zeit vor allem, um für sein Land und seine Regierung zu werben. Da stört es ihn auch wenig, dass er manchen Fragen ausweicht – etwa ob Griechenland noch vor Monatsende zahlungsunfähig sein könnte. Seine Antwort: "Diese Sorgen um unsere Finanzen berühren uns."
Wer sind die Gäste?
Bayerns Finanzminister
Anders hingegen Ulrike Herrmann. Die Wirtschaftskorrespondentin der "taz" versucht die komplexe Schuldenkrise realistisch zu erklären: "Selbst wenn man die Reichen besteuert, wird Griechenland seine Schulden nicht zurückzahlen können." Sie stösst sich vor allem an dem Vorwurf, die bisherigen Hilfen hätte wenig gebracht. Vielmehr sieht sie "eine Art Kreisverkehr", in dem Athen neue IWF-Gelder beständig dafür nutzen müsse, alte Kredite zu bezahlen: "In Griechenland ist nur ganz wenig Geld angekommen."
Dieser Kommentar gilt im Speziellen dem dritten Gast im Studio: Ernst Elitz. Der Kolumnist der "Bild" und Gründungsintendant des Deutschlandradios moniert, viel Geld sei in "schwarze Löcher geflossen". Bis auf ein paar plakative Phrasen ("Der Finanzminister hat heute wohl Weichspüler geschluckt") ist von Elitz allerdings nichts zu hören.
Was war der Moment des Abends?
Für Aufsehen sorgt vor allem ein Einspieler, in dem Gianis Varoufakis den Stinkefinger zeigt – gegen Deutschland, auf einer Konferenz in Zagreb 2013. Der Minister hingegen beteuert vehement, die Bilder seien montiert: "So etwas habe ich nicht gemacht, das Video ist getürkt", sagt Varoufakis empört (O-Ton: "doctored"). Ob das Material echt oder gefälscht ist, kann auch am Ende der Sendung nicht aufgelöst werden.
Ansonsten kommt es wegen der verzögerten Live-Übersetzung kaum zu Rede-Duellen. Nur einmal sprechen Söder und Varoufakis miteinander und nicht übereinander. Söder zitiert ein Interview mit
Was war das Zitat des Abends?
Wie hat sich Günther Jauch geschlagen?
Jauch muss einen schwierigen Spagat meistern: Auf der einen Seite erwarten die Zuschauer, dass er die Chance nutzt und Varoufakis mit allen Streitigkeiten konfrontiert. Zugleich will der Moderator aber nicht der Oberlehrer sein, der Hellas anprangert. Diese Aufgabe scheint Jauch zu liegen. Er ackert viele Punkte ab wie Steuern, die Forderung nach deutschen Reparationen oder die griechische Drohung, Europa mit Migranten zu überfluten. Jauch lässt Varoufakis ausreden, unterbricht ihn aber auch, etwa wenn dieser von "unbedeutenden kleinen Liquiditätsproblemen" spricht.
Was ist das Ergebnis des Abends?
Zwar bringt der Abend wenig neue Fakten, aber einen versöhnlichen Ton. Die Migranten-Drohung seines Anel-Kollegen aus dem Verteidigungsministerium kommentiert Varoufakis eindeutig: "Ich habe es selbst nicht gehört. Aber wenn er das so gesagt hat, distanziere ich mich davon."
Auch beim Thema Reparationen gibt er sich offen: Ulrike Herrmann regt an, dass Deutschland den Zwangskredit der Nationalsozialisten zurückzahlen solle – die elf Milliarden Euro aber nicht in den Athener Haushalt fliessen, sondern in eine Stiftung für ein deutsch-griechisches Jugendwerk, um die Verständigung beider Länder zu verbessern. Und Varoufakis scheint nicht abgeneigt. "Wir sollten die Schulden Griechenlands trennen von dieser moralischen Frage, die zurückreicht in die 1940er-Jahre", sagt er.
Wie ernst gemeint die sanften Worte an diesem Abend aber tatsächlich sind, werden die Gespräche der kommenden Wochen zeigen müssen.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.