Die Staatschefs der fünf wirtschaftsstärksten Schwellenländer ("Brics") treffen sich derzeit im brasilianischen Fortaleza. Dort werden weitreichende Entscheidungen getroffen - mit einem Ziel: sich von den grossen Industrienationen unabhängiger zu machen. Dabei prägen die "Brics"-Staaten schon jetzt die Weltwirtschaft.

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Was sind die "Brics"-Staaten?

"Brics" steht für Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – fünf aufstrebende Schwellenländer, die lange Zeit enorme Wachstumsraten verzeichnen konnten. Den Namen haben sie sich nicht selbst gegeben. Den Begriff "Bric" prägte 2001 ein Analyst der Investmentbank Goldman Sachs. Er sah in diesen Ländern vielversprechende Märkte. Erst 2006 wurde aus dem Namen mehr: Seit diesem Jahr treffen sich die Regierungsmitglieder regelmässig. Seit 2009 kommen die Staatschefs einmal jährlich zu einem offiziellen Gipfel zusammen. 2010 stiess Südafrika zu diesem Kreis dazu und mit ihm das "S" im Namen.

Trotz der gemeinsamen Treffen hält sich die Zusammenarbeit der "Brics"-Staaten bislang in Grenzen. Das soll sich ändern: Auf dem aktuellen Gipfel haben sie die Schaffung einer eigenen Entwicklungsbank beschlossen, die vor allem Infrastrukturprojekte finanzieren soll. Ausserdem planen sie einen eigenen Währungsfonds zu gründen, der die Währungen der "Brics"-Staaten und anderer Entwicklungs- und Schwellenländer stabilisieren soll. Mit beiden Entscheidungen verfolgen die Brics-Staaten ein Ziel: sich unabhängiger von den führenden Industrienationen zu machen.

Wie mächtig sind die "Brics"-Staaten?

Lange galten die "Brics"-Staaten mit Wachstumsraten von bis zu zehn Prozent als die Wirtschaftsgiganten der Zukunft. Der Analyst, der ihnen ihren Namen gegeben hat, ging davon aus, dass Brasilien, Russland, Indien und China die führenden Industrienationen wie Deutschland und die USA bis zum Jahr 2050 an Wirtschaftskraft überholen würden. Tatsächlich haben sie ihren Anteil am weltweiten Bruttoinlandsprodukt in den letzten zehn Jahren von 20 auf knapp 30 Prozent erhöhen können - und sind heute für über 20 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung verantwortlich.

Allerdings hat sich diese Entwicklung in den letzten Jahren stark verlangsamt, die Wachstumsraten sind deutlich gesunken. Zudem kämpfen die "Brics"-Staaten mit innenpolitischen oder wirtschaftlichen Problemen wie Korruption, dem Rückgang von Investitionen oder enormer sozialer Ungleichheit. Auch kommt es immer wieder zu Unstimmigkeiten untereinander, da die politischen Systeme und Kulturen sehr unterschiedlich sind. Das erschwert ein starkes gemeinsames Auftreten und die Durchsetzung gemeinsamer Ziele.

Laufen die "Brics"-Staaten den Industrienationen den Rang ab?

Trotz des verlangsamten Wachstums und den Unstimmigkeiten untereinander sind die aufstrebenden Schwellenländer nicht zu unterschätzen. Vor allem China tritt zunehmend selbstbewusst auf. Zu Recht: Im vergangenen Jahr war das Wirtschaftswachstum mit 7,7 Prozent noch immer sehr hoch. Das Land ist auf dem besten Weg, die USA als grösste Volkswirtschaft der Welt abzulösen.

Zudem ist China der grösste ausländische Gläubiger der USA. Rund 1,4 Billionen schulden die Amerikaner China. Die beiden Länder sind damit in einer Art Symbiose verbunden, Wirtschaftswissenschaftler prägten dafür den Begriff "Chimerica": China produziert und verleiht Geld, die USA konsumieren und machen Schulden. So entsteht eine gegenseitige Abhängigkeit. Auch gegenüber Europa lassen die Chinesen die Muskeln spielen: Im vergangenen Jahr drohten sie mit einem Handelskrieg, weil die Europäer Strafzölle auf chinesische Solarmodule erhoben haben, um sich vor der Billigkonkurrenz zu schützen.

Auch die anderen "Brics"-Staaten sind nicht zu unterschätzen. Hier leben mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung – ein grosses Potenzial an Arbeitskräften und ein riesiger Markt. Ausserdem verfügen sie über grosse Rohstoff- und Erdölreserven. So hat China im Jahr 2010 weltweit die meisten mineralischen Rohstoffe produziert, Brasilien kam auf Rang 2. Zudem verfügt das südamerikanische Land über die meisten Ressourcen, noch vor Australien und Kanada. Ihre wirtschaftliche Macht wird daher in Zukunft weiter zunehmen.

Was hat der Aufstieg der "Brics"-Staaten für Folgen?

Wenn mehr Länder nach Wohlstand streben, steigt der Bedarf an Ressourcen: Es bildet sich eine wachsende Mittelschicht, die Fleisch essen will, in den Urlaub fliegt und Auto fährt. So ist davon auszugehen, dass in Zukunft Verteilungskämpfe um Dinge wie Öl oder Nahrungsmittel zunehmen werden. Schon jetzt kauft China Ackerland in der ganzen Welt, um die Ernährung der eigenen Bevölkerung sicherzustellen.

Konflikte werden sich künftig weniger um Territorien, als um diese Ressourcen drehen. Besonderes Konfliktpotenzial hat dabei der Zugang zu sauberen Wasser. Eine Studie im Auftrag des US-Aussenministeriums kam zu dem Ergebnis, dass die Gefahr von Wasserkriegen mittelfristig deutlich zunehmen wird. Sie drohen vor allem im Nahen Osten und Südasien. Schon seit einigen Jahren kommt es zum Beispiel zwischen China und Indien immer wieder zu Streit, um den Bau von Staudämmen.

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