Im ehemaligen Goldgräberdorf Gondo wird seit neustem nach Kryptowährungen geschürft. Das Dorf mit seinen 40 Bewohnern, das immer wieder von Unglücken heimgesucht wurde, hofft auf eine bessere Zukunft.
Gondo – eine isolierte Schweizer Gemeinde im Kanton Wallis nahe der schweizerisch-italienischen Grenze – ist kaum der Ort, an dem man eine ultramoderne, disruptive und kontrovers diskutierte Technologie vermuten würde.
Trotzdem entschied sich das Startup Alpine Mining dafür, hier eine Kryptowährungs-Mine einzurichten.
Es gibt mehr als 1.000 Kryptowährungen
Der unaufhaltsame Höhenflug von Bitcoin lockt immer mehr Menschen an den mutmasslichen Honigtopf der Kryptowährungen. Bereits gibt es mehr als tausend Digitalwährungen, und jeden Tag kommen neue dazu.
Viele werden wohl spurlos verschwinden, Enthusiasten aber glauben, dass sie bleiben und florieren werden.
In Gondo sind die Tage schon längst vorbei, als 500 Goldschürfer hier ihr Glück versuchten. Die neue Mine befindet sich in einem Raum voll blinkender Lichter, summender Server und einem Gewirr aus Drähten und Belüftungsrohren.
Sie schürft Kryptowährungen, indem sie komplexe mathematische Rätsel löst.
Die Mine befindet sich in einem unscheinbaren Haus zwischen einer Kirche, Wohnhäusern, und einem Restaurant, allesamt traditionelle Steinhäuser, wie sie in der Region üblich sind. Die einzigen Zeichen der Neuzeit sind drei Tankstellen, die täglich eine endlose Reihe von Lastwagen bedienen, die in beide Richtungen über die Grenze fahren.
In Gondo sagen sich sonst Fuchs und Hase gute Nacht
Gondo liegt in einem engen Tal, in dem die Bergketten auf beiden Seiten steil ansteigen. Die Geografie spielt eine grosse Rolle, wenn man bedenkt, dass Kryptominen viel Energie verbrauchen, um digitales "Geld" aus der Luft zu zaubern: Das enge Tal ist der perfekte Standort für eines der 600 Wasserkraftwerke der Schweiz, und die Höhenlage sorgt für natürliche Kühlung.
"Gondo bietet uns eine nachhaltige und ökologische Energiequelle, wie auch einen sehr attraktiven Strompreis", sagt Ludovic Thomas, der Alpine Mining gemeinsam mit Christophe Lillo gegründet hat. Dies sei besonders wichtig zu erwähnen, angesichts der Medienberichte über den hohen Energieverbrauch des Schürfens von Kryptowährungen.
Der Strompreis spielt ebenfalls eine zentrale Rolle: So musste ein früheres Kryptomining-Projekt in Linthal im Kanton Glarus wegen zu hoher Energiekosten bereits die Waffen strecken.
Andere Kryptominen sind wahre Dreckschleudern
"Einige der grössten Kryptominen befinden sich in China", sagt Thomas. "Sie verbrennen fossilen Brennstoff und könnten von den Behörden von einem Tag auf den anderen geschlossen werden. Kryptomining in der Schweiz ist teurer, aber die ökologischen Aspekte und die Stabilität sind unbezahlbar."
Die Schweiz biete nicht nur politische Stabilität, sondern nehme gegenüber Kryptowährungen eine relativ freundliche regulatorische Haltung ein.
Gegenwärtig ist Alpine Mining mit weiteren Wasserkraftwerken im Südwestschweizer Kanton Wallis in Gesprächen. Der Plan ist, dank dieser preiswerten und klimafreundlichen Energie, zu einer der weltweit grössten Kryptominen zu werden.
Neue Chance für das Alpendorf
Auch Gondo hofft, von dieser Entwicklung zu profitieren. 2000 kamen bei einem schweren Erdrutsch 13 Menschen ums Leben, einige Häuser in der Ortsmitte wurden mitgerissen.
Die Schäden wurden ausgebessert, doch einige Dorfbewohner zogen weg. Seither kämpft das Dorf darum, diese Lücke wieder zu schliessen, besonders mit jungen Zuzügern.
Viele der Angestellten im Wasserkraftwerk und an der Zollstelle leben heute in der Stadt Brig, die 45 Minuten entfernt ist. Am Tag des Besuchs von swissinfo.ch machte ein Restaurant für immer dicht.
Gemeindepräsident Roland Squaratti hofft, dass Alpine Mining Gegensteuer geben kann. "Als sie erstmals mit ihrer Idee zu uns kamen, hier in Gondo eine Blockchain-Firma anzusiedeln, schauten wir uns an und fragten uns: 'Weisst Du, was Blockchain ist?' Wir mussten es googeln, um zu verstehen, worum es geht."
Blockchain ist kurz zusammengefasst ein verschlüsseltes digitales System, in dem Kryptowährungen gespeichert und Transaktionen abgewickelt werden.
Die neue Art des Goldschürfens
"Wir betrachten es jetzt als eine neue Art des Goldschürfens in der Gegend, was ein positives Zeichen für die Zukunft ist", sagt Squaratti.
Die letzte Goldmine von Gondo schloss 1891 ihre Schächte für immer. Sie lockt heute nur noch Touristen an – und keine Goldgräber mehr.
Kryptowährungen sorgen aber auch oft für negative Schlagzeilen. So lassen die Schweizer Banken die Finger davon, weil sie diese für ein perfektes Vehikel für Geldwäscher und Kriminelle halten.
Squaratti aber macht sich deswegen keine Sorgen: "Ich bin überzeugt, dass die Blockchain-Technologie, die hinter den Kryptowährungen steckt, die Technologie der Zukunft ist. Es geht mich nichts an, welche Art von Währungen diese benutzen. Deshalb habe ich nicht das Gefühl, dass dies dem Ruf unserer Gemeinde schaden könnte."
Seit die Nachricht der preiswerten und sauberen Energie sowie der einladenden Atmosphäre die Runde gemacht habe, seien schon ein halbes Dutzend Anfragen von anderen Kryptominen hereingekommen, die sich ebenfalls in Gondo ansiedeln möchten.
Die Hauptsorge ist nun, wo diese unterzubringen wären. Zudem verbraucht Alpine Mining bereits einen Drittel des Energiekonsums des Dorfes, weshalb die Behörden einen zweiten Transformator aufstellen müssen.
Das Unternehmen hat bereits ein zweites, grösseres Gebäude eingerichtet, um seine Expansionsanforderungen zu erfüllen. Im Dorf aber ist die Anzahl der Wohnhäuser beschränkt.
Deshalb will das Unternehmen auch anderswo im Kanton Fuss fassen, immer in der Nähe eines Wasserkraftwerks. "Wir werden in Gondo bleiben, es ist unser Hauptquartier", hält Thomas fest.
© swissinfo.ch
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