Mit den sich überschlagenden Sondersitzungen der Eurogruppe wird die Lage im Krimi um Griechenland immer unübersichtlicher. Die Verhandlungen waren einmal mehr gescheitert, Athens Regierung reagierte auf die Finanzkrise am Sonntagabend mit der Schliessung der Banken. Ein Überblick über die Entwicklungen der vergangenen Tage.

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Es sollte ein Wochenende der Entscheidungen werden. Das war es dann auch - nur nicht so, wie sich das alle Beteiligten vorgestellt hatten. Das zweite Hilfsprogramm läuft am Dienstag aus. Damit würde auch die letzte Tranche über 7,2 Milliarden Euro, sowie Gewinne von über elf Milliarden Euro, die die Europäische Zentralbank erwirtschaftet hatte, verfallen. Denn nach monatelangem Ringen um eine Einigung mit der griechischen Regierung sind die Verhandlungen am Wochenende in eine Sackgasse geraten: Sie wurden für beendet erklärt.

Dabei sah der Plan nach den bereits am Donnerstag unterbrochenen Gesprächen vor, dass die technische Arbeitsgruppe der Geldgeber bis Samstagmittag mit der Athener Delegation an der Überbrückung der Differenzen arbeitet. Eine Lösung hatten die Institutionen aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds auch schon parat. In einem letzten Angebot an die griechische Regierung schlugen sie am Freitag eine Verlängerung des zweiten Hilfsprogramms, das bereits am Dienstag ausläuft, um fünf Monate vor. In dieser Zeit sollte Griechenland zudem mit 15 Milliarden Euro bei den dringlichsten Zahlungsforderungen der nächsten Monate an IWF und EZB sowie dem Rückkauf diverser ablaufender Staatsanleihen unterstützt werden. Zudem stellten die Geldgeber ein drittes Hilfsprogramm mit einer Laufzeit von drei Jahren in Aussicht, das Griechenlands maroden Haushalt endgültig wieder sanieren und die Wirtschaft wettbewerbsfähig machen würde. Ein "überaus grosszügiges Angebot", befand selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihrem griechischen Amtskollegen Alexis Tsipras dringend ans Herz legte, darauf einzugehen.

Alexis Tsipras' Ratschlag verärgert Eurogruppe

Stattdessen kündigte dieser in den frühen Morgenstunden des Samstag etwas an, womit er nicht nur die Hellenen überraschte, sondern auch die zu dieser Zeit noch verhandelnde griechische Delegation in Brüssel - einschliesslich deren Gegenüber. Denn Tsipras hatte in der nächtlichen Fernsehansprache eine Volksabstimmung versprochen - und zwar über das Angebot der Geldgeber. Raten wollte er seinem Volk allerdings, das Papier abzulehnen. In Brüssel fasste man vor allem diesen "negativen Ratschlag", wie sich Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem ausdrückte, als Enttäuschung auf. Obendrein setzte Tsipras das Votum für den 5. Juli an. Dabei läuft das Hilfsprogramm am 30. Juni - also morgen - aus.

In sichtlich aufgeladener Stimmung trafen die Finanzminister der Eurogruppe dennoch wie geplant am Samstagmittag zum fünften Treffen in dieser Woche in Brüssel ein. Vorgesehen war eigentlich eine Abstimmung über das verlängerte Hilfsprogramm. Doch daraus wurde nichts. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble machte aus seinem Ärger über die jüngste Botschaft aus Athen keinen Hehl: "Ich weiss nicht, was das soll", schimpfte er. Schon bevor die Sitzung überhaupt begonnen hatte, liess er zudem durchblicken, dass er keine Chancen mehr auf eine Einigung sah: "Keiner der Kollegen, mit denen ich gesprochen habe, sehen eine Möglichkeit, was wir jetzt noch machen können."

Das Scheitern der Versammlung war praktisch vorprogrammiert. Nur knapp zweieinhalb Stunden nachdem die Eurogruppe ihre Beratungen wieder aufgenommen hatte, trat Dijsselbloem, sichtlich konsterniert, vor die Presse: "Die griechische Regierung hat die Verhandlungen abgebrochen", verkündete der niederländische Minister. Zuvor hatte sein griechischer Amtskollege Gianis Varoufakis den Sitzungssaal verlassen. Dort hatten seine 18 Kollegen für ein Abschlusspapier gestimmt, in dem die Verhandlungen für beendet erklärt werden. Varoufakis war dagegen. Denn er wollte eine kurzfristige Verlängerung des Programmes erreichen, um das Volk über die fünfmonatige Verlängerung und deren Bedingungen verhandeln zu lassen.

Ein Paradoxon, für das in Brüssel keiner Verständnis hatte. "Wir hatten kein Mandat, dieses Papier zu unterzeichnen", versuchte Varoufakis sich zu rechtfertigen. Das wollte sich die Regierung mit der Abstimmung, die das Parlament in den frühen Morgenstunden am Sonntag bewilligte, am 5. Juli holen - oder eben auch nicht. Denn Premier Tsipras wollte ja, dass die Hellenen mit Nein votieren. Würde das Volk allerdings mit Ja stimmen, werde man das Papier hingegen "sofort unterschreiben", versicherte Varoufakis. Seine Amtskollegen von dieser Logik zu überzeugen, ist dem Wirtschaftsökonom nicht gelungen.

Mit der Konsequenz hat Varoufakis aber offenbar nicht gerechnet. Schliesslich könnten die Institutionen jederzeit ein neues Angebot machen, meinte er. Das sahen die übrigen Finanzminister anders. "Das Programm läuft am Dienstag aus", sagte Dijsselbloem am Samstagnachmittag unmissverständlich.

Gianis Varoufakis sieht Schuld bei den Geldgebern

Im Anschluss an die erste Sitzung setzten die übrigen 18 Minister der Eurogruppe ihre Gespräche noch bis kurz nach 20:00 Uhr fort, um sich darüber zu beraten, wie man die Stabilität der Eurozone in den kommenden Wochen und Monaten gewährleisten könne. Zeitgleich machte Varoufakis in einem denkwürdigen Auftritt vor versammelter Presse erneut die Geldgeber für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich. Mit ihrer Weigerung, der griechischen Regierung - ein weiteres Mal - mehr Zeit zu geben, habe die Eurogruppe der Gemeinschaftswährung "ernsthaften Schaden" zugefügt, schimpfte der Wirtschaftsprofessor.

Mit der Nachricht der geplatzten Verhandlungen räumten am Wochenende zahlreiche Griechen ihre Bankkonten leer, horteten Benzin und deckten sich mit Lebensmittelvorräten ein: Vorbereitungen für den Ernstfall - den Staatsbankrott. Zumindest den Zahlungsausfall der hellenischen Geldhäuser hat die EZB am Sonntag vorläufig verhindert - denn in Frankfurt entschied das Präsidium, dass man die Notkredite, mit denen die griechischen Banken seit Wochen über Wasser gehalten werden, fortsetzen würde. Allerdings setzten sie auch eine Obergrenze bei 90 Milliarden Euro fest - gut 89 Milliarden Euro sind seit Jahresbeginn bereits an die hellenischen Banken geflossen. Die unter Druck geratene griechische Regierung entschied sich am Sonntagabend dazu, ab Montag eine Woche lang die Banken zu schliessen sowie Kapitalflusskontrollen einzurichten. Sie verhindern, dass die Bevölkerung unbegrenzt Bargeld abheben oder Geld ins Ausland überweisen kann. Nur so lässt sich die Kapitalflucht noch eindämmen. Aber schon jetzt sind mehrere Dutzend Milliarden weggeschafft.

Dass Griechenland die am Dienstag fällige Zahlung an den IWF bewältigen kann, ist unwahrscheinlich. 1,6 Milliarden Euro müssen pünktlich an den IWF überwiesen werden. Sollte das nicht geschehen, wollte sich Chefin Christine Lagarde nicht mehr lange mit Mahnungsbriefen aufhalten, sondern dafür sorgen, dass Athen für zahlungsunfähig erklärt werde.

Einen Ausweg gibt es eigentlich nicht mehr. Denn das angebotene verlängerte Programm haben die Geldgeber zurückgezogen. Und selbst wenn Griechenland heute noch einlenken sollte, dürfte es schwierig werden, die Zustimmung einiger nationaler Parlamente der Eurozone rechtzeitig vor Ablauf der Frist am Dienstag um Mitternacht einzuholen. Sie wäre notwendig, um die erste Tranche des verlängerten Programms auszuzahlen. Die griechische Pleite ist längst mehr Realität als Schreckensszenario.

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