Regierungschef Alexis Tsipras gibt sich offen für eine Lösung im Schuldenstreit – und scheint sogar bereit, in wichtigen Punkten von seinem Kurs abzuweichen. Ob das allerletzte Angebot, über das die Troika im Bundeskanzleramt verhandelt hat, von ihm und seiner Regierung allerdings mitgetragen wird, bleibt fraglich. Andernfalls aber droht die Pleite.
Abermals steht Griechenland das Wasser bis zum Hals: Bis Ende der Woche muss Athen 300 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zahlen, sonst drohen Bankrott und die Wiedereinführung der Drachme. Insgesamt sind im Juni sogar noch etwa 1,55 Milliarden Euro beim IWF fällig. Der verlangt daher, ebenso wie die anderen Euro-Staaten, endlich verbindliche Reformzusagen aus Athen. Die will Athen nun vorgelegt haben. Griechenland habe konkrete und realistische Vorschläge gemacht, wie es zu einem Ende der Finanzkrise kommen könne, sagte Athens Regierungschef Alexis Tsipras im griechischen Fernsehen. Doch werden diese Vorschläge tatsächlich ausreichen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was fordern die Geldgeber konkret von Griechenland?
Seit mehr als vier Monaten streitet Athen mit den Euro-Ländern nun schon über die Bedingungen für die Hilfskredite. Ende Juni wird das zweite Hilfsprogramm auslaufen, und nur wenn Griechenland bis dahin konkrete Reformvorhaben präsentieren kann, wird die Eurogruppe das Land auch weiter unterstützen.
Was sind die Streitpunkte?
Konkret geht es unter anderem um eine Mehrwertsteuerreform, die Begrenzung von Frührenten, die Öffnung des Arbeitsmarktes und eine Reform des Pensionssystems. Ausserdem fordern die Euro-Länder von Griechenland, dass es weiterhin einen Primärüberschuss erziele, also ohne die Zinszahlungen für Kredite nicht mehr ausgibt, als es einnimmt. Dies gelinge allerdings nur über eine Erhöhung der Steuereinnahmen, die angesichts der anhaltenden Steuer- und Kapitalflucht aus dem Land momentan eher fraglich scheint.
Wo macht Griechenland bereits Zugeständnisse?
Zwar hat Griechenland einer Mehrwertsteuerreform bereits zugestimmt, jedoch reichen den Gläubigern die vorgeschlagenen Sätze nicht aus. Auch bei Rentenreform, die seit Wochen für heftigen Streit sorgt, kommt sanfte Bewegung. Zwar warf Regierungschef Alexis Tsipras in diesem Punkt den Gläubigern jüngst noch vor, "absurde" Forderungen zu stellen und sein Land in den Abgrund zu treiben, jedoch scheint er nun dafür offen, über Rentenkürzungen und sogar ein höheres Renteneintrittsalter nachzudenken.
Wo verlaufen die "roten Linien" des IWF?
Auch IWF-Chefin Christine Lagarde zeigt sich in diesen Tagen kompromissbereit und weicht zumindest punktuell von ihrem harten Kurs ab. So liess sie über ihren Sprecher Bill Murray ausrichten, der Fonds räume Griechenland eine Bündelung der Juni-Zahlungen ein. Mit der sogenannten Sambia-Option hatte das namensgebende Land vor 30 Jahren eine Bündelung von Kreditrückzahlungen erwirkt.
Die "Welt" meldet zudem, IWF und EU, die grossen Gläubiger Griechenlands, hätten sich auf einen Kompromissvorschlag verständigt. Man habe sich auf einen gemeinsamen Entwurf geeinigt, heisst es offenbar aus europäischen Verhandlungskreisen. Demnach ist es gelungen, den IWF, der besonders stark auf ein Reformprogramm für Griechenland pocht, ins Boot zu holen.
Wie gross sind die Chancen, dass sich Griechenland auf die EU zubewegt?
Auch wenn Tspiras nun scheinbar von seiner ganz harten Linie ablassen will, so hat er doch ein Problem: Denn für jegliche Entscheidung braucht er die Zustimmung seiner Syriza-Partei. Und die ist ihm keinesfalls gewiss. Die Wahlversprechen gelten, so ist die Haltung vieler Parteimitglieder, die lieber aus dem Euro austreten würden, als die Zusagen zurückzunehmen.
Und andersherum?
Nicht nur Tsipras muss Überzeugungsarbeit leisten, sollte er zu Eingeständnissen bereit sein. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel müsste ihre Fraktion hinter sich bringen, sollte sie den Griechen entgegen kommen wollen – etwa mit einem Schuldenschnitt durch längere Kreditlaufzeiten oder mit niedrigeren Zinsen.
Was hat es mit dem „allerletzten“ Angebot der Troika auf sich?
Das wissen bisher nur die Beteiligten selbst. Aus Verhandlungskreisen wurde aber bereits öffentlich, dass es sich um sehr strikte Forderungen handle, die die Institutionen Griechenland vorlegen wollen und bei denen Tsipras einige der von ihm gezogenen "roten Linien" überschreiten müsse.
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