Im Schuldenstreit um Griechenland zeichnet sich noch immer keine Lösung ab. Ministerpräsident Alexis Tsipras fährt einen politischen Zickzack-Kurs, der bei den Geldgebern seit Wochen für grossen Unmut sorgt und eine Einigung erschwert. IWF-Chefin Christine Lagarde unterstellt der Regierung unreifes Verhalten, welche wiederum ihr Schicksal offenbar an den Ausgang des Referendums hängt. Die Griechenland-Krise im Liveticker.
+++ Griechischer Verteidigungsminister: "Wir sind im Krieg" (16:13 Uhr) +++
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+++ Dijsselbloem: Athen nicht ehrlich zu Wählern (13:21 Uhr) +++
+++ Griechenlands Staatspräsident sagt Deutschland-Besuch ab (13:06 Uhr) +++
+++ Was auf dem Wahlzettel beim Referendum am Sonntag steht (12:45 Uhr) +++
+++ Griechische Regierung schliesst Rücktritt nicht aus (10:50 Uhr)
+++ Knappes Rennen bei Volksabstimmung erwartet (10:41 Uhr) +++
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16:13 Uhr: Der griechische Verteidigungsminister Panos Kammenos spart im Umgang mit Abweichlern in seiner rechtspopulistischen Partei nicht mit Kriegsrhetorik. Drei Abgeordneten des Koalitionspartners Anel hatten zuvor erklärt, die Linie der Partei bei dem für Sonntag geplanten Referendum nicht mittragen zu wollen, wie das Online-Portal "enikos.gr" berichtete. Vassilis Kokkalis und Dimitris Kammenos forderten demnach, die Volksabstimmung abzusagen. Der dritte Abgeordnete Costas Damavolitis sagte laut dem Bericht, er werde mit "Ja" stimmen. "Wir sind im Krieg", soll Kammenos deshalb gesagt haben. Und: "Wer dazu nicht beitragen kann, sollte den Kampf verlassen."
15:39 Uhr: Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloemhat die Möglichkeit eines Ausscheidens der Griechen aus der Eurozone ins Spiel gebracht, sollten die Bürger des Landes bei dem Referendum gegen die Sparforderungen stimmen. Bei einer "Nein"-Stimme gebe es nicht nur keine Basis für ein neues Hilfsprogramm, "sondern dann ist es sehr fraglich, ob es überhaupt eine Basis für Griechenland in der Eurozone gibt", sagte er im Parlament in Den Haag. "Das ist die fundamentale Frage, um die es tatsächlich geht."
15:18 Uhr: Sollte Griechenland tatsächlich aus dem Euro austreten, wäre eine Rückkehr zu Drachme nicht besonders schnell möglich - aus allein praktischen Gründen. Denn: "Wir haben die Notenpressen zerstört", erklärte Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis dem australischen Radiosender ABC.
14:03 Uhr: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die Verhandlungen mit Griechenland als "Desaster" bezeichnet. Das meldet die "Bild" vom Donnerstag. "Wir waren sehr nahe an einer Einigung", sagte der Kommisions-Chef laut "Bild" in einer Sitzung der konservativen EVP-Fraktion des EU-Parlaments am Mittwochabend. Beide Seiten seien nur noch 60 Millionen Euro auseinandergewesen. Aber dann habe Athen die Gespräche abgebrochen. "Das ganze Desaster, der ganze Lärm. All diese Verschwendung von Energie und Zeit - aus ideologischen Gründen. Das ist total unakzeptabel!"
Er habe 30 Stunden mit Griechen-Ministerpräsident Alexis Tsipras (40) verhandelt, erzählte Juncker den Abgeordneten. Er habe Tsipras einen Investitionsfonds von 35 Milliarden Euro angeboten. "Wir wären bereit gewesen, eine Milliarde Euro vorab zu zahlen." Aber Tsipras habe abglehnt – und zwar aus "ideologischen Gründen" und nicht, "weil Welten" zwischen den Vorschlägen von Geldgebern und Athen gelegen hätten. Die EU sei aber nicht bereit, "verrückte Vorschläge" aus Athen zu akzeptieren.
Tsipras sei mit einer ganzen Armee von 60 Leuten bei den Verhandlungen erschienen. "Immer, wenn einer davon die Vorschläge der EU für akzeptabel gehalten habe, sei er abgezogen worden. Dann seien wieder andere Unterhändler aufgetaucht. "Es war ein Zirkus."
Die Geldgeber hätten nie Lohn- oder Rentenkürzungen verlangt, wie es Tsipras in Griechenland darstelle. Juncker resigniert: "Ich werde nie den Nobelpreis für Wirtschaft erhalten. Aber den Nobelpreis für Geduld habe ich verdient."
13:54 Uhr: Die irische Fluggesellschaft Ryanair nimmt von griechischen Passagieren beim Verkauf von Flugtickets jetzt auch Bargeld. "Zahlungen von Kunden mit griechischen Bankkonten über ihre Kreditkarten auf unserer Website Ryanair.com werden derzeit sehr häufig zurückgewiesen", heisst es in einer Stellungnahme von Ryanair. "Ryanair hat deshalb die Möglichkeit geschaffen, dass griechische Kunden Tickets an ihrem Flughafen am Ryanair-Schalter in bar bezahlen können."
13:37 Uhr: Die EU-Kommission hat die Bedeutung des griechischen Referendums für das Euroland unterstrichen. "Es ist jetzt Sache des griechischen Volkes, über seine Zukunft zu entscheiden", sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Die Geldgeber-Institutionen - EU-Kommission, Internationaler Währungsfonds und Europäische Zentralbank - würden das Ergebnis der Abstimmung abwarten. "Wir werden sehen, was bei dem Referendum herauskommt und dann am Montag entscheiden."
13:21 Uhr: Ein "Nein" der Griechen bei der Volksabstimmung am Sonntag wird nach Ansicht von Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem die Verhandlungsposition des Landes sehr schwächen. Es werde dann "äusserst schwierig", das Land in der Eurozone zu halten, warnte der niederländische Finanzminister im Parlament in Den Haag. Er kritisierte den griechischen Regierungschef Alexis Tspiras scharf. "Die griechische Regierung erweckt den Eindruck, dass die Zukunft ihres Landes bei einer Nein-Stimme einfacher sein wird. Das ist nicht ehrlich gegenüber dem griechischen Wähler." Nur eine Zustimmung biete mehr Perspektive, betonte der Sozialdemokrat. Das gelte auch für ein mögliches neues Hilfsprogramm. "Alles hängt von dem Ergebnis des Referendums ab."
13:06 Uhr: Inmitten der griechischen Schuldenkrise hat Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos eine für kommende Woche geplante Reise nach Deutschland abgesagt. Das teilte das Bundespräsidialamt auf Anfrage mit. Pavlopoulos sollte eigentlich am kommenden Dienstag seinen Antrittsbesuch bei Bundespräsident
Eine Begründung für die Absage wurde von deutscher Seite offiziell nicht mitgeteilt. Ein Zusammenhang mit dem für Sonntag in Griechenland angesetzten Referendum und der Zuspitzung der Schuldenkrise in dem Land galt aber als offensichtlich. Über die Absage des Besuchs hatte zunächst "Spiegel Online" berichtet.
12:45 Uhr: Worüber die Griechen bei dem Volksentscheid abstimmen sollen: Auf dem Wahlzettel wird ohne weitere Erläuterung auf das Angebot der Geldgeber nach dem Stand von voriger Woche verwiesen, worüber keine Einigung erzielt wurde. Auffallend: Das Nein (Oxi) steht an erster Stelle, das Ja (Nai) ist als zweites abgedruckt. Hier der Text, veröffentlicht vom griechischen Innenministerium, der ins Deutsche übersetzt wurde:
Muss der Entwurf einer Vereinbarung von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds akzeptiert werden, welcher am 25.06.2015 eingereicht wurde und aus zwei Teilen besteht, die in einem einzigen Vorschlag zusammengefasst sind? (Das erste Dokument heisst auf Englisch "Reforms for the Completion of the Current Program and Beyond" und das zweite "Preliminary Debt Sustainability Analysis" - auf Deutsch: "Reformen, um das laufende (Rettungs-)Programm abzuschliessen und darüber hinaus" und das zweite "vorläufige Schuldentragfähigkeitsanalyse".)
Nicht angenommen / NO
Angenommen / YES
12:28 Uhr: Keine Reise nach Berlin! Griechenlands Staatschef Prokopis Pavlopoulos sagt seinen für nächsten Dienstag geplanten Besuch bei Bundespräsident Joachim Gauck in Berlin ab. Einen entsprechenden Bericht von "Spiegel Online" bestätigt das Bundespräsidialamt. Über die genauen Gründe war zunächst nichts zu erfahren. Spekuliert wird, dass Pavlopoulos vor dem Hintergrund der drohenden Staatspleite seines Landes und dem geplanten Referendum über das Sparprogramm der europäischer Gläubiger Griechenland nicht verlassen will. Er wurde im Februar gewählt und hatte sich Mitte Juni zuversichtlich gezeigt, dass sein Land in der Euro-Zone bleiben wird.
12:01 Uhr: Ein kurzes Update zur Crowdfunding-Kampagne von Thom Feeney. Für all jene, die immer noch nichts davon mitbekommen haben: Der junge Brite startete auf dem Portal Indiegogo eine Spendenkampagne für Griechenland. Inzwischen hat er die Million geknackt.
11:56 Uhr: Nach starken Schwankungen in den vergangenen Tagen ist am Frankfurter Aktienmarkt etwas Ruhe eingekehrt. Denn im Schuldenstreit mit Griechenland scheint bis nach dem Referendum am Sonntag Stillstand zu herrschen. Die Anleger liessen es entsprechend gemächlicher angehen.
Der Dax trat am Mittag kaum verändert bei 11.178 Punkten auf der Stelle. Seine Tagesschwankung war mit rund 80 Punkten die geringste seit Mitte Mai.
10:50 Uhr: Die griechische Regierung könnte ihr Schicksal an den Ausgang des Referendums am Sonntag knüpfen. Sollten die Bürger gegen den Wunsch der Regierung für die Reformforderungen der internationalen Gläubiger stimmen, ist ein Rücktritt offenbar möglich. Wie Spiegel Online berichtet, sagte Finanzminister Gianis Varoufakis dem australischen Rundfunksender ABC am Donnerstag: "Ja, wir könnten das sehr wohl tun. Aber wir werden das im Geist der Zusammenarbeit mit jedwedem tun, der von uns übernimmt. Wir glauben, dass die Entscheidung des Volkes respektiert werden muss."
10:41 Uhr: In Griechenland zeichnet sich einer neuen Umfrage zufolge ein knappes Rennen bei der Volksabstimmung am Sonntag ab. 47,1 Prozent der Befragten würden demnach am 5. Juli für "Ja" und damit für eine Zustimmung zu den unlängst von den internationalen Gläubigern des Landes vorgeschlagenen Reformmassnahmen stimmen. 43,2 Prozent wären dagegen, ergab die Befragung im Auftrag der konservativen Zeitung "Eleftheros Typos".
Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte am Vortag in einer Rede ans Volk erneut für eine Ablehnung der vor rund einer Woche von den Geldgebern vorgeschlagenen Massnahmen plädiert. Eine von der linksgerichteten Zeitung "Efimerida ton Syntakton" in Auftrag gegebene und am Mittwoch veröffentlichte Umfrage hatte noch eine Mehrheit für die Reformgegner ergeben.
10:28 Uhr: Der Präsident des Europaparlaments Martin Schulz hat der griechischen Regierung eine manipulative Vorgehensweise vorgeworfen. Die Frage des Referendums am Sonntag verstehe "kein Mensch", sagte Schulz am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin". "Im Wesentlichen geht es darum, dass die Regierung das Volk fragt, das Nein der Regierung zu allen Vorschlägen hier aus Brüssel zu unterstützen oder die Vorschläge anzunehmen. Ich stecke mittendrin, ich verstehe es, aber man kann schon sagen, dass das eine manipulative Vorgehensweise ist."
10:05 Uhr: Angesichts der verordneten Kapitalverkehrskontrollen haben sich in Griechenland auch am Donnerstag Schlangen vor Banken und Geldautomaten gebildet. Rund 1000 Filialen öffneten wie schon am Mittwoch für Rentner, die keine Bankkarten haben, und somit momentan an den Automaten nicht an Bargeld kommen können. Sie sollen bis zu 120 Euro bekommen können.
09:55 Uhr: IWF-Chefin Christine Lagarde hat der griechischen Regierung in der Schuldenkrise indirekt unreifes Verhalten unterstellt. "Angesichts des Masses an Unsicherheit, Verwirrungen und ständiger Bewegung, denke ich, dass ein bisschen mehr Erwachsensein erforderlich ist", sagte sie am Mittwochabend in einem Interview des US-Fernsehsenders CNN.
Andere IWF-Mitgliedsstaaten wünschten sich, dass das Problem gelöst werde. "Sie sind auch sehr daran interessiert, dass das auf gerechte Weise passiert", betonte sie. "Sie sehen wirklich keinen Grund für eine Sonderbehandlung, weil es solche Situationen schon in anderen Ländern auf der Welt gab."
Griechenland hatte eine am Dienstagabend fällige Rate von rund 1,5 Milliarden Euro an den IWF nicht gezahlt.
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