Am Sonntagabend scheiterten die jüngsten Verhandlungen mit Griechenland – mal wieder. Doch diesmal scheint die Zeit für eine Rettung wirklich knapp, der Grexit droht. Aber wäre das wirklich so schlimm? Darüber diskutierte Günther Jauch mit seinen Gästen und die Diskussion war der Lage entsprechend emotional, bisweilen sogar hitzig. Höhepunkt an Emotionalität war dann die Rücktrittsandrohung eines Gastes.

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Worum ging es?

Am 30. Juni läuft das Hilfspaket für Griechenland, das schon zweimal verlängert wurde, aus. Ohne dieses Geld droht den Griechen die Staatspleite, denn das Land muss am gleichen Tag auch noch Schulden in Höhe von 1,6 Milliarden Euro zurückzahlen. Am Sonntagabend scheiterte ein letzter Vermittlungsversuch von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Was passiert jetzt? Müssen die Griechen den Euro-Raum verlassen? Geht das überhaupt? Und wenn ja – welche Folgen hätte das für Griechenland und für den Rest Europas? Diese und andere Fragen diskutierten Jauch und seine Gäste unter der Überschrift "Grexit – Katastrophe oder Chance für den Neuanfang?"

Wer waren die Gäste?

Da sind zum einen die beiden Grexit-Befürworter Wolfgang Bosbach und Max Otte. Bosbach, der für die CDU im Bundestag sitzt, ist ein Freund klarer Worte. Er hat zwar grosse Sympathie für die Bevölkerung Griechenlands, aber noch grössere für den deutschen Steuerzahler. Er befürchtet bei weiteren Hilfsgeldern einen Dominoeffekt in anderen Ländern und damit einen ersten Schritt weg von Europa als Währungsunion hin zu einer Transferunion. Wirtschaftsprofessor Otte plädiert für einen Grexit aus anderen Gründen. Für ihn hätte der Ausstieg schon vor Jahren passieren sollen, denn inzwischen gingen die Gelder überwiegend an Finanzgläubiger. Er will den Grexit und danach den Griechen mit Hilfsgeldern wirklich helfen.

Auf der anderen Seite stehen der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz und die Wirtschaftskorrespondentin der taz, Ulrike Hermann. Beide wollen einen Grexit unbedingt vermeiden. "Es wird nicht zum Grexit kommen", erklärt Schulz. Dabei schlagen in seiner Brust zwei Herzen. Auf der einen Seite hat er "die Faxen dicke" mit der griechischen Regierung, auf der anderen Seite hat er Angst vor den unabsehbaren Folgen eines Austritts und der Not der Griechen. Für Ulrike Herrmann ist ein Austritt vor allem die weitaus teurere Option als ein Verbleib Griechenlands und die Zahlung weiterer Hilfsgelder.

Was war das Rede-Duell des Abends?

Dieser Titel geht eindeutig an Wolfgang Bosbach und Martin Schulz. Die beiden Politiker kennen sich schon lange, sind sogar beide Anhänger des 1. FC Köln. Trotz ihrer Freundschaft gingen sich die beiden hart an. Als Bosbach wieder einmal das Argument anbringt, er sorge sich um das Geld der Steuerzahler, grätscht Schulz dazwischen: "Das ist Polemik!" Bosbach lässt sich das nicht bieten und kontert: "Du musst nicht laut werden!"

Wurde die Frage beantwortet?

Es wäre auch zu schön gewesen, wenn bei einer Polit-Talkshow tatsächlich einmal ein grösserer Erkenntnisgewinn herausgesprungen wäre. Oft genug ist man als Zuschauer schon froh, wenn man bei all dem Dazwischengerede und aller Phrasendrescherei à la "Aber ihre Partei hat doch!" überhaupt etwas versteht. Zwar lief die Diskussion reichlich anständig ab, die grosse Frage, wie gefährlich ein Grexit nun ist, wurde aber nicht beantwortet. Einig war man sich nur, dass es für die Griechen selbst bitter würde. Ob das aber auch für den Rest Europas gilt, wurde nicht beantwortet.

Wie schlug sich Jauch?

Beim Fussball würde man sagen: Schiedsrichter Jauch leitete die Partie unauffällig, was durchaus ein Kompliment wäre. Da wir aber nicht beim Fussball sind, heisst hier unauffällig, dass er gerne mehr hätte eingreifen dürfen. Nicht bei den Gästen, die diskutierten sehr zivilisiert. Aber da sich die Diskutanten in ihrer Einschätzung der Realität stark voneinander unterschieden, wäre eine objektivere Einordnung mancher Punkte für den Zuschauer hilfreich gewesen. Wurden bisher wirklich nur die Finanzgläubiger gerettet und nicht die Griechen? Die Beantwortung dieser und anderer Fragen immer noch den Gästen zu überlassen, damit haben schon genug Talkshows ihre Zeit vertan.

Was war der Moment der Sendung?

Als Politiker kommt man ja nicht oft in den Verdacht, für besonders emotional gehalten zu werden. Erst recht nicht, wenn man so lange dabei ist, wie Martin Schulz und Wolfgang Bosbach. Aber beide Politiker zeigten gestern, wie sehr sie an das glauben, wofür sie streiten und dass – auch wenn sie in der Sache anderer Meinung sind – sie ihren Prinzipien mit aller Leidenschaft treu bleiben wollen. Bosbach verknüpfte am Ende die Abstimmung für weitere Hilfsgelder im Bundestag sogar mit seinem eigenen politischen Schicksal. Von Jauch gefragt, ob er bei einem Ja seiner Union für die Hilfsgelder persönliche Konsequenzen ziehen würde, antwortete Bosbach zuerst etwas kryptisch: "Wenn verlangt wird, noch mehr Hilfsgelder abzusegnen, werde ich nicht dafür stimmen. Aber ich werde nicht nur nein sagen." Jauch hakt nach und Bosbach wird deutlicher: "Ich werde nie und nimmer gegen meine Überzeugungen stimmen. Wenn ich nichts mehr bewegen kann, muss man Konsequenzen ziehen." Bosbach oder Griechenland – das ist bald die Frage.

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