Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras beklagt Erpressungen und Drohungen durch Europa - setzt aber selbst auf genau solche. Während er schon Neuwahlen in Betracht zieht, droht der Verteidigungsminister Athens mit einer Flüchtlingswelle und Finanzminister Giannis Varoufakis mit einer Volksabstimmung. Aber wie durchdacht sind die Drohungen? Experte Matthias Kullas gibt Antworten.
Drohung 1: Wer uns nicht hilft, dem schicken wir Flüchtlinge
Laut Agenturberichten hat der griechische Verteidigungsminister Panos Kammenos damit gedroht, Reisepapiere an Migranten zu geben und sie damit nach Deutschland weiterzuleiten, falls das von der Staatspleite bedrohte Land nicht ausreichend unterstützt werde. "Wenn sie Griechenland einen Schlag versetzen, dann sollen sie wissen, dass [...] die Migranten Papiere bekommen und nach Berlin gehen", soll der griechische Minister am Sonntag bei einer Sitzung seiner rechtspopulistischen Partei "Unabhängige Griechen" gesagt haben.
Doch damit nicht genug. Kammenos schloss zudem jede Verantwortung dafür aus, falls auf diesem Wege Mitglieder der Terrormiliz "Islamischer Staat" nach Deutschland gelangen würden. Mit der Haltung zu Griechenland in der Schuldenfrage sei Europa selbst dafür verantwortlich.
Es ist nicht die erste Drohung dieser Art. Bereits vor einer Woche hatte sich Vize-Innenminister
Matthias Kullas ist Griechenland-Experte am Centrum für Europäische Politik (CEP) und sagt: "Die Drohungen zeigen einfach, wie verhärtet die Fronten inzwischen sind." Dass die Griechen ihre Provokationen tatsächlich in die Tat umsetzen würden, glaubt der Experte nicht.
Drohung 2: Griechenland als Tor zu Europa für Dschihadisten
Der griechische Aussenminister Nikos Kotzias hatte am Freitag am Rande des EU-Aussenministertreffens in der lettischen Hauptstadt Riga gewarnt, Griechenland könne zum Einfallstor für "Millionen Immigranten und Tausende Dschihadisten" werden, sollte das Land wirtschaftlich zusammenbrechen.
"Auch hier sehen wir, dass nun mit Sachen gedroht wird, die mit der Euro-Krise rein gar nichts mehr zu tun haben", so Kullas. Die griechische Regierung stünde unter dem Druck, Geld eintreiben zu müssen und gleichzeitig so wenig Reformen wie möglich durchzusetzen, um ihre Wahlversprechen einhalten zu können, erklärt der Experte. "Und diesen Druck versuchen sie nun schlichtweg an ihre Geldgeber abzugeben." Wie die Euro-Zone seiner Meinung nach darauf reagieren sollte? "Am besten gar nicht", sagt Kullas.
Drohung 3: Griechenland zieht Volksabstimmung über Verbleib in der Euro-Zone in Betracht
Der linke Politiker und Finanzminister Giannis Varoufakis hatte der italienischen Zeitung "Corriere della Sera" in einem Interview gesagt, sofern die griechischen Vorschläge im Schuldenstreit abgelehnt würden, könne es erneut Wahlen oder ein Referendum geben. "Wir kleben noch nicht an unseren Stühlen", sagte er. Das Finanzministerium allerdings relativierte schnell: Varoufakis habe sich dabei offenkundig auf Reformen und die Haushaltspolitik und nicht auf einen Verbleib in der Euro-Zone bezogen.
"Ich bekomme immer mehr den Eindruck, dass da Sachen von der griechischen Regierung einfach so dahingesagt werden", sagt Experte Kullas. "Da steckt keine langfristige Strategie dahinter, wenn an einem Tag etwas gesagt wird und am anderen wieder zurückgerudert wird."
Bereits im November 2011 hatte Athen ein Referendum über die Sparauflagen der internationalen Kreditgeber in Erwägung gezogen. Dies hatte die Finanzmärkte erschüttert und die Euro-Partner erzürnt, der damalige Ministerpräsident Giorgos Papandreou musste in der Folge zurücktreten.
"Die Volksabstimmung wird nicht kommen, und zwar aus den selben Gründen wie damals", prophezeit Kullas. "Die Mehrheit die Griechen will ja im Euro bleiben. Was sollte die Regierung also damit bezwecken?"
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