Die Schlinge zieht sich weiter zu: Während Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras in Brüssel nach einem Kompromiss im Streit um die Forderungen der Gläubiger sucht, proben die Abgeordneten seiner eigenen Partei den Aufstand.
Eigentlich soll sich Alexis Tsipras in diesen Tagen ganz auf die Gespräche mit den internationalen Geldgebern konzentrieren, da bricht in seiner eigenen Partei plötzlich die Revolte aus. 22 Abgeordnete der Partei Syriza fordern ihren Regierungschef in einem Brandbrief auf, die alten Reformen zurückzunehmen, anstatt neue Vereinbarungen mit seinen Geldgebern zu schliessen.
Dass Alexis Tsipras den Gläubigern mit einer Reformliste auch noch entgegen kommen will, passt den Abgeordneten laut der Schrift gar nicht. Ihre Forderung im Detail: Die Reformen beim Arbeits- und Kündigungsrecht sollen rückgängig gemacht, der Mindestlohn auf den Stand von 2010 gebracht, und die vereinbarten Gesetze zur Rentenreform und Renten-Kürzungen nicht umgesetzt werden.
"Die Gläubiger wollen harte Massnahmen durchsetzen. Wenn sie diese Art der Erpressung nicht aufgeben, muss die Regierung andere Lösungen suchen, wie etwa Neuwahlen", äusserte sich bereits vor wenigen Tagen der stellvertretende griechische Sozialminister Dimitris Stratoulis. Und weiter: Die neue Regierung sei mit dem Versprechen gewählt worden, die Austerität, also Entbehrungen, für Griechenland aufzuheben.
Werden Tsipras seine eigenen Wahlversprechen zum Verhängnis?
Das Fatale: Es sind längst nicht mehr nur die Fundis, die jeden Kompromiss mit den Euro-Partnern ablehnen. Denn die 22 Abgeordneten, die das Schreiben unterzeichnet haben, entstammen nicht etwa dem ultra-linken Flügel, der ohnehin schon lange den Grexit weiteren Reformen vorzieht. Und auch beim Koalitionspartner, der rechtspopulistischen Anel-Partei, kippt die Stimmung zunehmend.
Wenn Tsipras aber weiter regieren will, dann braucht er 151 des insgesamt 300 Abgeordneten hinter sich. Seine Koalition zählt jedoch gerade einmal 162, davon 149 aus dem eigenen Lager und 13 aus der Anel-Partei. Das könnte verdammt eng werden.
Jedoch: Einem Deal mit den Geldgebern würde wohl auch ein Teil der Opposition zustimmen.
Aber was passiert, wenn Tsipras keine eigene Mehrheit mobilisieren kann?
Sollte Tsipras die eigene Mehrheit tatsächlich verlieren, das Abkommen aber durch die Stimmen der Opposition beschlossen werden, bliebe dem Regierungschef nur der Rücktritt. Aber was passiert dann?
- Möglichkeit 1:
Bereits jetzt drohen die Vertreter des linken Flügels der Regierungspartei Syriza mit Neuwahlen. Sie gehen davon aus, dass sie angesichts der nationalistischen und populistischen Stimmung im eigenen Land sogar noch mehr Stimmen als im vergangenen Wahldurchlauf bekämen.
- Möglichkeit 2:
Ein unabhängiger Premierminister könnte dann die Regierung mit einer Gefolgschaft aus moderaten Syriza-Politikern, den Konservativen der Nea Demokratia, der sozialistischen Pasok und der proeuropäischen To Potami übernehmen.
- Möglichkeit 3:
Tsipras ruft Neuwahlen aus und stellt sich eine neue Kandidatenliste zusammen. Die Hardliner flögen von der Liste und er könnte die Partei weiter in die politische Mitte führen. Diese Variante käme wohl auch den europäischen Geldgebern sehr gelegen.
Allerdings: Bis frühestens im Juli Wahlen möglich wären, könnte die Zahlungsunfähigkeit des griechischen Staates bereits eingetreten sein. Denn nur, wenn Griechenland sich bis Ende Juni mit seinen Gläubigern auf ein neues Reformpaket einigen kann, ist eine weitere finanzielle Unterstützung gesichert.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.