Die Europäische Zentralbank (EZB) hat griechischen Banken durch Sofortkredite erneut finanziellen Spielraum verschafft. Auf lange Sicht ist mit dem Vorgehen jedoch keiner Seite geholfen. Statt kurzfristiger Hilfsmassnahmen sind tatsächliche Lösungen gefragt – und die könnten womöglich von ausserhalb der EU kommen.
Was lange befürchtet wurde, ist jetzt gewiss: Aus Angst um ihr Geld räumen immer mehr Griechen ihre Bankkonten leer – und verschlimmern damit die aktuelle Krise. Massive Kapitalabflüsse haben griechische Banken dazu veranlasst, die EZB wieder um Hilfe zu bitten. Von 700 Millionen Euro Notfall-Liquiditätshilfe (engl. kurz: ELA) für griechische Banken ist nach Angaben der Finanznachrichtenagentur Bloomberg die Rede. Die EZB hat die erneute Aufstockung der Liquiditätshilfe noch nicht kommentiert.
"Rund 71,8 Milliarden Euro ELA haben griechische Geldinstitute bereits erhalten, um etwa abgezogene Kundengelder auszugleichen", erklärt Rudolf Hickel. Nicht der Staat sollte damit finanziert, sondern ein Zusammenbruch des Bankensystems verhindert werden. "Die EZB nimmt mit diesem Geld nicht an der Rettung Griechenlands teil. Sie konzentriert sich ausschliesslich auf die Rettung der griechischen Banken", formuliert es der Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige Direktor des Instituts für Arbeit und Wirtschaft.
Es gibt noch Geld – aber wer weiss, wie lange
Nicht nur aus dem griechischen Bankensektor, auch von Seiten der Regierung kommen dieser Tage wieder schlechte Neuigkeiten. Erst gestern hiess es, Griechenland werde seinen Kredit in Höhe von 456 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht fristgerecht zurückzahlen. Davor zumindest hat Griechenlands Innenminister Nikos Voutzis in einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" gewarnt. Noch bis Mitte des Monats reiche das Geld, zitierte ihn das Magazin.
Eine verspätete Rückzahlung käme einem Vertragsbruch mit dem IWF gleich. "Das hat es aber noch nie gegeben", sagt Hickel. Damit es soweit nicht komme, werde der IWF sich im Zweifel auf einen Kompromiss einlassen und Griechenland mehr Zeit geben, glaubt Hickel.
Das griechische Finanzministerium dementierte Voutzis' Einschätzung der Deutschen Nachrichtenagentur gegenüber umgehend. Griechische Medien zitierten Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis: "Auf gar keinen Fall wird Griechenland seine Verpflichtungen gegenüber dem IWF am 9. April nicht erfüllen." Offenbar gilt das Land nur noch bis zum 8. April als liquide. Danach wird die Finanzsituation von der EU-Kommission wohl als "kritisch" eingestuft.
Was muss zuerst gefüllt werden: Leere Staatskassen oder leere Banken?
Dabei gestaltet sich die Situation bereits seit dem 11. Februar zusehends schwieriger. Schon jetzt können sich griechische Banken nicht mehr auf normalem Weg frisches Geld von der EZB besorgen. Die dafür notwendigen griechischen Staatsanleihen und staatliche garantierte Bankenanleihen werden nicht mehr als Sicherheiten akzeptiert. Deshalb müssen die Institute sich 1,55 Prozent teure Finanzspritzen von der griechischen Zentralbank (im Vergleich zu 0,05 Prozent teuren EZB-Krediten) holen – sofern die EZB den Deal genehmigt.
Ob zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig, an den Konsequenzen einer verspäteten Kreditrückfinanzierung durch die griechische Regierung hätten Griechenlands Banken schwer zu tragen. Liquiditätshilfen dürfen nur an Geldinstitute vergeben werden, die noch als solvent gelten, auch wenn sie Engpässe haben. Sollte sich Athen nicht bald mit seinen Gläubigern einigen, könnte die EZB den Geldhahn wieder zudrehen.
Finanzexperten warnen jedoch davor, Notkredite unmöglich zu machen. "Das wäre der Rausschmiss. Griechenland würde die Währungsunion faktisch verlassen", sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, der "Wirtschaftswoche". Ein solcher Schritt könne eine gefährliche Kettenreaktion im Euroraum in Gang setzen.
Geld aus Russland und China?
Weil der Streit mit der EU um die richtigen Reformen Griechenland zunehmend lähmt, könnten bald ausländische Kapitalgeber einspringen, um etwa die Privatisierung von Staatseigentum zu umgehen. Statt den Mehrheitsanteil von 67 Prozent am Hafen von Piräus zu verkaufen, bevorzugt die griechische Regierung ein Gemeinschaftsunternehmen mit der chinesischen Cosco Group. Auch Russland könnte als neuer Geldgeber infrage kommen. Am 8. April will Regierungschef Alexis Tsipras zu Präsident Wladimir Putin nach Moskau reisen.
Ob sich dadurch die griechische Verhandlungsposition im Ringen um die Auflagen für weitere Hilfsgelder in Höhe von rund 7,2 Milliarden Euro verbessert, ist fraglich. Alle bisherigen Reformvorschläge Griechenlands gehen EU-Kommission, IWF und EZB nicht weit genug. Seit 2010 haben Kredite in Höhe von 240 Milliarden Euro Griechenland vor der Staatspleite bewahrt. Allerdings flossen nur zehn Prozent davon in den öffentlichen Haushalt. "Der Grossteil ist in die Abwicklung der Gläubigerfinanzierung gegangen", erklärt Hickel. "In Griechenland selbst ist davon gar nichts angekommen."
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