Im wirklichen Leben hätten Sie nichts miteinander zu tun haben wollen: ein Proll, ein Nerd, ein Chaot, ein Bücherwurm, ein Schöngeist und eine Sportskanone. Im ZDF hingegen sind sie unzertrennlich und beglücken seit mehr als 40 Jahren die Fernsehzuschauer mit ihren Eskapaden. Gestatten: Anton, Berti, Conni, Det, Edi und Fritzchen - besser bekannt als die Mainzelmännchen.
Am Anfang war das Wort. Und das Wort war "Mainzelmännchen". Mit dieser Wortneuschöpfung bezeichnete man in der Anfangszeit des ZDF intern die fleissigen Mainzer Mitarbeiter. Der Graphiker und Filmarchitekt Wolf Gerlach fühlte sich davon so inspiriert, dass er binnen zwei Wochen mit einem Konzept und ersten Entwürfen für kleine Trickfiguren desselben Namens beim ZDF auf der Matte stand. Gerlachs Idee kam an und so beauftragte der Sender die Produktionsfirma Neue Film-Produktion (NFP) in Wiesbaden mit der Realisierung.
Unter der Regie von Chef-Zeichner Jürgen König entstand ein liebenswertes Sextett mit überschaubarem Wortschatz. Sechs Figuren, sechs Charaktere: der faule Anton, der fleissige Berti, der künstlerische Conni, der schlaue Det, der schelmische Edi und das sportliche Fritzchen. Sie sollten von nun an in den so genannten Werbetrennern zwischen zwei Spots über die Mattscheibe marschieren - und zum Markenzeichen des ZDF werden.
Einen Tag nach Sendebeginn am 1. April 1963, der ein Sonntag und daher werbefrei war, tollten die Mainzelmännchen das erste Mal über den Schirm - allerdings noch in Schwarz-Weiss. Vier Jahre später spendierte man ihnen Farben, und bis zu ihrem 40. Geburtstag im Jahr 2003 sah es so aus, als könnte nichts etwas an der stetig wachsenden Beliebtheit der Figuren ändern. Doch dann entschloss sich das ZDF zu einem folgenschweren Schritt, der einen Aufschrei durch die versammelte Anhängerschaft gehen liess.
Betrachtet man die Aktion aus Sicht des Senders, ging es um eine Anpassung an den "Zeitgeist". Den Fans fiel dazu nur eines ein: "Helft den Mainzelmännchen!" Es hagelte Protest gegen die "grauenhaften und seelenlosen Monster". Was war da nur geschehen?
Das ZDF hatte die Figuren optisch runderneuert. Zwar hatten die Zwerge auch schon in den Jahren 1980 und 1990 eine Modernisierung erfahren. Doch da waren nur geringfügige Veränderungen vorgenommen worden, um dem Optimismus und der Verschmitztheit der Mainzelmännchen auch optisch mehr Ausdruck zu verleihen. Das sportliche Fritzchen beispielsweise bekam ein Stirnband und kurze Hosen verpasst. Edi trugt von nun an seinen charakteristischen roten Haarschopf. Aber das alles war aus Sicht der Fans nichts gegen das, was die ZDF-Designer ihren Lieblingen nun antaten.
Eckiger, mit stärkeren Konturen und neu eingekleidet und frisiert - das waren die Merkmale der "Mainzelmännchen New Generation", wie das ZDF sie nannte. Doch dem Sender kam es nicht nur auf Äusserlichkeiten an: Auch die Lebensgewohnheiten und die Charaktere der Figuren mussten sich aktuellen Trends unterwerfen. So empfanden die Designer beispielsweise Berti, der einst den Schraubenschlüssel schwang, als nicht mehr zeitgemäss und drückten ihm stattdessen einen Computer in die Hand. Aus dem Handwerker wurde der "Webmaster und Hacker". Für das ZDF eine "Auffrischung" - für so manchen Fan eine Zumutung.
Doch nicht nur Berti war nicht mehr der Alte. Aus dem faulen Anton wurde der "Lustbetonte", der ein wenig "prollig" daherkommt. Dass Conni ein "Vertreter der Jungendkultur" und "Rapper" sein sollte - das musste die Toleranz des puristischen MM-Fans gewaltig strapazieren. Immerhin blieben Det und Fritzchen in ihrem Wesen relativ unverändert - einmal Schlaumeier, immer Schlaumeier und einmal Sportler, immer Sportler, könnte man meinen.
Der Sender hingegen war von seinen neuen Figuren derart begeistert, dass er auch noch eine Mini-Serie, einer Art Familiensaga, ins Rennen schickte. Nach den Drombuschs und den Guldenburgs bevölkern seit 2003 "Die Mainzels" die deutsche Fernsehlandschaft. In 24 Folgen durften sich die kleinen Kerle jeweils ganze fünf Minuten lang - und damit 4:57 Minuten länger als in ihren werbetrennenden Auftritten - nach Lust und Laune austoben. A propos Lust: Nach vierzig langen Junggesellenjahren bekamen die Mainzelmänner nun endlich auch Mainzelfrauen zur Seite gestellt. Zwar nur zwei, die Zwillinge Zara und Lea, aber immerhin. Und mit den Frauen kamen auch die Wörter. Die Tage des Schweigens waren gezählt. Der Hund Guudnberg schliesslich komplettierte das Familienidyll.
Was auch immer die Fans von den neuen Mainzelmännchen halten mögen - schaut man sich die teilweise persönlich beleidigten Reaktionen auf die Frischzellenkur an, scheint das ZDF zumindest mit einer Einschätzung der Mainzelmännchen und ihren Stellenwert Recht behalten zu haben: "Is it love? More than that!"
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