Im zweiten Quartal sind die Preise für Immobilien um fast zehn Prozent gesunken. Vor allem in Grossstädten werden Häuser und Wohnungen billiger. Doch Kaufinteressenten haben trotzdem kaum Grund zur Freude: Viele können sich den Erwerb einer Immobilie wegen teurer Kredite nicht leisten.

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Die Preise für Wohnungen und Häuser in Deutschland sind massiv gesunken. Wohnimmobilien verbilligten sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vom Freitag im zweiten Quartal im Schnitt um 9,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Es war das stärkste Minus seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000.

Eine durchgreifende Trendwende nach dem Ende des jahrelangen Immobilienbooms erwarten Experten allerdings vorerst nicht. Gegenüber dem Vorquartal fiel der Rückgang mit 1,5 Prozent geringer aus als in den beiden Vorquartalen. Damals hatten sich Wohnimmobilien jeweils zum Vorquartal um 2,9 beziehungsweise 5,1 Prozent verbilligt. Seit dem Höchststand im zweiten Quartal 2022 sinken die Preise den Statistikern zufolge gegenüber dem Vorquartal.

Grosse Verunsicherung

Für Käufer ist das eigentlich ein Grund zur Freude. Doch viele Menschen können sich den Erwerb der eigenen vier Wände nicht mehr leisten, weil kräftig gestiegene Bauzinsen Kredite stark verteuert haben. Zudem mindert die hohe Inflation die Kaufkraft der Menschen. Bitter sind die gesunkenen Preise auch für Immobilienbesitzer, die sich zum Beispiel aus einem Verkauf ein kräftiges Zusatzplus im Alter erhoffen.

Nach einer Analyse des Finanzierungsvermittlers Interhyp haben viele Immobilieninteressenten den Wunsch nach dem eigenen Heim vorerst begraben. "Es gibt eine riesige Verunsicherung", sagte Vorständin Mirjam Mohr jüngst.

Auch das Hamburger Gewos-Institut stellte unlängst eine weiterhin ausgeprägte Kaufzurückhaltung fest. "Gegenwärtig sehen wir für den weiteren Jahresverlauf keine wesentlichen Änderungen der marktbestimmenden Faktoren", sagte Gewos-Experte Sebastian Wunsch.

Das Institut rechnet auf Grundlage der zum Halbjahr registrierten Deals nur noch mit rund 591.800 Kauffällen. Das wären knapp ein Viertel weniger Abschlüsse als im bereits schwachen Jahr 2022 - und der geringste Wert seit Beginn der gesamtdeutschen Zeitreihe im Jahr 1995. Bei den Kaufpreisen wird immerhin eine Stabilisierung zum Jahresende erwartet.

Ähnlich sah das zuletzt der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp). "Es zeichnet sich eine Stabilisierung am Wohnimmobilienmarkt ab", sagte vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt. "Im Markt steigt das Vertrauen, dass die langfristigen Kreditzinsen nicht viel weiter steigen."

Verkäufe in Grossstädten brechen ein

Sowohl in den Städten als auch in den ländlichen Regionen sanken die Preise im Schnitt im zweiten Quartal. Dabei gingen sie in Städten stärker zurück. Besonders deutliche Rückgänge im Vergleich zum Vorjahresquartal wurden in Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf verzeichnet. Hier verbilligten sich Ein- und Zweifamilienhäuser um 12,6 Prozent, für Wohnungen mussten Käufer im Schnitt 9,8 Prozent weniger zahlen als ein Jahr zuvor.

Dem Institut für Weltwirtschaft in Kiel zufolge halten sich Käufer und Verkäufer in den sieben Metropolen deutlich zurück. Im Vergleich zum Boom 2021 liegt demnach die Anzahl verkaufter Eigentumswohnungen im Quartalsvergleich derzeit über die Hälfte niedriger. "Besonders dramatisch ist die Entwicklung im Neubausektor, wo die Anzahl der Verkäufe um über 80 Prozent abgestürzt ist."

Nachfrage nach Wohnraum bleibt hoch

Zugleich bleibt die Nachfrage nach Wohnraum hoch, nicht zuletzt wegen der Zuwanderung, während der Neubau wegen gestiegener Zinsen und teurer Baumaterialien stockt. So legte beispielsweise Deutschlands grösste Wohnungsgesellschaft Vonovia vorerst den Bau Zehntausender geplanter Wohnungen auf Eis.

Am Montag soll das Thema auch auf höchster Ebene besprochen werden: Dann lädt die Bundesregierung Verbände zu einem Wohnungsbaugipfel ins Kanzleramt ein. Im Vorfeld forderten Verbände die Regierung zu schnellem Handeln auf. "Weiter steigende Zinsen und immer höhere Baukosten ergeben eine toxische Mixtur", sagte der Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), Andreas Mattner. Wichtig sei mehr planerischer und finanzieller Spielraum für die Immobilienbranche. Die Bundesvereinigung Bauwirtschaft forderte, "die Regierung muss sofort handeln und investive Impulse für den Wohnungsbau schaffen".

Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) sowie der Eigentümerverband Haus & Grund warfen der Bundesregierung vor, die Nöte und Forderungen der Branche zu ignorieren, und erteilten dem Gipfel eine Absage. (dpa/fab)

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