Ein günstiges Parfum aus Barcelona, ein Sport-T-Shirt aus der Türkei oder Musikboxen aus China: Produktpiraterie hat Konjunktur. Längst schon ist das professionelle Kopieren von Waren ein Milliardengeschäft geworden – und fügt der Wirtschaft jedes Jahr immense wirtschaftliche Einbussen zu.
Welcher Schaden entsteht durch Markenfälschungen?
Im Jahr 2013 wurden in der Europäischen Union 35 Millionen gefälschte Produkte mit einem Wiederverkaufswert von 760 Millionen Euro beschlagnahmt. Wie gross der Schaden durch Produktpiraterie aber tatsächlich ist, vermag kaum jemand zu sagen, zu hoch ist die Dunkelziffer jener Produkte, die nicht gefunden werden. Ein Studie des Europäischen Patentamtes aber zeigt die Dimension, um die es geht: 40 Prozent der gesamten Wirtschaftsaktivität und 35 Prozent aller Arbeitsplätze in Europa entfallen auf Branchen, für die das Urheberrecht eine hohe Bedeutung hat. Damit sind insgesamt 4,7 Billionen Euro Umsatz und 77 Millionen Jobs in Europa von der Produktpiraterie gefährdet.
Und wie hoch sind die Einbussen der deutschen Wirtschaft?
Nach Schätzungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages gehen allein der deutschen Wirtschaft jährlich mehr als 50 Milliarden Euro durch Produktpiraterie verloren.
Im Jahr 2013 spürte der deutsche Zoll insgesamt 3,9 Millionen gefälschte Produkte im Wert von 134 Millionen Euro auf – so viele wie nie zuvor. "Die Schäden, die der deutschen Wirtschaft durch Produktpiraterie entstehen, sind beträchtlich", sagte der Hamburger Justiz-Staatsrat Nikolas Hill jüngst bei einer Fachtagung zur Produktpiraterie in der Hansestadt. Hamburg gehört aufgrund seines Hafens zu den Hauptumschlagsplätzen für gefälschte Produkte.
Wo kommen die Sachen her?
Die überwiegende Zahl aller in Europa beschlagnahmten Produktfälschungen stammt mit knapp 73 Prozent aus China. Andere relevante Herkunftsländer sind die Türkei, die USA, Thailand und Vietnam gefolgt von Ägypten, Indien und Australien. Gefälschte Waren kommen jedoch nicht nur aus dem Ausland. Die Europäische Kommission und die nationalen Behörden untersuchen derzeit das Ausmass des Handels mit Produktfälschungen innerhalb der EU.
Welche Branchen sind besonders betroffen?
Grundsätzlich gilt, dass kein Unternehmen von Plagiaten ausgeschlossen ist. Besonders betroffen aber sind Körperpflegeartikel, Spielzeug sowie Uhren, Schmuck oder Sonnenbrillen. Auch Arznei- und Lebensmittel werden in hohen Stückzahlen gefälscht.
Woran erkenne ich Fälschungen?
Plagiate zu erkennen ist eine Wissenschaft für sich – selbst Fachleute scheitern bisweilen daran. Für den Laien ist es kaum möglich, gefälschte Produkte als solche zu erkennen.
Wie kann man sich dennoch schützen?
Im Kampf gegen die Fälscher spielen die Verbraucher eine bedeutende Rolle. Eine Studie von TNS Infratest ergab, dass 36 Prozent der Deutschen bereit seien, gefälschte Ware zu kaufen, wenn sie dadurch Geld sparen. "Viele Verbraucher sind sich bewusst, dass die Ware gefälscht ist, und nehmen es billigend in Kauf“, erklärte Günter Hörmann von der Verbraucherzentrale Hamburg dem Handelsblatt.
Warum sollte man also besser die Finger davon lassen?
Produktpiraterie finanziert die organisierte Kriminalität – daran gibt es keine Zweifel. Kinderarbeit und unmenschliche Arbeitsbedingungen sind weit verbreitet. Die entgangenen Steuern, die die illegalen Geschäftemacher nicht abführen, holt sich der Staat zurück: In Form wiederum höherer Abgaben direkt beim Verbraucher. Und in den Unternehmen, die rechtmässig und legal die Originalprodukte vertreiben, gefährdet der illegale Handel in grossem Stile Arbeitsplätze.
Wie hoch sind die Strafen?
Definitiv nicht hoch genug. "Die Strafen, die verhängt werden, liegen fast durchweg am unteren Ende der vorgesehenen Strafrahmen", sagte Staatsrat Hill in Hamburg. Lediglich zehn Prozent der Verfahren, die sich laut jüngster Strafverfolgungsstatistik auf vorsätzliche Verletzung geistigen Eigentums bezogen, führten zu einer Freiheitsstrafe, die übrigen 90 Prozent wurden zur Bewährung ausgesetzt.
Der Erwerb und Besitz gefälschter Produkte zu privaten Zwecken ist derweil nicht strafbar.
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