Die Europäische Zentralbank will monatlich 60 Milliarden Euro in Staatsanleihen stecken, um fallende Inflationsraten zu verhindern und die Spirale sinkender Preise und rückläufiger Investitionen zu durchbrechen. Aber was hat die EZB zu diesem harten Schritt bewogen und was sagen die Kritiker?

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"Die Inflationsdynamik ist anhaltend schwächer als erwartet", begründete EZB-Präsident Mario Draghi die Entscheidung der Europäischen Zentralbank am Donnerstag. Die EZB hofft, mit ihrer ultralockeren Geldpolitik nach Vorbild der USA in der Eurozone die Gefahr einer Deflation abwenden zu können. Sie will verhindern, dass dieWirtschaft in eine langanhaltende Schwächephase aus fallenden Preisen und schrumpfenden Investitionen abrutscht.

"Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Auto kaufen, erwarten aber, dass die Preise im kommenden Jahr sinken. Dann warten Sie doch bis zum nächsten Jahr", erklärt Markus Demary, Experte für Geldpolitik vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Wenn viele Menschen so handeln würden, sinke die Nachfrage und die Preise würden tatsächlich fallen: "So entsteht eine Spirale aus Preissenkungen und einer schrumpfenden Wirtschaft."

Massenkauf von Staatsanleihen ist umstritten

Der EZB-Entscheid hat das Ziel, Inflationserwartungen zu wecken. Dadurch sollen die Menschen dazu angeregt werden, wieder mehr kaufen - weil sie davon ausgehen, dass die Preise steigen. "Das führt in der Konsequenz zu einer richtigen Inflation", so Demary.

Im Idealfall kommt das neue Geld über die Banken in Form von Krediten direkt bei Unternehmen und Verbrauchern an. Das schiebt den Konsum und die Investitionen an und bringt die Konjunktur in Schwung.

Doch der massenhafte Kauf von Staatsanleihen, den die EZB ab März plant, gilt unter Experten als eine sehr strittige Methode, um die lahmende Wirtschaft in Gang zu bringen.
Auch Deutschland hatte massive Anleihenkäufe bislang als unnötig abgelehnt und stattdessen stärkere Reformanstrengungen angemahnt. "Das ist schon eine heftige Medizin, die die EZB da verschrieben hat, die gerade für die Finanzstabilität auch heftige Nebenwirkungen hat", so Finanzexperte Demary. Kritiker befürchten unter anderem, dass die EZB die Reformbemühungen in Krisenländern bremst, wenn sie den Staaten in grossem Stil Schuldscheine abkauft.

Angela Merkel will europäische Lösung

Ungeachtet der Entscheidung der EZB zu milliardenschweren Anleihenkäufen bleibt Deutschland bei seinem Spar- und Reformkurs. Das betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Pressekonferenz des EZB beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Sie rief Europa zugleich zu entschlossenen Strukturreformen auf. "Jetzt ist die Zeit, die Haushalte auch durch die niedrigen Zinsen auf Staatsanleihen zu konsolidieren", sagte sie. "Wer jetzt nicht mit seinem Haushalt auskommt, bei dem weiss ich nicht, was passiert, wenn die Zinsen mal wieder ganz normale Werte annehmen."

Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel rief Europa zu entschlossenen Reformanstrengungen auf. "Ich glaube, dass die europäische Politik insgesamt der Europäischen Zentralbank die Aufgabe, Wachstum und Beschäftigung zu stimulieren, nicht allein überlassen darf", sagte er bei einer Podiumsdiskussion des Weltwirtschaftsforums mit europäischen Spitzenpolitikern. Die Bundesregierung sei der Überzeugung, dass das Programm der EU-Kommission für Milliarden-Investitionen eine Chance biete, Strukturreformen und Wachstumsinitiativen miteinander zu verbinden. "Es ist allerdings wichtig, dass die Strukturreformen auch tatsächlich stattfinden."

CSU-Politiker Peter Gauweiler bereitet indes schon eine Klage gegen das Programm vor. Er kritisiert, das so genannte "Quantitative Easing (QE)" sei nichts anderes als Gelddrucken und würde die Inflation anheizen, um die überschuldeten Staaten auf Kosten der Sparer zu entlasten. "Mit diesem Programm überschreitet die EZB ihr Mandat und verstösst gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung." Würde die Bundesregierung nicht Klage beim Europäischen Gerichtshof erheben, um die Interessen der deutschen Steuerzahler und die Budget-Hoheit des Deutschen Bundestages zu verteidigen, würde er gegen diese Entscheidung des EZB-Rates klagen.

IWF rechnet mit Zinswende in den USA im Sommer

Unmittelbare Auswirkungen hatte die Entscheidung des EZB bereits auf den Euro und den DAX. Während die Gemeinschaftswährung weiter abstürzte, setzte sich der Aufwärtstrend des Aktienkurses weiter fort. Und auch dem US-Dollar prophezeihen Experten in der Folge des EZB-Entscheids einen anhaltenden Aufwärtstrend. Die Chefin der Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, rechnet bereits für diesen Sommer mit einer Zinswende in den USA. "Wir erwarten, dass es eher in der Mitte des Jahres als am Ende passieren wird", sagte sie.

Dass die US-Notenbank Fed erstmals seit der Finanzkrise wieder die Leitzinsen erhöhen werde, sei eine gute Nachricht. Es zeige, dass sich die US-Wirtschaft weiter erhole und an Stärke gewinne.
Dagegen warnte der Präsident der Investmentbank Goldman Sachs, Gary Cohn, vor einer Zinserhöhung in den USA, während in anderen Regionen der Welt die Geldpolitik noch weiter gelockert wird. "Schon jetzt hat der US-Dollar deutlich an Wert gewonnen und er wird nur noch stärker werden." Das könne der US-Wirtschaft und insbesondere dem Export einen schweren Schlag versetzen.

Welche Folgen hat die Zinserhöhung für Deutschland?

Und wie geht es jetzt für Deutschland weiter? Markus Demary vom Institut der Deutschen Wirtschaft nennt zwei Möglichkeiten. "Der Idealfall wäre: Die Massnahme der EZB zeigt Wirkung, es entstehen Inflationserwartungen, die Nachfrage steigt und die EZB fährt ihr Programm anschliessend wieder herunter." Damit würden sich die Nebenwirkungen auf einen sehr kurzen Zeitraum beschränken.

Was aber auch passieren kann: "Das Programm wirkt nicht, die EZB muss es dann sehr lange durchziehen, so dass beispielsweise Lebensversicherer und Bausparkassen unter Druck geraten. Und das birgt dann eine grosse Gefahr für die Finanzstabilität."

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