Die Finanzschirme werden grösser, das Risiko steigt. Die Beträge, für die auch die deutschen Steuerzahler bürgen, haben schwer vorstellbare Grössenordnungen erreicht.

Mehr News zum Thema Wirtschaft

Es geht um Hunderte Milliarden Euro. Was aber passiert, wenn diese Beträge tatsächlich abgerufen werden oder nicht ausreichen? Welche Auswirkungen sind auf unsere Einkünfte, Ersparnisse und Arbeitsplätze zu erwarten? Ein Gespräch mit dem Finanzexperten Prof. Dr. Niels Olaf Angermüller von der Hochschule Harz, Hochschule für angewandte Wissenschaften (FH).

Herr Professor Angermüller, würden Sie eine Prognose zum Euro wagen? Was wird er in, sagen wir drei oder vier Monaten wert sein? Gibt es ihn dann überhaupt noch?

Angermüller: Grundsätzlich haben wir es nicht mit einer Krise des Euro zu tun, sondern mit einer Schuldenkrise einzelner Länder. Es wäre genauso ein Problem, wenn beispielsweise Grossbritannien, das nicht den Euro verwendet, in einer solchen Krise wäre. Problematisch ist allerdings, wie die Europäische Zentralbank in der Krise gehandelt hat. So hat sie Anleihen der Krisenländer gekauft, was nicht im Einklang mit ihren eigenen Statuten ist. Dadurch hat sie an Glaubwürdigkeit verloren.

Meine Prognose zum Euro ist, dass er sich weiter als relativ stabil in Relation zum Dollar halten wird, also bei 1,30 bis 1,40 Dollar kosten wird. Ich halte auch einen Ausstieg einzelner oder gar aller Länder aus dem Euro für grundsätzlich möglich. Dies wäre nur politisch sehr problematisch - allerdings bringt eine Währung, die mehr Streit als Einigkeit verursacht, den europäischen Einigungsprozess nicht weiter und überlastet die Geberländer.

Was passiert, wenn Griechenland wirklich in Insolvenz geht? Reissen dann auch die Rettungsschirme der Eurozone?

Angermüller: Griechenland allein ist ökonomisch eher unbedeutend. Problematisch wird dies für Banken, die viele griechische Anleihen halten, Griechenland also im Grunde Kredite gegeben haben. Hier kann es zu Verwerfungen kommen. Für diese haben allerdings viele Banken bereits Risikovorsorge getroffen bzw. Positionen abgebaut. Bei Griechenland allein würden die Schirme reichen. Aber nicht, falls auch Spanien oder Italien als grosse Volkswirtschaften hinzukämen.

Spanien oder Italien, hier lauert also die eigentliche Gefahr?

Angermüller: Spanien und Italien sind nach Deutschland und Frankreich die grössten Volkswirtschaften der Eurozone. Sie liessen sich mit dem bisherigen Rettungsschirm nicht retten und meiner Meinung nach auch nicht mit einer realistischen Erweiterung. Nicht zu vergessen ist ja auch, dass diese Länder selbst an der Finanzierung der so genannten Rettungsmassnahmen beteiligt sind und dann zusätzlich hier ausfielen.

Welche Rolle spielen die Rating-Agenturen? Ist es möglich, dass sie manche Probleme mit ihren Herabstufungen – zum Beispiel jüngst wieder Spaniens – erst herbeiführen?

Angermüller: Die Rating-Agenturen bewerten die Kreditwürdigkeit von Staaten oder auch Unternehmen. Natürlich wirkt es sich negativ aus, wenn sich ihr Urteil verschlechtert. Aber die Ursache der Herabstufungen liegt in den betroffenen Ländern selbst. Was den Agenturen allerdings aus meiner Sicht vorzuwerfen ist, ist dass sie nicht viel früher Herabstufungen vorgenommen haben und so auf Probleme hingewiesen haben. Dies hätte auch eine abgestuftere Lösung der Probleme ermöglicht, als wenn Herabstufungen sozusagen in die Krise hinein erfolgen.

Steigen in Deutschland die Steuern, wenn Deutschland im Rahmen des Rettungsschirms in die Haftung genommen wird?

Angermüller: Mittel- bis langfristig ja. Hier geht es um erhebliche Summen und die Garantien wurden ja nicht in Zeiten voller Kassen gegeben. Berücksichtigt werden muss auch, dass Deutschland auf Grund der demographischen Entwicklung ohnehin vor grossen Herausforderungen in den Sozialsystemen steht und gleichzeitig die Zahl der Steuerzahler perspektivisch sinkt - das heisst, die Pro Kopf-Verschuldung und -Steuerlast steigen.

Sind die Spareinlagen bei der Bank trotz Eurokrise sicher – oder besteht Handlungsbedarf?

Angermüller: Einlagen bei deutschen Banken würde ich als sicher einschätzen. Neben der staatlichen Garantie für 100.000 Euro je Einlage gibt es weitergehende Sicherungssysteme der einzelnen Institutsgruppen. Ein grosser Vorteil des deutschen Bankensystems ist auch, dass es durch viele kleine Institute wie Sparkassen oder Volksbanken geprägt ist, die auf Grund ihres Geschäftsmodells weniger anfällig für die aktuellen Probleme sind. Wenn wirklich ein Institut in eine Schieflage gerät, sollte der Staat dieses stützen - mit verzinslich rückzahlbaren Krediten oder mit Eigenkapital, das mit Mitspracherechten ausgestattet ist. Hierzu wäre Deutschland auch glaubwürdig in der Lage.

Lohnt ein Umstieg von Sparguthaben in Sachwerte wie Gold, Rohstoffe oder Immobilien?

Angermüller: Gold oder Rohstoffe sind aus meiner Sicht überbewertet und bergen ein hohes Risiko sinkender Preise. Bei Immobilien ist auch die tendenziell rückläufige Bevölkerung zu beachten, so dass hier unter Anlagegesichtspunkten nur sehr gute Lagen in Frage kommen - und auch die haben ihren Preis, was die (langfristig) attraktive Rendite fraglich erscheinen lässt. Zuletzt kann im Krisenfall ähnlich wie in Griechenland auch gerade bei Immobilien eine extra Steuer eingeführt werden, gegen die sich die Eigentümer kaum wehren könnten, da Immobilien ja gerade nicht mobil sind.

Hat die Eurokrise weitergehende Auswirkungen, zum Beispiel auf die Hypothekenzinsen?

Angermüller: Die Hypothekenzinsen sind trotz der bereits erfolgten Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank historisch niedrig, gerade auch im langfristigen Bereich. Letztlich sind derartige Immobilienfinanzierungen für Banken aktuell auch eine attraktive Geldanlage, so dass hier die Konkurrenz die Zinsen auf ein niedriges Niveau bringt.

Die Prognosen der Wirtschaftsweisen für den deutschen Arbeitsmarkt sind erstaunlich optimistisch. Gefährdet die Eurokrise nicht auch Arbeitsplätze in Deutschland?

Angermüller: Die deutsche Wirtschaft ist stark exportabhängig, allerdings exportiert Deutschland nicht nur in den Euroraum, und die Wachstumszentren der Welt liegen eher im asiatischen Raum. Europa ist dennoch der wichtigste Markt, so dass hier natürlich im Falle einer Rezession negative Auswirkungen zu erwarten sind. Die erwähnte Demographie entlastet den deutschen Arbeitsmarkt aber gleichzeitig, denn jedes Jahr verlassen erheblich mehr Menschen altersbedingt den Arbeitsmarkt als hinzukommen.

Ist die Eurokrise für Sie eher ein Forschungsgebiet oder können Sie eine Auswirkung benennen, die Sie selber direkt betrifft?

Angermüller: Direkt betroffen bin ich aktuell nicht, werde allerdings zunehmend um Rat gefragt. Natürlich prüfe ich auch genau, wie ich privat Finanzmittel anlege, wäre aber wie gesagt zumindest bei deutschen Banken nicht verunsichert.

Herr Prof. Dr. Angermüller, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.