Kurzarbeit sichert nicht nur Arbeitsplätze, sondern senkt auch die Kosten der Arbeitslosenversicherung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO). Dies ist eine gute Nachricht für Arbeitgeber und Gewerkschaften.
2009 erleidet die Schweizer Industrie einen schweren Konjunktureinbruch, der auf die US-Subprime-Krise zurückgeht. Im Bereich der Werkzeugmaschinen sinkt der Umsatz der Unternehmen um durchschnittlich 70 Prozent. "Die Situation war dramatisch. Während meiner 30 Jahre in der Branche hatte ich noch nie eine so plötzliche Verschlechterung erlebt", erinnert sich Rolf Muster, Chef der Berner Firma Schaublin Machines SA.
Die damalige Wirtschaftsministerin Doris Leuthard will rasch handeln. Sie beschliesst, die Hürden für Kurzarbeit zu senken und die Höchstbezugsdauer von zwölf auf 18 Monate und ein Jahr später auf 24 Monate zu verlängern.
"Leuthard bestand darauf, dass Unternehmen dieses Instrument intensiv nutzen sollten", erinnert sich Daniel Lampart. Er ist Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB). "Die Politik zeigte sich angesichts des Ausmasses der Krise grosszügig und flexibel", sagt Pierluigi Fedele, Branchenspezialist bei der Gewerkschaft UNIA.
2009 sind in der Schweiz über 90'000 Arbeitende von Kurzarbeit betroffen – Rekord. In den am stärksten industrialisierten Regionen des Landes wird die Massnahme in grossem Stil angewandt.
In den Kantonen Jura und Neuenburg haben mehr als 10 Prozent der Gesamtbelegschaft Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung. Das kostet: Allein 2009 beliefen sich die Kosten für die Arbeitslosenversicherung auf 1,1 Milliarden Franken.
Effizient – wirklich?
Bislang gab es Zweifel an der Wirksamkeit dieses Instruments gegen Krisen. Verschiedene Studien kritisierten insbesondere, dass solche Kurzarbeitsprogramme Entlassungen nicht verhindern, sondern nur zeitlich verschieben.
Eine weitere Gefahr besteht demnach darin, dass Unternehmen Kurzarbeitsgelder einsetzen, um Arbeitsplätze zu erhalten, die sie auch ohne staatliche Unterstützung erhalten hätten.
Eine neue Analyse der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) im Auftrag des SECO hilft, diese Ängste zu zerstreuen. Daniel Kopp und Michael Siegenthaler, Co-Autoren der Studie, kommen zum Schluss, dass durch den Einsatz von Kurzarbeit zwischen 2009 und 2015 in der Schweiz Entlassungen langfristig verhindert werden konnten. Betroffene Unternehmen hätten dank dieser Massnahme mindestens 10 Prozent ihrer Arbeitsplätze sichern können.
Direkte Folge: Die Kosten der Kurzarbeit wurden durch die Einsparungen in der regulären Arbeitslosenversicherung mehr als kompensiert.
Know-how erhalten
In der Schweiz ist die Kurzarbeit in der Regel Gegenstand eines sehr breiten Konsenses: Sie wird von allen Sozialpartnern unterstützt und geniesst von links bis rechts politische Unterstützung. Es ist daher wenig überraschend, dass sowohl Arbeitgeber als auch Gewerkschaften das Ergebnis dieser Studie begrüssen.
"Das ist der Beweis dafür, dass es sich bei der Kurzarbeit um ein effizientes Instrument handelt", sagt Philippe Cordonier, Mitglied der Geschäftsleitung von Swissmem, dem Dachverband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie.
Unternehmen können so ihre Fachkräfte halten und bei Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs wieder mobilisieren. "Damit wird der Verlust wertvollen Know-hows vermieden, denn es besteht die Gefahr, dass qualifizierte Mitarbeiter im Falle von Entlassungen dauerhaft aus der Branche ausscheiden", betont Philippe Cordonier.
"Diese Studie verdeutlicht und bestätigt die Beobachtungen vor Ort: Kurzarbeit hat in der Tat in den letzten Jahren viele Arbeitsplätze in der Schweizer Industrie gerettet", sagt Daniel Lampart.
OECD fördert Kurzarbeit-Modell
Die Autoren der Studie betonen, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) dieses Instrument intensiv genutzt haben. "Grosse Firmen tendieren eher dazu, schnelle und radikale Entscheidungen zu treffen, wenn sich ihr Geschäft verschlechtert. Die Kurzarbeit ist daher für diese Art von Firmen-Management nicht geeignet", sagt Pierluigi Fedele.
Als Instrument in der Wirtschaftskrise von 2009 und 2010 stellte sich Kurzarbeit als effiziente Möglichkeit heraus. Im Zusammenhang mit dem starken Franken hingegen weniger. Dieser folgte auf die Aufhebung des Mindest-Eurokurses durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) im Januar 2015.
"Mit Kurzarbeit kann auf einen vorübergehenden Rückgang der wirtschaftlichen Aktivitäten reagiert werden", sagt Pierluigi Fedele. "Während der Euro-Krise hatten die Unternehmen jedoch nicht unbedingt weniger Aufträge. Vielmehr gerieten sie durch den starken Rückgang ihrer Margen in Schwierigkeiten."
Obwohl sich die Behörden flexibel gezeigt hätten, sei die Kurzarbeit bei dieser Gelegenheit weniger angewendet worden. In einem angespannten monetären Umfeld ist sei für Unternehmen zudem deutlich schwieriger, das Ende der Krise vorherzusehen und temporäre Massnahmen wie Kurzarbeit zu ergreifen.
So oder so erweist sich die vom SECO in Auftrag gegebene Studie als nützliches Instrument für Befürworter von Kurzarbeit im In- und Ausland. 2009 sagte der damalige Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO), Pascal Lamy, gegenüber der Westschweizer Zeitung Le Temps, dass Europa dank der weit verbreiteten Kurzarbeit besser für die Bewältigung der Krise gerüstet sei als Länder wie die USA, die dieses Instrument nicht kennen.
In den letzten Jahren ist auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zum Sprachrohr dieses Instruments geworden. Kurzarbeit gilt als wirksamer als jede andere protektionistische Massnahme. "Die Studie wird von den OECD-Führungskräften, die Kurzarbeit in anderen Ländern entwickeln wollen, sicher genau gelesen werden", sagt Daniel Lampart.
© swissinfo.ch
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