Wochenlang lieferten sich die neue griechische Regierung und die EU erbitterte Gefechte um das Hilfsprogramm für Athen. Nun soll es frisches Geld geben, doch wann es ankommt, ist noch unklar. Ohnehin fliesst ein grosser Teil des Geldes gleich zurück an die Gläubiger. Und die Regierung muss mit einigen Tricks arbeiten. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um das milliardenschwere Finanzprogramm.
Viel ist in den letzten Wochen über die Schuldenkrise in Griechenland debattiert worden – auch über fehlende Krawatten, das Motorrad von Finanzminister
Wo kommt das frische Geld her?
Mit rund 7,2 Milliarden Euro kann Athen nach der hart erkämpften Einigung von Ende Februar rechnen. Das Geld stammt aus dem zweiten Rettungsprogramm, das nun verlängert wurde. Matthias Reith, Analyst bei der Raiffeisenbank International, erklärt, wer Griechenland das Geld gibt: "Die Zahlung kommt vom Stabilitätsfonds ESFS, vom Weltwährungsfonds IWF und der Europäischen Zentralbank." Die EZB werde rund 1,9 Milliarden Euro überweisen, die aus den Erlösen vom Handel mit griechischen Staatsanleihen stammen.
Wann erreicht das Geld Athen?
Das kann auch Raiffeisen-Analyst Reith nur vermuten: "Ende April wäre möglich." Bis dahin soll sich Griechenland mit der Troika, oder den "Institutionen", wie sie nun heisst, auf konkrete Reformmassnahmen geeinigt haben. "Allerdings hindert das Athen nicht daran, vorher schon Reformen zu verabschieden. Dann könnte ein Teil schon angezahlt werden." Das könnte helfen, um das dringendste Problem von Finanzminister Varoufakis zu lösen: Im März muss er dem IWF 1,5 Milliarden Euro überweisen.
Was macht Varoufakis mit dem Geld?
Nicht zuletzt Schulden bezahlen. Neue Kredite, um alte abzulösen also? "Ja", sagt Matthias Reith." In der Vergangenheit aufgenommene Verbindlichkeiten müssen natürlich irgendwann zurückgezahlt werden." Kurzfristig fordere der IWF am meisten Geld: 1,5 Milliarden Euro im März, 400 Millionen im April, 700 Millionen im Mai, nochmal 1,5 Milliarden Euro im Juni. Im Juli und August werden dann noch Zahlungen von zusammen 6,8 Milliarden Euro an die EZB fällig.
Was tut Athen noch?
Die 7,2 Milliarden Euro, die Athen verhandelt hat, werden nicht einmal für den Schuldendienst ausreichen. "Ohnehin wird das Geld ja nur gegen Auflagen ausgezahlt", sagt Matthias Reith. Deswegen würde Griechenland gerne mehr Geldmarktpapiere ausgeben, sogenannte T-Bills, um kurzfristig Löcher zu stopfen. Allerdings hat Athen die von den internationalen Geldgebern gesetzte Grenze von 15 Milliarden Euro schon erreicht.
Gestern gab Griechenland zwar T-Bills aus, diese dienen jedoch nur dazu, ältere Geldmarktpapiere, die fällig werden, auszuzahlen. Überdies war der Zinssatz mit 2,97 Prozent höher als zuvor. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtete, das Interesse bei ausländischen Investoren sei trotzdem sehr gering gewesen. Stattdessen habe die griechische Zentralbank den Grossteil der Anleihen gekauft. Ein Trick, der bei der EZB kritisch gesehen wird. Auch Matthias Reith hält von dieser Praxis wenig: "Nachhaltig ist das nicht."
Überhaupt, die Banken: Die wackligen Bankhäuser Griechenlands können oft nur mithilfe von Nothilfen namens "Ela" überleben. Der EZB-Rat hat das Gesamtvolumen auf 68,3 Milliarden Euro begrenzt.
Wieviel Schulden muss Athen in naher Zukunft tilgen?
Übersteht Griechenland das Jahr, kann es sich lange auf die ersten grossen Rückzahlungen an die EU-Länder und den ESFS vorbereiten. Die Raten für das erste Rettungspaket werden erst ab 2020 fällig, erklärt Analyst Matthias Reith. Die Laufzeit und die Zinssätze wurden immer wieder zu Athens Gunsten neu verhandelt – allerdings gelten die Bedingungen nicht ausschliesslich für Griechenland. "Die Konditionen wurden auch an andere Länder weitergereicht", sagt Reith.
Die Frage bleibt nur: Kann Griechenland bis 2020 seine Finanzen konsolidieren? Schon jetzt wird über ein mögliches drittes Hilfspaket debattiert, auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel noch nicht darüber reden will. "Ich möchte nicht über Grössenordnungen spekulieren", sagt Raiffeisen-Analyst Matthias Reith dazu. "Aber ich denke, ein drittes Hilfspaket wird kommen."
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