Wer bei der Bank Geld spart, erwartet Zinsen - erst recht, wenn es fürs Alter vorgesehen ist. Doch das Zinstief hat einiges durcheinandergebracht. Darf eine Bank Negativzinsen auf Riester-Kunden abwälzen? Über einen solchen Fall hat nun ein Gericht entschieden.
Millionen Menschen sorgen mit Riester-Verträgen fürs Alter vor. Was aber, wenn der Anbieter sein ursprüngliches Zinsversprechen nicht einhält und plötzlich Minuszinsen einpreist?
Der Fall eines Kunden der Kreissparkasse Tübingen hat das dortige Landgericht beschäftigt, nachdem die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg geklagt hatte.
Am Freitagvormittag fiel nun das Urteil: Negative Zinsen in einem Riester-Sparplan sind nach Ansicht des Gerichts nicht per se unzulässig. Zumindest in dem konkreten Fall konnte es keine "unangemessene Benachteiligung von Verbrauchern" erkennen (Az.: 4 O 220/17). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Worum ging es in dem konkreten Fall?
Gestritten wird um den Riester-Banksparplan "VorsorgePlus", den mehrere Sparkassen in Deutschland anbieten.
Im vergangenen August mahnte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg die Kreissparkasse Tübingen ab, weil das Institut damals für das Produkt einen Grundzins von minus 0,5 Prozent auswies.
Der Grund: Die Sparkasse verrechnete den zugesagten positiven Staffelzins mit dem aktuell negativen variablen Zins.
Das hält die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg für rechtswidrig. "Bei laufenden Sparverträgen darf die variable Verzinsung nicht ins Negative abrutschen", sagt Verbraucherschützer Niels Nauhauser.
Zudem geht die Verbraucherzentrale gegen eine nach ihrer Einschätzung intransparente Klausel der Kreissparkasse zur Zinsanpassung vor.
Was sagt die Sparkasse?
Die Kreissparkasse hält dagegen: Keinem Kunden würden tatsächlich Minuszinsen in Rechnung gestellt. Die Grundverzinsung werde mit den zusätzlichen, fest vereinbarten Bonuszinsen der Banksparpläne verrechnet.
Alle Kunden der Sparkasse erhielten deshalb aktuell unter dem Strich positive Zinsen.
Ist der Tübinger Fall ein Einzelfall?
Experten zufolge bisher ja. Allerdings ist er besonders pikant, sorgen doch etwa 16 Millionen Menschen in Deutschland staatlich gefördert per Riester-Vertrag fürs Alter vor - und verlassen sich dabei auf die vereinbarten Konditionen.
Nach Einschätzung von "Finanztest" hätten "auch viele andere Anbieter von Banksparplänen rechnerisch die Möglichkeit, Minuszinsen auszuweisen".
Denn in der Regel seien Riester-Banksparpläne von Genossenschaftsbanken und Sparkassen mit einem festen Abschlag auf einen Referenzzins kalkuliert.
Doch weil die anhaltende Niedrigzinsphase die Referenzzinsen nach unten drückt, kommen Anbieter in Schwierigkeiten, ihr Zinsversprechen zu halten.
Warum erheben Banken und Sparkassen überhaupt Negativzinsen?
Die Institute geben einen Teil der Kosten weiter, die die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) bei ihnen verursacht. Zwar bekommen Banken frisches Zentralbankgeld weiterhin zu null Prozent Zinsen.
Zugleich jedoch müssen sie aufpassen, nicht zu viel Geld zu horten, das zum Beispiel über Einlagen von Kunden hereinkommt: Denn für überschüssige Liquidität, die bei der EZB geparkt wird, verlangt die Notenbank 0,4 Prozent Strafzinsen.
Ist ein Ende der Zinsflaute in Sicht?
Nein. Das oberste Entscheidungsgremium der EZB, der EZB-Rat, legte sich bei seiner jüngsten Sitzung Mitte Juni fest, dass die Zinsen mindestens "über den Sommer 2019" auf dem aktuellen Rekordtief verharren werden.
Sparzinsen bleiben also vorerst mickrig.
An welche Kundengruppen geben Banken Negativzinsen weiter?
Minuszinsen sind längst kein Tabu mehr. Vor allem trifft es Firmenkunden und Profianleger wie Versicherungen und Pensionsfonds. Wenn sie Gelder der Bank überlassen, müssen sie häufig draufzahlen, statt Zinserträge zu kassieren.
Die Branche scheute aber davor zurück, Privatkunden in grossem Stil mit Negativzinsen zu belasten. Vereinzelte Ausnahmen gab es im Falle reicher Kunden. (jwo/dpa)
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