Hauptsache billig: Dieses Prinzip scheint bei Discounter-Riesen nicht länger uneingeschränkt zu gelten. Während Lidl auf die Premium-Marke "Deluxe" setzt, eröffnet Aldi in Australien seine ersten Luxus-Supermärkte. Wird damit die Kehrtwende eingeläutet?
Grosse Gänge, warmes Licht und frische, appetitlich angeordnete Waren: So erstrahlen die neuen Discounter-Filialen auf der anderen Seite des Globus. Und stünde über dem Eingang nicht das markante Logo mit dem Buchstaben A, es würde wohl kaum einer glauben, dass diese jüngst in Australien eröffneten Supermärkte der Discounter-Kette Aldi angehören.
Doch ausgerechnet der König unter den Billig-Anbietern scheint eine neue Zielgruppe für sich entdeckt zu haben: die Besserverdienenden. Und will mit Luxusartikeln, zu denen hierzulande auch Lachs und Champagner zählen, die solvente Kundschaft locken.
Die Mehrheit der Aldi-Kunden hat Geld
Den Grund für den Richtungswechsel nennt ein australischer Unternehmenssprecher. Studien hätten ergeben, dass die Mehrheit der Aldi-Kunden aus Haushalten mit einem hohen Einkommen stamme, durchschnittlich also rund 90.000 australische Dollar (umgerechnet knapp 63.000 Euro) pro Jahr zur Verfügung habe. "Viele sehen uns noch immer als Billigmarkt, doch die Zahl der gut verdienenden Kunden wächst schon seit Jahren", sagte der Aldi-Sprecher dem australischen Nachrichtenportal "news.com.au".
Und auf diese Kundschaft muss die Kette reagieren. In Deutschland vollzog Aldi-Süd bereits Ende vergangenen Jahres mit leisen Schritten den Wandel hin zu höherwertigen Produkten und stellte neben den Markenprodukten Nivea, Coca-Cola und Nutella auch Ramazotti, Baileys, Jägermeister sowie Red Bull in die Regale.
Ausserdem finden sich nun frische Backwaren im Sortiment, in den meisten Filialen zwar noch aus einem Automaten, im Landkreis Mainz-Bingen aber präsentiert der Discounter bereits frische Brownies und Donuts ganz wie beim Bäcker um die Ecke – versuchsweise.
Und auch in Australien erweiterte der Discounter sein Angebot: von bisher 25 auf 65 Premium-Produkte.
Billig allein genügt nicht mehr!
Keine Frage: Die Discounter-Landschaft ist im Wandel, sucht permanent nach neuen Wegen, sich im grossen Konkurrenzkampf in der Supermarktlandschaft zu behaupten. Bisher setzen gerade die Billigheimer dabei fast ausschliesslich auf die niedrigen Preise, die sie, das liess zumindest Aldi Australien bereits verlauten, auch erhalten will.
Doch eben das allein genügt nicht mehr. Denn bei vielen Kunden steigt der Wunsch nach Qualität, nach gesunden, regionalen und Bio-Produkten. Bisher profitieren vor allem Rewe und Edeka von diesem veränderten Kaufverhalten. Die Folge: Laut den Konsumforschern der GfK verloren Aldi und Lidl im vergangenen Jahr gegenüber den klassischen Supermärkten Marktanteile.
Und betrachtet man die wirtschaftliche Situation bei Aldi allein, so ist sie nicht mehr so rosig wie zuvor - denn in vielen der 4.200 Märkte lässt die Kundenfrequenz derzeit nach. Wie neue Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zeigen, gingen die Lebensmittel-Umsätze bei Aldi Nord im ersten Quartal 2015 um 3,6 Prozent zurück. Mit einem Minus von 2,6 Prozent sah es bei Aldi Süd nicht viel besser aus. Und so bleibt den Discountern nur der Weg, neben extremen Niedrigpreisen auf Premium- und Markenprodukte und eine Modernisierung ihrer Filialen zu setzen.
Dennoch: Premium-Märkte wie in Australien sind in Deutschland derzeit ausdrücklich nicht vorgesehen. Zu stark ist in diesem Bereich die Konkurrenz durch die Supermarktketten Edeka und Rewe. Den Versuch, Supermärkten Kunden streitig zu machen, wertet eine Analyse des Marktforschungsinstituts GfK als wenig erfolgreich. "Zwar haben die Discounter in den letzten Jahren durch ihre Sortimentspflege viel für die Attraktivität getan", urteilen die Experten. "Die Massen sind ihnen aber deshalb nicht zugelaufen."
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.