Der US-Pharmamanager Martin Shkreli ist in den USA wegen Betrugsverdachts festgenommen und gegen Kaution wieder freigelassen worden. Bekannt ist er der US-Öffentlichkeit aber schon länger - für seine Gier und beispiellose Arroganz. Was für ein Typ ist dieser 32-jährige Turbo-Kapitalist?
Martin Shkreli ist schon lange im Geschäft: Mit 17 Jahren kam er an die Wall Street, mit Anfang 20 startete er einen eigenen Hedgefonds.
Schon mit diesem ersten Hedgefonds landete er vor Gericht - als einer von mehreren Managern, die wegen einer geplatzten Wette auf fallende Kurse 2,3 Millionen US-Dollar an Lehman Brothers zurückzahlen sollten.
Shkrelis Vorliebe für Hedgefonds
Doch Hedgefonds blieben Shkrelis Thema und bald entdeckte er die Pharmabranche als lukratives Geschäftsfeld, wobei er unter anderem versucht haben soll, im Sinne seines Portfolios bei der zuständigen Behörde FDA Einfluss auf die Zulassung von Medikamenten zu nehmen.
2011 gründete er mit Risikokapital die Firma Retrophin, die die Rechte an älteren, seltenen Medikamenten erwarb und sie dann teurer verkaufte.
Dieses Prinzip setzte er, nachdem ihn der Retrophin-Aufsichtsrat aus der eigenen Firma geworfen hatte, mit einem anderen Unternehmen fort - Turing Pharmaceuticals.
Mit dieser Firma übernahm er die Produktion des Medikaments Daraprim - jenes Präparats, durch dessen Verkauf er zum "meist gehassten Mann in Amerika" wurde.
Preissteigerung um das 55-Fache
Der Grund für den von CNNMoney.com verliehenen Titel: Turing Pharmaceuticals hob den Preis für eine Tablette Daraprim von 13,50 Dollar um mehrere Tausend Prozent auf 750 US-Dollar an - von einem Tag auf den anderen.
Daraprim ist ein Mittel gegen Toxoplasmose, eine Infektionskrankheit, die für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem - wie etwa HIV-Patienten - lebensgefährlich sein kann.
In Deutschland kostet eine Tablette weniger als einen Euro. Doch Turing Pharmaceuticals nutzte seine Quasi-Monopolstellung in den USA aus und zog damit den Zorn der Netzgemeinde auf sich.
Unter anderem, weil er einen kritischen Journalisten als Antwort auf die Frage nach dem Grund für den Preisanstieg als Idioten bezeichnet und weitere kritische Tweets mit einer rüden Textpassage aus einem Eminem-Song beantwortet hatte.
In Interviews rechtfertigte sich Shkreli, die Steigerung sei nicht unverhältnismässig, das Medikament sei zum alten Preis einfach nicht profitabel gewesen.
Er sagte zudem, man werde die Einnahmen aus dem Daraprim-Verkauf in die Entwicklung eines neueren, besseren Toxoplasmose-Medikaments stecken – ein Argument, das viele Pharmafirmen für hohe Medikamentenpreise anführen.
In der Öffentlichkeit blieb er aber überwiegend der gierige Pharmamanager, die Washington Post nannte ihn den "Gordon Gekko des Gesundheitswesens". Eine Anspielung auf die durchtriebene Hauptfigur im Hollywood-Klassiker "Wall Street", gespielt von Michael Douglas.
Turing Pharmaceuticals zog aber nicht nur den Zorn der Netzgemeinde auf sich, sondern auch den einiger hochrangiger Politiker.
Hillary Clinton ist ausser sich
US-Präsidentschaftskandidatin
Der Pharmaverband PhRMA nahm Turing Pharmaceuticals gar nicht erst auf.
Der Verband habe eine lange Geschichte der Medikamentenentwicklung und -innovation, die das Leben von Millionen von Kranken verbessert hätten, sagte der Verbandpräsident der "Washington Post". Das Vorgehen von Turing Pharmaceuticals und seines CEO heisse man nicht gut.
Shkreli wollte den Preis für das Medikament aufgrund all dieser Reaktionen senken, Details dazu blieb er aber bis zuletzt schuldig. Es gibt allerdings auch Stimmen, die es falsch finden, dass sich die Kritik so auf den 32-Jährigen konzentriert.
Der Direktor der Abteilung für Medizinethik an der New York University sagt etwa, die Fokussierung auf Shkreli lenke von den wirklichen Problemen des intransparenten US-Gesundheitswesens ab, wo es relativ selten sei, dass Preise überhaupt bekannt seien.
Der aktuelle Betrugsvorwurf hat mit Shkrelis Profitstreben beim Medikamentenverkauf nichts zu tun. Er stammt aus der Zeit, als er bei Retrophin vom Aufsichtsrat wegen Verletzung der Treuepflicht hinausgeworfen worden war.
Laut der New Yorker Staatsanwaltschaft habe Shkreli "Investoren durch ein Netz aus Lügen und Betrug verführt", unter anderem habe er über die Grösse und die Gewinne seines Fonds gelogen.
In einer Art Schneeballsystem habe er immer wieder Geld aus dem Fonds abgezogen, um persönliche Ausgaben zu decken und unzufriedene Investoren zu besänftigen. Shkrelis Sprecher hatte die Vorwürfe zurückgewiesen.
Niemand sagte Shkreli "was richtig ist"
Wegbegleiter des 32-Jährigen beschreiben ihn in US-Medienberichten als intelligenten Menschen, der Informationen wie ein Schwamm aufsauge.
Ein Investor sagte der "New York Times" aber auch: "In Martins Leben gibt es niemanden, der ihm sagt, was richtig ist."
Shkreli selbst wusste hingegen, was Dekadenz ist. Erst in diesem Jahr ersteigerte er das einzigartige Album "Once Upon A Time in Shaolin" der US-amerikanischen Rap-Gruppe "Wu-Tang Cla" für zwei Millionen Euro. Eilig, das Album auch anzuhören, habe er es aber nicht, erklärte Shkreli lässig.
Das werden ihm Staatsanwaltschaft und Richter im aktuellen Fall nach seiner Festnahme wohl schon gesagt haben. Doch ob sie damit bei einem Charakter durchdringen, der den Eindruck vermittelt, dass Geld die Moral ersetzt, steht auf einem anderen Blatt.
Shkreli wurde nämlich bereits wieder auf freien Fuss gesetzt. Für eine Zahlung von fünf Millionen Euro.
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