Gesundheitsdaten, familiäre Streitigkeiten, Urlaubserlebnisse - was über die Mitarbeiter eines Call Center des Moderiesen H&M gespeichert wurde, ist nach Ansicht des obersten Hamburger Datenschützers ohne Beispiel. Dem Konzern drohen schwere Konsequenzen.
Wegen des Verdachts, Mitarbeiter massiv ausgespäht und auch private Daten über Krankheiten und familiäre Hintergründe gespeichert zu haben, droht dem schwedischen Mode-Riesen Hennes&Mauritz (H&M) ein hohes Bussgeld.
Er habe ein entsprechendes Bussgeldverfahren eingeleitet, sagte der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz, Johannes Caspar der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstag). Der Verdacht massiver Verstösse gegen Datenschutzrechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe sich erhärtet.
"Massive Ausspähung der H&M-Beschäftigten"
"In der Tat hat es in dem Unternehmen am Standort in Nürnberg eine massive Ausspähung der Beschäftigten gegeben", sagte Caspar der Deutschen Presse-Agentur. "Das hat die Auswertung der uns vorliegenden Protokolle von erheblichem Umfang ergeben." Dabei handele es sich um detaillierte und systematische Aufzeichnungen von Vorgesetzten über ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Eine H&M-Sprecherin teilte der dpa schriftlich mit: "Wir nehmen den Vorfall nach wie vor sehr ernst und bedauern aufrichtig, dass Kolleg*innen betroffen sind." Man kooperiere vollumfänglich mit der Datenschutzbehörde, habe eine Reihe von Massnahmen ergriffen und stehe in engem Dialog mit allen Kollegen.
"Der Schutz der persönlichen Daten unserer Kolleg*innen hat für uns oberste Priorität", versicherte sie und bat angesichts der laufenden juristischen Prüfung um Verständnis, "dass wir uns zum aktuellen Zeitpunkt nicht weiter äussern können".
Hamburger Datenschützer ermittelt
Schon im Dezember hatte Verdi H&M vorgeworfen, dass Vorgesetzte Mitarbeiter eines Nürnberger Call Centers in unzulässiger Weise ausgespäht hätten. Die Mitarbeiter, die für die Abwicklung von Bestellungen zuständig seien, seien von Vorgesetzten zu Gesprächen gebeten worden, die teilweise einen halb privaten Charakter gehabt hätten.
Die daraus gewonnenen Erkenntnisse seien ohne das Wissen der Mitarbeiter gespeichert worden. Nach Gewerkschaftsangaben war die Sache aufgeflogen, nachdem einer der Vorgesetzten die Mitschriften auf einem öffentlich zugänglichen Laufwerksordner abgelegt habe.
Der Fall liegt in der Zuständigkeit des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz, weil das Unternehmen seine Deutschlandzentrale in der Hansestadt hat.
"Umfassende Ausforschung der Mitarbeiter"
"Das qualitative und quantitative Ausmass der für die gesamte Leitungsebene des Unternehmens zugänglichen Mitarbeiterdaten zeigt eine umfassende Ausforschung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den letzten Jahren ohne vergleichbares Beispiel ist", sagte Caspar der "FAZ".
"Es handelt sich dabei auch um Gesundheitsdaten der Betroffenen, von der Blasenschwäche bis zur Krebserkrankung, sowie um Daten von Personen aus deren sozialen Umfeld wie etwa familiäre Streitigkeiten, Todesfälle oder Urlaubserlebnisse."
Strafe von bis zu 800 Millionen Euro möglich
Dem Blatt zufolge droht H&M laut Datenschutz-Grundverordnung im schlimmsten Fall ein Bussgeld in Höhe von vier Prozent des globalen Jahresumsatzes. 2018 machte der Moderiese laut dem Statistischen Bundesamt weltweit über 20 Milliarden Euro Umsatz. Vier Prozent davon wären 800 Millionen Euro.
Derzeit laufe eine Anhörung zu den Vorwürfen, für die eine Frist von zwei Wochen gesetzt worden sei, sagte Caspar der dpa. "Nach Abschluss der Anhörung wird dann über den Erlass eines Bussgeldbescheides entschieden werden." (hub/dpa) © dpa
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