Während die Reichen immer reicher werden, steigt die Zahl der hungernden Menschen an. Vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos hat die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam einen entsprechenden Bericht veröffentlicht.
Das Vermögen der Superreichen auf der Welt wächst immer schneller. Das geht aus einem Bericht hervor, den die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam vor dem Start des Weltwirtschaftsforums in Davos veröffentlicht. Demnach gibt es weltweit inzwischen 2.769 Milliardärinnen und Milliardäre ‒ allein im vergangenen Jahr kamen 204 neu dazu. Gleichzeitig stagniere die Zahl der Menschen, die unter der erweiterten Armutsgrenze der Weltbank lebten und die Zahl hungernder Menschen steige.
Dem Oxfam-Bericht liegen Daten aus verschiedenen Quellen zugrunde. So führte Oxfam etwa Forbes-Schätzungen zum Vermögen von Milliardären mit Daten der Weltbank und solchen aus dem UBS-Weltvermögensreport zusammen.
Deutschland seit Jahren im Dauer-Krisen-Modus
"Die aktuellen Zahlen von Oxfam bestätigen eine Entwicklung, die wir mit grosser Sorge beobachten ‒ die Gesellschaft driftet wirtschaftlich weiter auseinander", kommentierte Michaela Engelmeier, die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD).
Aus der eigenen Sozialberatung bekomme der Verband immer häufiger die Rückmeldung, dass immer mehr Menschen nicht mehr wissen, wie sie ihr Leben bestreiten sollen. Immer mehr fühlten sich abgehängt. Engelmeier: "Die Politik muss hier dringend gegensteuern. Deutschland ist seit Jahren im Dauer-Krisen-Modus und deshalb gilt jetzt besonders: Breite Schultern müssen mehr tragen."
"Der Oxfam-Bericht ist empörend, aber leider erwartbar"
Bei ihrer Auswertung kommt Oxfam zu dem Schluss, dass die Welt innerhalb eines Jahrzehnts bereits fünf Dollar-Billionäre haben könnte. Im vergangenen Jahr sei das Vermögen der Milliardäre dreimal stärker gewachsen als noch im Vorjahr. Es sei von 13 auf 15 Billionen US-Dollar angestiegen.
Das Vermögen einer Milliardärin oder eines Milliardärs vergrösserte sich demnach pro Tag im Schnitt um zwei Millionen US-Dollar. Die reichsten zehn Milliardäre wurden pro Tag sogar um durchschnittlich 100 Millionen US-Dollar reicher. Selbst wenn sie über Nacht 99 Prozent ihres Vermögens verlieren würden, blieben sie Milliardäre, erklärte Oxfam.
"Der Vermögenszuwachs der Superreichen ist grenzenlos, während es bei der Bekämpfung der Armut kaum Fortschritte gibt und zum Beispiel Deutschland die Unterstützung einkommensschwacher Länder sogar kürzt", kritisierte der geschäftsführende Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland, Serap Altinisik.
"Der Oxfam-Bericht ist empörend, aber leider erwartbar. Die Schere zwischen arm und reich geht auch in Deutschland unaufhaltsam weiter auf", schrieb Christian Görke, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Gruppe Die Linke im Bundestag. Görke fordert als Lösung eine Vermögenssteuer und "eine Erbschaftssteuer, die diesen Namen wirklich verdient".
In Deutschland viele Milliardäre dank Erbschaft
Deutschland hat laut dem Oxfam-Bericht die viertmeisten Milliardäre weltweit. Ihre Zahl stieg demnach im vergangenen Jahr um neun auf 130. Ihr Gesamtvermögen liege inzwischen bei 625,4 Milliarden US-Dollar.
Oxfam errechnete zudem, dass deutsche Milliardärinnen und Milliardäre überdurchschnittlich von Erbschaften profitieren. Während weltweit 36 Prozent des Milliardärsvermögens aus Erbschaften stammt, sind es hierzulande sogar 71 Prozent.
Mittelschichtsfamilien zahlen oft mehr Steuern als Superreiche
"Auch in Deutschland wächst der Superreichtum unaufhaltsam", warnt Oxfam. Zugleich habe die Armut in den letzten Jahren stark zugenommen, viele Menschen könnten ihren gewohnten Lebensstandard nicht halten. "Diese extreme Ungleichheit entsteht massgeblich durch eine ungerechte Steuerpolitik", erklärte Oxfam-Referent Manuel Schmitt. "Superreiche zahlen hierzulande oft weniger Steuern und Abgaben als Mittelschichtsfamilien."
Die kommende Bundesregierung müsse deshalb eine Besteuerung grosser Vermögen beschliessen, fordert Oxfam. Unter anderem SPD und Grüne schlagen dies in ihren Programmen für die Bundestagswahl im Februar vor. "Schon mit sehr kleinen Steuersätzen auf die Vermögen Ultrareicher könnte man viele Probleme lösen", sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) der Funke Mediengruppe.
"Mit demokratischen Prinzipien nicht vereinbar"
Sorgen macht Oxfam auch, dass sich die Wirtschaftsmacht der Milliardäre deutlich sichtbar auch in politischer Macht niederschlägt. Die Ungleichheit habe Folgen für die Demokratie, warnte Altinisik. "Denn Reichtum geht Hand in Hand mit politischer Macht. Das sehen wir heute bei der Amtseinführung des US-Präsidenten Donald Trump: ein milliardenschwerer Präsident unterstützt vom reichsten Mann der Welt, Elon Musk."
Laut einer Studie der gemeinnützigen Initiative LobbyControl verfügen besonders die grossen US-Tech-Konzerne für die Durchsetzung ihrer Interessen über ein breites Lobbynetzwerk auch in Europa. Mit 33 Millionen Euro führen demnach Google, Amazon, Meta, Microsoft und Apple die Liste der Unternehmen nach Lobbyausgaben in Europa an. "Diese immense Lobbymacht, gepaart mit grosser Markt- und Monopolmacht, und der damit wachsende Einfluss auf die Politik sind mit demokratischen Prinzipien nicht vereinbar", heisst es in der Studie. (dpa/bearbeitet von nap)
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