Laut einer gerade veröffentlichten Studie entsteht den deutschen Maschinen- und Anlagenbauern durch Nachahmer-Waren jedes Jahr ein finanzieller Schaden von 7,9 Milliarden Euro. Wir haben mit Steffen Zimmermann vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) über die gravierenden Folgen der Produktpiraterie gesprochen.
Herr Zimmermann, welches Ergebnis der Studie hat Sie besonders überrascht?
Steffen Zimmermann: Das Erstaunlichste war, dass der Wettbewerber der Antreiber Nummer 1 ist. Es sind also weder die Hinterhof-Werkstätten noch die chinesischen staatlichen Unternehmen, sondern wirklich der knallharte Wettbewerber, der Informationen und Daten abgreift, um Plagiate nachzubauen oder aber auch Originale selbst auseinander nimmt, um daraus dann eigene Produkte zu gestalten.
Welche Bereiche in der Branche sind denn besonders vom Problem der Produktpiraterie betroffen?
Wenn man nach Unternehmensgrösse geht, dann sind dies vor allem die Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, natürlich auch deshalb, weil sie international am sichtbarsten sind. Aber auch die Hidden Champions, die Produkte herstellen, die man aus dem Alltag gar nicht so kennt, aber die trotzdem Weltmarktführer sind. Denn man versucht natürlich, den Marktführer in jedem Segment als Opfer ausfindig zu machen, weil das die Produkte sind, die man am besten los wird.
Und wenn man die Branchen betrachtet, dann sind aktuell die Holzmaschinen betroffen, aber klassischerweise vor allem Industrien, deren Produkte in Plagiatsländern wie China oder Südostasien eingesetzt werden. Deshalb sind vor allem Textilmaschinen betroffen oder aber Kunststoffmaschinen, mit denen zum Beispiel Spielzeug produziert wird.
Welche Länder fälschen besonders viel?
Als erstes kommt China und danach folgt gleich Deutschland. Das ist verwunderlich, aber nichts Neues. Deutschland ist schon seit vielen Jahren auf Platz 2.
Und wie viel Geld geht den Unternehmen dadurch verloren?
Der Schaden beträgt jedes Jahr etwa 7,9 Milliarden Euro. Das entspricht einem Umsatzverlust von ungefähr 3,5 bis 4 Prozent, wobei wir auch Unternehmen dabei haben, die bis zu 50 Prozent Umsatzverlust durch Plagiate haben.
Welche Gefahren gehen ausserdem von der Produktpiraterie aus?
Dazu kommt natürlich der Image-Schaden. Für viele Unternehmen bedeutet es, dass sie selbst auch am Markt aktiv werden müssen. Sie müssen ihre Kunden darüber informieren, sie müssen dafür sorgen, dass der Kunde das Original von der Fälschung unterscheiden kann. Und das Thema Regressanforderungen, also Haftungsanforderungen und Gewährleistungsansprüche durch Plagiate kommen ja auch und die muss man abwehren.
In der nächsten Studie wollen wir ausserdem ermitteln, welche Gefahren Plagiate für Leib und Leben mit sich bringen. Wenn es beispielsweise in der chemischen Industrie zu Explosionen und Unfällen kommt. Oder wenn zum Beispiel ein Pharma-Produkt gefälscht wird, dann ist natürlich die direkte Gefahr für den Patienten sehr hoch. Eines der dreistesten Plagiate der Vergangenheit war ein Beatmungsgerät, das gar nicht die Leistung erbringt, die man in solchen Notfällen braucht.
Wie können die Unternehmen sich schützen?
Erst einmal muss ein Unternehmen seine IT so sicher machen, dass keine Informationen nach aussen dringen, so dass der Plagiateur nur in der Lage ist, etwas anhand des vorhandenen Produkts nachzubauen. Ausserdem muss ein Produkt so gestaltet sein, dass es nicht kopierbar ist, zum Beispiel durch entsprechende technische Merkmale.
Was fordern Sie als Verband von der Politik im Kampf gegen die Produktpiraterie?
Wir fordern härtere Strafen und dass Unternehmen der Marktzugang verwehrt wird, wenn sie als Plagiateure auftreten. Die Herausforderung ist, das Strafmass so auszuweiten, dass diesen Unternehmen das Handwerk gelegt wird, insbesondere, wenn es sich um Medikamentenfälschungen handelt.
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