Die Steueraffäre um Uli Hoeness hat viele Menschen erschüttert - auch weil das Bild, das die meisten von dem ehemaligen Präsidenten des FC Bayern München hatten, vor den Augen der Öffentlichkeit zerbröselte. Kaum jemand hat sich so intensiv mit Hoeness' Persönlichkeit beschäftigt wie der Autor Christoph Bausenwein. Sein Buch "Das Prinzip Uli Hoeness - Ein Leben in Widersprüchen" erschien vor Kurzem in einer neuen Auflage. Für unser Portal erklärt er exklusiv, warum ihn die Steueraffäre nicht überrascht hat.

Mehr News zum Thema Wirtschaft

Uli Hoeness - der Steuersünder, der Zocker, der Dilettant. Es sind Seiten des ehemaligen Präsidenten des FC Bayern München, die viele überrascht haben. Christoph Bausenwein nicht. Der Autor hat sich schon im Jahr 2009 für sein Buch "Das Prinzip Uli Hoeness" mit dessen Persönlichkeit auseinandergesetzt und bereits damals einen Menschen voller Widersprüche beschrieben. Nun hat Bausenwein ein neues Kapitel hinzugefügt: "Der abgehobene Zocker".

Sie haben sich vermutlich mehr als jeder andere Mensch mit Uli Hoeness beschäftigt. Wenn Sie ihn mit einigen knappen Ausdrücken beschreiben müssten, welche würden Sie wählen?

Christoph Bausenwein: Er ist ein von Erfolgsgier Getriebener, er ist ein Machtmensch und fürsorglicher Patriarch, er ist ein kühler Geschäftsmann mit echter Liebe zum Fussball, und er ist, wie man neuerdings vermuten muss, ganz offensichtlich nicht nur ein Mann mit vielen widersprüchlichen Seiten, sondern sogar so etwas wie eine gespaltene Persönlichkeit.

Sie stellen Hoeness in Ihrem Buch als einen Mann voller Widersprüche dar. Die erste Auflage erschien bereits 2009. Hätten Sie sich damals bereits vorstellen können, wie gross diese Widersprüche tatsächlich sind?

Grundsätzlich hat mich das nicht überrascht, dass bei Uli Hoeness noch irgendwelche "unschönen Geheimnisse" ans Licht kommen könnten. Er hat ja, bevor die Steuergeschichte bekannt wurde, auf den Wolken gesessen, als Quasi-Bundeskanzler. Ich habe mich immer gewundert, wieso er plötzlich in einem derart sonnigen Licht dasteht und die frühere Hassfigur Hoeness vergessen wurde. In den ersten drei Jahrzehnten seiner Manager-Tätigkeit hat er mit seinen Abwerbemethoden die ganze Bundesliga gegen sich aufgebracht oder stand wegen dubioser Geschäfte - Beispiel Geheimvertrag mit Kirch - im Zwielicht. Daher hat es mich nicht wirklich überrascht, dass noch etwas herausgekommen ist und sich das Blatt wieder gewendet hat. Allerdings hat es mich in der Art und Weise und in der Dimension überrascht.

Sie zitieren in Ihrem Buch Uli Hoeness mit den Worten: "Ich sehe es nicht ein, dass man zehn Cent liegen lässt, nur weil sie verdreckt sind." Wie kann so ein Mensch den Bezug zu Geld völlig verlieren?

Das ist wohl diese gespaltene Persönlichkeit, die ich vorher bereits erwähnt habe. Er hat einerseits diesen schwäbischen Sparsinn. Er ist in einer Metzgerei gross geworden und hat auch immer diese Geschichte erzählt, wie er den letzten Pfennig vom Boden gekratzt hat, damit die Abrechnung stimmt. Und auf diese Weise hat er auch den FC Bayern geführt. Es ist in der Hauptsache Uli Hoeness zu verdanken, dass der Verein jetzt so gut dasteht und nie Schulden gemacht hat.

Aber dann lief im Hintergrund, nachdem der Erfolg da war, diese andere Geschichte. Meiner Meinung nach hat er das voneinander abgekoppelt. Auf der einen Seite stand der Verein und er als Manager, als öffentliche Figur. Auf der anderen Seite der Hoeness, der sich einfach mal gehen lässt. Aber zusammenkriegen kann man das nicht wirklich, Hoeness hat sein Zocker-Ich wohl auch für sich ausgeblendet.

Im letzten Kapitel Ihres Buches, das sich mit der Steueraffäre beschäftigt, gehen Sie nicht gerade zimperlich mit Hoeness ins Gericht. Finden Sie das Urteil gegen ihn gerecht?

Was ist Gerechtigkeit? Ich wurde selbst schon einmal verurteilt, wegen wesentlich kleinerer Sachen (Wehrdienstverweigerung; Anm. d. Red.) und habe 16 Monate dafür bekommen. Aber für diese Dimension, in der sich Hoeness' Steuerskandal bewegt hat, finde ich das absolut in Ordnung. Und wenn Uli Hoeness nicht dieser prominente Mensch wäre, wäre das Urteil wohl auch noch höher ausgefallen.

Als Uli Hoeness der Öffentlichkeit mitteilte, die Haftstrafe antreten zu wollen, bekam er von vielen Seiten Lob für diese Entscheidung. Horst Seehofer nannte ihn sogar einen "Mensch von Format".

Das finde ich schon kurios. Da wird jemand verurteilt, der rechtsstaatliche Ablauf ist in Ordnung, das Urteil ist nicht übertrieben, und dann sagt Uli Hoeness, er nimmt das Urteil an. Gönnerhaft und selbstgefällig. Und dann wird er dafür gelobt. Mich hat das richtiggehend erschreckt, dass ihm sogar Angela Merkel Respekt gezollt hat. Das geht für mich zu weit. Das sollte man sich als Politiker eigentlich nicht leisten.

Hat es Sie überrascht, wie stümperhaft Hoeness in der gesamten Steueraffäre teilweise agiert hat?

Dieser Dilettantismus hat mich schon überrascht. Ich hätte gedacht, dass Hoeness das besser unter Kontrolle hat. Ich kann mir das eigentlich nur so erklären, dass er die Sache viel zu lange verdrängt und erst reagiert hat, als es zu spät war. Aber er hat wohl bis zuletzt gedacht - weil er sich in einer Sphäre der Unantastbarkeit wähnte - dass er da noch rauskommt. Dabei hat er sich allerdings verschätzt.

Was bleibt von der Lichtgestalt Uli Hoeness nach diesem Skandal noch übrig? Glauben Sie, dass er sich nach dem Absitzen seiner Strafe wieder in die Öffentlichkeit trauen wird, womöglich in einer Funktion beim FC Bayern München?

Der Steuerskandal wird an ihm hängenbleiben, da bin ich mir sicher, einfach weil die Dimension unglaublich ist. Da kann man nicht mehr in der bislang praktizierten Art und Weise als Gönner auftreten. Ich glaube nicht, dass er nach der Haft in der Lage sein wird, noch einmal eine Funktion beim FC Bayern einzunehmen. Mein Tipp wäre, dass der Verein ihn irgendwann zum Ehrenpräsidenten ernennt.

Glauben Sie wirklich, dass das ein guter Tipp ist? Wäre die Geste nicht sogar zu krass?

Ich meine damit nur, dass das denkbar wäre. Für viele Fans wird Uli Hoeness trotzdem ein Held bleiben, und der FC Bayern wird sicher weiter in irgendeiner Weise zu Uli Hoeness stehen. Das Ehrenpräsidentenamt wäre eine Option, das auszudrücken. Ausserdem wäre es eine Sache des Vereins und keine allgemeine Ehrung. Ob das in Ordnung ist, darüber kann man natürlich streiten. Aber seine Leistungen für den FC Bayern bleiben ja weiter bestehen.

Christoph Bausenwein wurde 1959 in Nürnberg geboren. Er ist Gründungsmitglied der Deutschen Akademie für Fussballkultur und hat unter anderem mehrere Bücher über den FC Bayern München verfasst ("Das Bayern-Lexikon", "Das grosse Bayern-Buch", "FC Bayern - Unser Verein, unsere Geschichte"). In seinem Buch "Das Prinzip Uli Hoeness - Ein Leben in Widersprüchen" (2013 erschienen im Verlag Die Werkstatt, erhältlich als Hardcover und Taschenbuch), hat er sich dem ehemaligen Bayern-Präsidenten nicht mit verklärtem Chronisten-Blick genähert, sondern zeigt alle Facetten seiner Persönlichkeit auf.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.