Die Privatisierung der Wasserversorgung ist seit langer Zeit Thema in Europa. Durch zunehmende Wasserknappheit gewinnt die Frage nach den Betreibern - Staat oder private Firmen - immer mehr an Bedeutung.
Die UNO hat 2010 den Zugang zu sauberem Wasser als Menschenrecht anerkannt. Wasser wird ständig gebraucht: Zum Trinken, zum Waschen, zum Kochen – zum Leben. Wasser ist Leben. Und das verkauft sich gut.
In den vergangenen Jahren wurde in diversen Regionen in Deutschland, Frankreich, Portugal, Irland und Griechenland versucht, die Wasserversorgung zu privatisieren. Teils erfolgreich. Dabei spricht sich die Bevölkerung mehrheitlich für eine Versorgung durch staatliche Hand aus. Welche Interessen stecken dahinter?
Vorteile einer Privatisierung?
Als Begründung für die Privatisierung der Wasserversorgung wird meist grössere Effektivität angeführt. Private Betriebe behaupten, dass sie die beste Qualität sowie Umweltfreundlichkeit gewährleisten und wirtschaftlicher arbeiten würden.
Christa Hecht, Geschäftsführerin der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V. (AöW), ist anderer Meinung: "Lange wurde den Verheissungen geglaubt, dass private Unternehmen generell effektiver arbeiten als öffentliche. Das Argument ist inzwischen widerlegt", berichtet sie im Gespräch mit unserem Portal.
Gut geführte öffentliche Unternehmen würden mindestens genauso effektiv und mit kostendeckenden Preisen arbeiten können wie private.
Auch der emeritierte Professor für Regionalökonomie der Hochschule Bremen Ernst Mönnich sagt: "Vergleicht man es international, kann man feststellen, dass wir mindestens in Deutschland eine Dominanz kommunaler Betriebe haben und unsere Wasserversorgung unbestritten qualitativ gut ist."
Nachteile einer Privatisierung
Hecht zufolge sei einer der grossen Nachteile einer privaten Wasserversorgung, dass private Unternehmen Gewinne erwirtschaften müssten und dadurch die Versorgung teurer würde.
"Die Qualität könnte sinken", sagt Hecht. "Das sind jedenfalls die Erfahrungen weltweit."
Bevölkerung wehrt sich
Warum gibt eine Stadt dann überhaupt die Wasserversorgung in private Hände? Die Geschäftsführerin der AöW sagt: "Das machen oft Städte oder Staaten, die hoch verschuldet sind. Damit sollen schnell Einnahmen erzielt werden."
Ein Beispiel sei Griechenland. Angesichts der Schuldenkrise forderte die Troika, eine Kooperation von Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Kommission, dass weitere Teile der Aktien an der Wasserversorgung von Athen und Thessaloniki verkauft werden.
"Die EU-Kommission glaubt noch an die Legenden von der grossen Effizienz der Privaten und von der Lösung der Finanzprobleme verschuldeter Staaten. Die grossen privaten Konzerne, gerade für Wasser, haben grossen Einfluss in der EU und in einigen Mitgliedsstaaten der EU", so Hecht.
Das Beispiel Berlin
Auch Deutschland hat bereits Erfahrungen mit einer privaten Versorgung gemacht: In Berlin wurden Wasserbetriebe 1999 teilprivatisiert. Steigende Preise waren die Folge.
Bei einem Volksentscheid 2011 sprach sich die Mehrheit der Bürger für eine Rekommunalisierung aus. In den folgenden Jahren erwarb das Land Berlin die Anteile der Wasserbetriebe von den Unternehmen RWE und Veolia zurück. Seit 2014 ist die Versorgung wieder in öffentlicher Hand.
Mönnich erzählt: "Die EU hat seit Anfang der 90er Jahre versucht, Dienstleistungsbereiche, insbesondere öffentliche Dienstleistungen, für den Markt zu erschliessen. Vor allem französische Konzerne haben auch versucht hier in Deutschland Fuss zu fassen. Das ist ja allerdings im Bereich Wasser/Abwasser nicht besonders erfolgreich gewesen."
"Wasser verkommt zum Mittel für Profitmaximierung"
Was sind also die Folgen einer Privatisierung? "Wasser verkommt durch Privatisierung zu einer Ware, zum Kommerz, zum Mittel für Profitmaximierung", sagt Hecht. "Dahinter steckt ein riesiges Erpressungspotenzial."
So würden private Konzerne eine enorme Machtposition gegenüber Staaten, Gemeinden und den Verbrauchern erhalten, um höhere Preise und Gewinne durchzusetzen.
"Wenn der einzelne Bürger hohe Preise für Wasser nicht mehr bezahlen kann, würde er in existenzielle Not geraten", so Hecht.
Was würde eine Privatisierung der Wasserversorgung auf lange Sicht bedeuten?
Laut Mönnich besteht bei einer überhandnehmenden Privatisierung das Risiko einer Monopolbildung. "Bei einer Situation, in der eine Konkurrenz durch unterschiedliche Erzeuger nicht möglich ist, brauche ich neben der öffentlichen Garantie für eine Qualitätskontrolle auch eine Preiskontrolle, sonst wird ein Monopol ausgenutzt", sagt er.
Die Frage wäre, inwieweit Kartellbehörden dazu imstande seien und inwieweit auch politische Interessen eine Rolle spielen würden.
"Missbrauch eines Monopols kann man nie ausschliessen"
Aber bestehen unter den vorherrschenden Bedingungen in Deutschland Risiken für die Qualität? "Da wäre ich nicht ganz so pessimistisch", meint der ehemalige Hochschulprofessor. Den Missbrauch eines Monopols könne man aber nie ausschliessen.
Hecht ist der Ansicht, man dürfe sich das Allgemeingut Wasser nicht aus der Hand nehmen lassen: "Alle Menschen brauchen sauberes Wasser zum Überleben, deshalb darf auch niemanden der Zugang zu Trinkwasser verwehrt werden. Deshalb haben die Vereinten Nationen den Zugang zu sauberem Wasser als Menschenrecht erklärt. Die Aufgabe der Wasserversorgung zu erschwinglichen Kosten kann nur die öffentliche Hand gewährleisten."
Um eine Privatisierung zu verhindern, könnten die Menschen über die Wahlen und demokratische Gremien sowie eine stärkere Bürgerbeteiligung Einfluss nehmen, so Hecht.
Mönnich ist der Meinung: "Ich denke, dass die Bürger mit unserem gegenwärtigen kommunalen System durchaus zufrieden sind. Da es wirtschaftlich betrieben werden kann, haben die Kommunen Interesse daran, diese Geschichte so auch weiter laufen zu lassen."
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