Der rumänische Unternehmer Mircea Tudor hat Saint-Imier im Berner Jura als Standort gewählt – trotz des starken Schweizer Frankens und der hohen Produktionskosten. In der neuen Fabrik sollen Scanner für die Sicherheit im Flugverkehr produziert werden. Das helvetische Know-how bleibt ein wichtiger Trumpf bei der Akquisition von internationalen Firmen mit Spitzentechnologie.

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Longines, TAG-Heuer, Blancpain, Chopard oder Breitling: Saint-Imier kann sich damit brüsten, Geburtsstätte von einigen der grössten Namen der Schweizer Uhrenindustrie zu sein. Die kleine Berner Gemeinde mit knapp 5000 Seelen am Fuss des Chasserals (1607 m), einer der höchsten Gipfel der Jura-Kette, beheimatet auch zahlreiche Firmen, die in der Mikro-, Präzisionstechnik oder Mikroelektronik tätig sind.

In dieser industriellen Umgebung mit reicher Tradition und einem weltweit fast einzigartigen Know-how will sich die rumänische Firma Tudor Scan Tech SA niederlassen. Ihr Patron, Mircea Tudor, beabsichtigt, dort 45 Millionen Franken zu investieren und in den nächsten 5 Jahren mehr als 130 Arbeitsplätze zu schaffen.

Der rumänische Unternehmer, der an der Genfer Erfindermesse zwei Mal ausgezeichnet wurde, ist der Erfinder des "Roboscan Aeria". Das ist ein mobiler Scanner für Flugzeuge, der in der Lage ist, in wenigen Minuten Sprengstoff, Waffen, Drogen aber auch Mikrorisse an Bord eines zivilen oder militärischen Flugzeugs aufzuspüren.

Das in seiner Art einzigartige Verfahren hat laut Mircea Tudor bereits die meisten Aufsichtsbehörden der zivilen Luftfahrt überzeugt. Das kommerzielle Potential bezeichnet der rumänische Unternehmer als beträchtlich. "Im konservativsten Szenario rechnen wir mit einem Jahresumsatz von 1,8 Milliarden Euro bis in sechs Jahren", sagt er gegenüber swissinfo.ch.

Eine "ökologische" Fabrik

Bis jetzt ist vom Projekt erst eine Baustelle zu sehen. Mit der Produktion, die ursprünglich bereits für diesen Herbst vorgesehen war, dürfte nicht vor dem nächsten Sommer begonnen werden. Die Arbeiten sind fast neun Monate in Verzug, was John Todeschini, der seit April für das Projekt verantwortliche ist, irritiert. "Wichtige Aufträge von Flughafenbehörden und Fluggesellschaften konnten leider nicht erfüllt werden", bedauert er.

Ein zu optimistischer Terminkalender, Probleme beim Ablauf auf der Baustelle, Missverständnisse und Kommunikationsprobleme unter den involvierten Akteuren: Seit der Ankündigung der Niederlassung des rumänischen Unternehmens im September 2014 haben sich die Probleme gehäuft.

Trotzdem wird die Standortwahl von den Rumänen nicht in Frage gestellt. "Tudor Scan Tech beabsichtigt, sich langfristig in Saint-Imier niederzulassen, und die gesamte Planung wurde entsprechend ausgerichtet", sagt John Todeschini. Die Fabrik ist die erste schweizweit, die den ökologischen Standards Breem entspricht.

Mit Fotovoltaik-Modulen auf der Dachfläche vom 1500m2 wird mehr Strom produziert werden, als die Firma selber benötigen wird. Im Bemühen, die Technologie ständig zu verbessern, werden für Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten grosse Räume eingerichtet.

Qualität und Neutralität

Die rumänische Firma hatte zuvor 20 andere Standorte – unter anderen in Deutschland und Italien – in die Evaluation einbezogen. "Ich habe oft gehört, dass die Schweiz zu teuer, der Zugang zu schwierig und für Ausländer zu verschlossen sei. Aber ich war sehr schnell überzeugt vom helvetischen Pragmatismus und von der Effizienz. Für einen rumänischen Unternehmer, der Bürokratie-Dschungel und staatliche Einmischung in private Angelegenheiten kennt, ist es ein Traum", sagt Mircea Tudor.

Das "swiss made" ist ein weiteres entscheidendes Argument, das den Ausschlag zugunsten von Saint-Imier gab. "Herr Tudor hat die Hoffnung, dass das Qualitätsimage aber auch die Neutralität der Schweiz weltweit zur Glaubwürdigkeit seines Systems beitragen werden und dass dieses zum international anerkannten Standard in der zivilen Luftfahrt wird", sagt Jean-Philippe Devaux von der Wirtschaftsförderung des Kantons Bern, der bei der Ansiedlung von Tudor Scan Tech in Saint-Imier aktiv beteiligt war.

Der starke Schweizer Franken und die hohen Löhne in der Schweiz sind für Tudor keine unüberwindbaren Hindernisse. Genauso wenig wie die Einschränkungen, die – nach der Annahme der Volksinitiative "gegen Masseneinwanderung" – künftig die Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte beschränken könnten. Tudor Scan Tech will vorwiegend Techniker aus der Region anstellen. Diese sollen von rumänischen Spezialisten geschult werden, die seit 20 Jahren im Bereich des Scannens tätig sind. "Die Marktstudien haben gezeigt, dass unsere Kunden lieber etwas mehr bezahlen und dafür die Gewissheit haben, über ein Qualitätsprodukt zu verfügen.", sagt Tudor.

Begrüssenswerte Diversifizierung

Ähnlich wie der Verkauf von Schweizer Firmen an chinesische Investoren zeigt auch die Ansiedlung der Tudor Scan Tech in Saint-Imier ein wachsendes Interesse der Schwellenländer für helvetisches Know-how und Spitzentechnologie. Neue Wachstumsträger mit höherer Wertschöpfung zu finden, ist für zahlreiche ausländische Firmen, die ihre Marktstellung verbessern wollen, zur Notwendigkeit geworden.

Das kommt auch der lokalen Wirtschaft zugute, sagt Jean-Philippe Devaux: "Unser Ziel ist es, Unternehmen mit hoher technologischer Wertschöpfung anzuziehen, welche die bereits ansässigen Firmen nicht konkurrieren. Diese Firmen bringen einen Mehrwert ins örtliche Wirtschaftsgefüge und erlauben eine Diversifizierung der Produktion. Die Herstellung von Scannern für Flugzeuge ist ein typisches Beispiel für diese Diversifizierung zu einer Zeit, in der die Uhrenindustrie Schwierigkeiten hat und die internationale Konkurrenz Sturm läuft, um Spitzentechnologie-Firmen anzuziehen.

Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler

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