Vor einem Jahr wurden die Schweizer Käseproduzenten von der Freigabe des Frankenkurses überrascht: Ihre Befürchtung, durch zwangläufig steigende Preise Kunden im Ausland zu verlieren, hat sich bestätigt. Eidgenössische Käsespezialitäten haben an Marktanteilen verloren.
Deutsche Kunden sind beim Einkauf von Lebensmitteln besonders preissensibel – manche sagen sogar, sie seien geizig. Das Geburtsland von Discountern wie Aldi und Lidl ist ein schwieriger Markt für hochpreisige Nahrungsmittel, zu denen traditionell auch Schweizer Spezialitäten gehören.
Nach dem Frankenschock müssen diese nun um die Gunst des Kunden kämpfen. Das bekamen auch die Aussteller auf der grössten internationalen Landwirtschaftsmesse, der "Grünen Woche" in Berlin, zu spüren.
Rund 400'000 Besucher und Experten ziehen jedes Jahr im Januar durch die gigantischen Hallen und bekommen Spezialitäten aus aller Welt präsentiert, zum Kosten aber auch zum Kaufen.
"Hier ist es praktisch unmöglich, mit realistischen Preisen zu arbeiten", sagt Stefan Buri, der in der Schweizer Halle hinter dem aufwändig gestalteten Marketingstand für Appenzeller Käse steht.
Rund 14 Euro kostete dort am ersten Messetag ein Stück der Käse-Spezialität mit dem geheimen Kräuter-Sulz. Das sind 15 Prozent mehr als im letzten Jahr und war den Besuchern dann doch zu viel. Die abgepackten Stücke blieben wie Blei in der Theke liegen.
Also ersann das erfahrene Team hinter der Theke ein unschlagbares Angebot: eine attraktive graue Filztasche mit Schweizer Logo und drei kleinen Packungen Käse für 15 Euro. Flugs standen die Besucher am Stand wieder Schlange.
Manchen Kunden ist der Preis egal
Auf einer Marketingveranstaltung wie der Grünen Woche lassen sich die Preise künstlich niedrig halten. Auch Beat Amacher, der die Gastronomie und den Weinstand im Rahmen des Schweizer Auftritts verantwortet, hat nach eigenen Angaben die Preise seit dem vergangenen Jahr nicht erhöht. Dafür ist seine Gewinnmarge geschrumpft, doch das nimmt er in Kauf.
Ausserhalb der Messehallen aber herrscht an den deutschen Käsetheken eine realistische Preiskalkulation: Dort müssen die Kunden nun tiefer in die Tasche greifen, wenn sie Schweizer Spezialitäten geniessen wollen.
Super Qualität, aber zu teuer
Susanne Ming erzählt am Stand des Schweizer Agrotourismus, was sie von Kollegen in der Halle über die Klagen der Konsumenten hört. Egal ob diese Fleisch, Käse, Wein oder Schokolade kauften, der Tenor sei immer gleich: "Eure Qualität ist super, aber ihr seid einfach zu teuer."
Susanne Ming bleibt gelassen, sie steht seit 14 Jahren auf der Grünen Woche. "Diese Klage haben wir auch vor dem Frankenschock gehört", sagt sie.
Die Schweiz sei eben von jeher für ausländische Kunden und Touristen ein Hochpreisland. Sie verweist die Besucher dann auf die vielen Möglichkeiten ausserhalb der Luxus-Ressorts und Skigebiete, um Urlaub zu machen.
"Es gibt ja noch andere Orte als Zermatt und Gstaad. Und wer die Schweiz liebt, kommt auch weiterhin – wenn auch mit Zähneknirschen."
Russisches Embargo hilft
So spiegelt die Grüne Woche, was insbesondere die Schweizer Käsewirtschaft in dem Jahr nach dem Frankenschock beobachtet: Als die Schweizer Notenbank am 15. Januar 2015 den Frankenkurs freigab, ahnten die Vertretern der Schweizer Agrarwirtschaft bereits, was diese Entscheidung für sie bedeuten würde. Auf einen Schlag war der Euro nur noch etwas mehr als einen Franken wert.
Eidgenössische Spezialitäten wurden im Export um bis zu ein Fünftel teurer, der Handel gab dies weiter.
Exportschlager verlieren
Als Folge hätten die Zugpferde des Käseexports, Appenzeller, Emmentaler und Le Gruyère allesamt Anteile verloren, so David Escher, Direktor von Switzerland Cheese Marketing. "Die Befürchtungen der Schweizer Käsewirtschaft haben sich grösstenteils bewahrheitet."
Hinzu kommt, dass auch die Eidgenossen, die nahe an der Grenze wohnen, in deutsche Supermärkte zum billigen Einkauf strömen und der heimischen Wirtschaft so verloren gehen. Mehr als elf Milliarden Franken gaben Schweizer 2015 in deutschen Geschäften aus. Dort kaufen sie eben nicht nur die eidgenössischen Käsesorten.
Und dann ist da noch das russische Embargo, das sich indirekt auswirkt: Russland hält als Reaktion auf EU-Sanktionen an einem Einfuhrverbot für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Europäischen Union fest.
Den deutschen Landwirten fehlt so seit August 2014 der wichtige russische Absatzmarkt. Das daraus resultierende Überangebot an landwirtschaftlichen Produkten drückt auf die Preise in Deutschland. In diesem Kontext haben es hochpreisige Schweizer Spezialitäten doppelt schwer, die deutschen Kunden zu überzeugen.
Grosser Verlierer ist der Emmentaler
In diesem Umfeld verfügt der Appenzeller noch über einen bedeutenden Vorteil: Sein Rezept ist nach wie vor ein Geheimnis, er bleibt einzigartig und für echte Liebhaber trotz seines Preises alternativlos.
Die grössten Verluste musste hingegen der Original Emmentaler hinnehmen. Seine Herkunftsbezeichnung und Herstellung ist nicht geschützt, so wird er überall auf der Welt fleissig kopiert, unter anderem in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden.
Der Kunde kann ausweichen - und er tut es. Fast zehn Prozent weniger Schweizer Emmentaler wurden 2015 exportiert, Gruyère und Appenzeller verloren nur 1,7 Prozent.
Swissrocker legt hingegen zu
Entsprechend hat die Schweizer Käsewirtschaft neue, erschwinglichere Sorten auf den Markt gebracht.
Der neue Swissrocker, ein Tilsiter, und der Tete de Moine legten im Export sogar zu, ein Trend, den der als Mönch verkleidetet Verkäufer auf der Grünen Woche bestätigt: "Bei uns läuft es sehr gut."
Man müsse die Konsumenten nur vor Ort von der Qualität der Schweizer Spezialitäten überzeugen, bekräftigte der Marketingexperte David Escher. Schliesslich werde Schweizer Käse ausschliesslich mit hochwertiger Schweizer Milch hergestellt.
Man setzt darauf, dass diese Qualität auch weiter ihre Liebhaber findet. "Es wird immer Konsumenten geben, die bereit sind, für Qualität einen angemessenen Preis zu bezahlen", sagt David Escher.
Diese Beobachtung hat auch Martina Faiettti hinter der langen Theke des Appenzeller Standes gemacht. "Es gibt Kunden, die kaufen bei jedem Preis." © swissinfo.ch
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