Der Steuerfall Uli Hoeness macht weiter Schlagzeilen. Immer wieder tauchen neue Details zur Selbstanzeige des Bayern-Präsidenten auf. Wir sprachen mit dem Münchner Fachanwalt für Steuer- und Strafrecht, Dr. Rainer Spatscheck, über die rechtlichen Details einer Selbstanzeige und mögliche Konsequenzen daraus für Hoeness.
Wir fangen mit dem ganz Grundsätzlichen an: Wie funktioniert eine Selbstanzeige?
Rainer Spatscheck: Alles was man machen muss, ist, das was man versäumt hat anzugeben - etwa die Erträge aus dem Ausland, jetzt dem Finanzamt zur Verfügung zu stellen. Das Finanzamt wird dann eine Nachveranlagung durchführen. Man bekommt also geänderte Einkommenssteuerbescheide, wenn es um Einkommenssteuer ging, und bezahlt die Steuerschuld.
Ein Selbstanzeiger muss also nicht notwendigerweise einen Rechtsbeistand zu Rate ziehen ...
Rainer Spatscheck: Eine Selbstanzeige ist vom Grund her relativ einfach. In den vergangenen zehn Jahren haben die Rechtsprechung und die Gesetzgebung den Paragraf 371 Abgabenordnung, der die Selbstanzeige regelt, aber immer mehr verfeinert. Deswegen ist es heute relativ schwierig, eine Selbstanzeige abzugeben, die inhaltlich wirksam ist.
Warum ist das so?
Rainer Spatscheck: Ein Hauptpunkt ist, dass die Selbstanzeige vollständig sein muss, weil sie sonst insgesamt unwirksam ist. Wenn ich also eine Selbstanzeige abgebe, die nur in einem kleinen Teil unwirksam ist, dann ist sie insgesamt nicht wirksam. Ausserdem gibt es Sperren für eine Selbstanzeige, wenn zum Beispiel Tatentdeckung vorliegt. Das Finanzamt weiss also schon, dass Steuern hinterzogen worden sind und der Betroffene ist hierüber informiert. Ausserdem wenn ein Ermittlungsverfahren läuft und der Betroffene es wusste oder die Betriebsprüfung läuft. In allen diesen Fällen ist eine Selbstanzeige nicht möglich.
Im Zusammenhang mit dem Fall
Rainer Spatscheck: Es geht darum, dem Finanzamt zu erklären, was noch nicht strafrechtlich verjährt ist. Es geht im Normalfall um fünf Jahre. Im besonders schweren Fall - Hinterziehung von mehr als 50.000 Euro pro Veranlagungszeitraum und Steuerart - sind es bis zu zehn Jahre. Wenn es darum geht, ob etwas steuerlich noch nicht verjährt ist, dann sind es immer zehn Jahre.
Herr Hoeness hat laut Medienberichten im Januar seine Selbstanzeige abgegeben. Am 20. März soll es dann zu einer Razzia in seinem Haus gekommen und er vorübergehend festgenommen worden sein. Wie läuft so etwas ab?
Rainer Spatscheck: Eine Hausdurchsuchung ist nicht der Normalfall, so etwas ist selten. Ich will nicht spekulieren. Ich kann Ihnen nur sagen, wenn die Staatsanwaltschaft zur Durchsuchung kommt, dann ist möglicherweise irgendeine der Selbstanzeigen-Hürden nicht genommen worden. Sei es, dass die Selbstanzeige zu spät abgegeben wurde, sei es, dass sie nicht vollständig war oder sei es, dass Sachverhalte oder Jahre gefehlt haben.
Wie läuft eine Hausdurchsuchung und eine Festnahme ab?
Rainer Spatscheck: Das läuft immer über die Staatsanwaltschaft, wenn nicht gerade Gefahr in Verzug vorliegt. Dann dürfte das auch der Steuerfahnder. Die Staatsanwaltschaft besorgt sich normalerweise beim Richter einen Haft- oder Durchsuchungsbefehl. Die Staatsanwaltschaft rückt dann mit den Ermittlungsbeamten aus, das kann Kriminalpolizei, aber auch Steuerfahndung sein.
Welche Kriterien gibt es, um bei Steuerhinterziehung den Betroffenen festzunehmen?
Rainer Spatscheck: Das ist wie bei allen anderen Delikten auch. Es muss ein Haftgrund für eine Untersuchungshaft vorliegen. Untersuchungshaft bedeutet nur, dass jemand während des Ermittlungs- und Gerichtsverfahren in Haft ist. Es gibt drei Haftgründe: Fluchtgefahr, Verdunklungsgefahr und Wiederholungsgefahr. Die Wiederholungsgefahr spielt bei Wirtschaftsdelikten wie der Steuerhinterziehung keine Rolle.
Laut Medienberichten hat Herr Hoeness bei der Verhaftung gleich die Kaution von fünf Millionen Euro vor Ort gestellt und musste deswegen nicht in Untersuchungshaft. Ist das überhaupt möglich?
Rainer Spatscheck: Ohne den Fall zu kennen: Wenn er beispielsweise eine Blitzüberweisung auf das Konto des Finanzamts tätigt, ist das durchaus denkbar.
Wie läuft das mit der Zahlung der Kaution, wie wird sie gestellt?
Rainer Spatscheck: Am einfachsten geht es mit Bargeld. Ich kann auch eine Grundschuld zur Verfügung stellen. Ich kann auf das Konto der jeweiligen Landesjustizkasse überweisen. In Steuersachen ist es aber relativ beliebt, dass gesagt wird, bezahlen sie schon mal auf die vermeintliche Steuerschuld einen bestimmten Betrag. Da wird dann ans Finanzamt überwiesen.
Wie kommt die Höhe der Kaution zu Stande?
Rainer Spatscheck: Man würde das an der Steuerschuld plus Zuschlag fest machen. Aber es ist spekulativ, wie es da zu den fünf Millionen kam.
Was passiert zurzeit im Fall Hoeness, wie laufen solche Ermittlungen ab?
Rainer Spatscheck: Was zurzeit passiert, weiss ich natürlich nicht. Ich vertrete ja Herrn Hoeness nicht. Normalerweise würde man jetzt Akteneinsicht nehmen und würde sich genau anschauen, was überhaupt passiert ist. Wenn ich das richtig aus der Presse mitbekommen habe, sind die jetzigen zwei Verteidiger nicht diejenigen, die die Selbstanzeige abgegeben haben. Die müssen also erst einmal überprüfen, was bisher geschehen ist.
Wie lange werden die Ermittlungen dauern? Es heisst immer wieder, dabei geht es um zwei, drei Monate. Wenn man aber Daten aus der Schweiz bräuchte, ginge es um einiges länger. Stimmt diese Einschätzung?
Rainer Spatscheck: Wenn man aus der Schweiz Daten benötigt, dann ist es in aller Regel so, dass im Moment die Schweizer Bankinstitute sehr, sehr viel Zeit brauchen, um die Unterlagen zusammenzustellen, weil es dort einen sehr grossen Run auf die Unterlagen gibt.
Es war in den vergangenen Tagen zu lesen, dass bei einer hinterzogenen Steuerschuld von mehr als einer Million Euro der Betroffene mit einer Gefängnisstrafe zu rechnen hat. Stammt dieses Strafmass aus einem Gesetz?
Rainer Spatscheck: Das ist im Gesetz so nicht festgelegt, sondern das ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass ab einem Hinterziehungsvolumen von einer Million eine Freiheitsstrafe nur noch in Ausnahmen zur Bewährung ausgesetzt wird.
Allgemein gilt bei Strafzumessung, dass vieles berücksichtigt wird. Da geht es um die Lebensleistung eines Menschen bis hin zum Verhältnis des hinterzogenen Betrages zu den Steuern, die man wirklich gezahlt hat. Da gibt es eine sehr feine Differenzierung. Wenn eine Selbstanzeige fehlgeschlagen ist, dann wird trotzdem eher zu Gunsten des Betroffenen entschieden. Das ist ein grosses Plus. Eigentlich wollte er ja die goldene Brücke zur Steuerehrlichkeit beschreiten und dass es nicht funktioniert hat, ist eher ein technisches Problem. Sonst wäre er ja straffrei geblieben.
Können Sie etwas zum Strafmass sagen, dass Herr Hoeness zu erwarten hat?
Rainer Spatscheck: Da kann ich nichts sagen, das wäre mehr als Kaffeesatzleserei.
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