Forscherinnen und Forscher der Universitäten Bern und Neuenburg fordern eine neue nationale Politik, um Schweizer Innovationen international stärker hervorzuheben. "Swiss innovated", ein neues Label, soll den Ruf der Schweiz als Weltmeisterin der Innovation stärken.
Das auf der ganzen Welt bekannte und geschätzte Siegel "Swiss made" könnte in Zukunft Konkurrenz erhalten von einem anderen Label. Dieses zielt darauf ab, Schweizer Wissen und Kreativität stärker sichtbar zu machen. Sein Name: "Swiss innovated".
Dies ist eine der Hauptideen, die Wissenschaftler von den Universitäten Neuenburg und Bern in einem jüngst veröffentlichten Perspektivenpapier präsentieren. Thema der Studie: Die Zukunft der Schweizer Innovationspolitik.
"Alle sind sich darin einig, dass die Innovationskapazität für ein kleines Industrieland wie unseres bedeutender ist als die Produktionskapazität. Da wir in diesem Bereich über einen Vorsprung verfügen, wieso sollten wir daraus nicht eine Marke machen?", fragt der Innovationsspezialist Hugues Jeannerat, Soziologe und Geograf der Universität Neuenburg.
Während "Swiss made" vor allem für Exportprodukte wichtig ist, könnte das Label "Swiss innovated" das Bild einer innovativen Schweiz sichtbar machen und aufwerten.
Dies unter anderem in den Bereichen Stadtentwicklung und Raumplanung, Konsum und nachhaltige Entwicklung, Abfallbewirtschaftung, kollaborative Wirtschaft, Natur- und Landschaftsschutz oder neue landwirtschaftliche Sektoren.
Auf Lösungen statt auf Produkte ausgerichtet
Dieses Label wäre nicht nur zur Nutzung durch Unternehmen gedacht, sondern für alle gesellschaftlichen oder staatlichen Akteure, die sich mit innovativen Lösungsvorschlägen für eine wirtschaftliche, soziale und ökologisch nachhaltige Entwicklung einsetzen.
"'Swiss innovated' wäre nicht für Produkte gedacht, sondern vor allem für die Art und Weise, wie komplexe Lösungen umgesetzt und kollektiv bewertet werden", unterstreicht Hugues Jeannerat.
Beispiel einer Photovoltaik-Anlage
Der Forscher zitiert das Beispiel der unterschiedlich farbigen Photovoltaik-Systeme, die sich in ein Stadtbild einfügen oder mit einer natürlichen Umgebung verschmelzen können.
Diese vom Schweizer Zentrum für Elektronik und Mikrotechnologie (CSEM) in Neuenburg entwickelte Technologie wurde 2016 mit dem Schweizer Umweltpreis ausgezeichnet.
"Es kann sein, dass sich in zwei Jahren andere Länder, zum Beispiel China, diese Technologie aneignen", erklärt Jeannerat. Im Fall einer gross angelegten industriellen Produktion solcher Photovoltaik-Systeme hätte die Schweiz Mühe, konkurrenzfähig zu bleiben.
Andererseits sei jedoch die Art und Weise, wie verschiedenste Akteure – Stadtplaner, Architekten oder Spezialisten im Bereich des Schutzes von Kulturerbe – hier zusammenarbeiten, um solche Systeme in die urbane Umgebung zu integrieren, einzigartig. "Dies ist eine ‘Swiss innovated’-Lösung, die auf dem Zusammenspiel von unterschiedlichem Wissen fusst, das dann in anderen Bereichen oder anderen Regionen der Welt genutzt werden kann."
Label von Innosuisse vergeben
Die neue Schweizer Agentur zur Innovationsförderung, die ihren Betrieb am 1. Januar 2018 aufnehmen wird, würde damit betraut, Projekte mit dem Label "Swiss innovated" auszuzeichnen.
Die Autoren des Reflexionspapiers – Hugues Jeannerat, Tina Haisch, Olivier Crevoisier und Heike Meyer – hoffen, dass das neue Label für Stimulation sorgen und sämtlichen Akteuren und Akteurinnen Anerkennung bringen würde, die sich für Innovation einsetzen. Und das über den Bereich neuer Technologien hinaus.
Das Label "Swiss innovated" würde es auch möglich machen, in der Schweiz und im Ausland für ein Land zu werben, das sowohl für Firmen als auch für die Bewohner innovativ und attraktiv sei.
"So könnte etwa eine Gemeinde, die eine originelle Politik zur Verbesserung der Lebensqualität betreibt, mit dem Siegel ausgezeichnet werden. Damit könnte sie hoffen, so auch neue Einwohnerinnen und Einwohner anzuziehen und zugleich die lokale Wirtschaft anzukurbeln", erklärt Hugues Jeannerat.
Ein weiterer Vorteil wäre, dass es mit dem Label möglich würde, die Spur von Schweizer Lösungen im Auge zu behalten, auch wenn diese anderswo umgesetzt oder genutzt würden.
"Stellen wir uns vor, dass Doodle – eine in der Schweiz sehr beliebte Planungs-Website – von Facebook gekauft wird. Mit dem Label könnte man festhalten, dass es eine Schweizer Erfindung ist, während heute viele in der Schweiz entwickelte Technologien einfach anderswo aufgenommen werden, etwa über den Kauf von Start-ups durch multinationale Konzerne", erklärt der Forscher aus Neuenburg.
© swissinfo.ch
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