Für ambitionierte Startups gleicht das Silicon Valley dem gelobten Land. Hier, nahe San Francisco, bündeln sich Know-how, Kontakte und vor allem Investoren. Vor Ort hilft Swissnex jungen Schweizer Gründern, ihre Chance zu ergreifen. Vielleicht ist ja das nächste Facebook unter ihnen.

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In Kalifornien weht ein härterer Wind als in der behaglichen Schweiz. Das erfahren die Startups hier hautnah. Wer Erfolg haben will, muss die Regeln und die richtigen Leute kennen.

71 Startups hat Swissnex San Francisco bereits mit dem Silicon Valley vernetzt. Die meisten kommen nach einem Auswahlverfahren über den Swissnex-Partner Innosuisse sowie aus den Eidgenössischen Technischen Hochschulen Lausanne (EPFL) und Zürich (ETH). Im Rahmen eines mehrwöchigen sogenannten Startup-Camps werden sie gecoacht, betreut und die Chancen eines potenziellen Markteinstiegs abgeklopft.

Doch in San Francisco wartet auf die Schweizer Startups nicht nur Know-how, sondern auch ein traumhafter Arbeitsort für die Dauer ihres Aufenthalts. 2016 bezog Swissnex gemeinsam mit dem Schweizer Konsulat, dem Schweizer Tourismusbüro und dem Swiss Business Hub einen für deren Zwecke aufwändig umgebauten Pier unweit der berühmten Fisherman's Wharf.

Der Pier 17 ist zugleich ein attraktives Aushängeschild der Schweiz. Den Zugang markiert eine Schweizer Bahnhofsuhr, auf dem Dach weht die Schweizer Fahne.

"Offen für alle"

Swissnex belegt sozusagen das Filetstück in der Spitze des langen Gebäudes. An klaren Tagen wie diesen eröffnet sich von dort eigentlich ein grandioser Blick über das Wasser auf die andere Seite der Bucht und die nach Oakland führende Bay Bridge. Heute hat jedoch ein voluminöses kanadisches Schiff vor der nach oben geklappten Glasfront festgemacht und versperrt die Aussicht.

Die Swissnex-Räume sind temporäres Büro für die Mitglieder des Netzwerks und zugleich ein Forum für den kreativen Austausch. Es gibt offene Flächen für Konferenzen und Teamarbeit; wer seine Ruhe braucht, steigt wiederum die Stufen in separate, höher gelegene Arbeitsinseln hinauf. Das Mobiliar ist multifunktional und flexibel. Willkommen der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts.

"Wir sind für alle offen, nicht nur für Schweizer", betont Perrine Huber von Swissnex: Unternehmer, Künstler, Wissenschaftler, Intellektuelle; all jene, die über die Grenzen ihres Fachs hinausdenken und sich für kreative Zukunftsvisionen begeistern, sind hier willkommen.

Die sind an der Westküste eh viel greifbarer als im traditionellen Europa. Hier redet kaum einer über die Gefahren der Digitalisierung und gesellschaftlicher Umbrüche. Sie werden gelebt und vorangetrieben. "Die Kultur hier ist schon sehr speziell", sagt Huber. Sie besitzt sowohl die Schweizer als auch die australische Staatsbürgerschaft und kam vor drei Jahren aus Sydney nach San Francisco.

Swissnex öffnet seine Türen für Veranstaltungen, Workshops und Ausstellungen, diskutiert über Themen wie Nachhaltigkeit, künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Man ist aktiver Teil der Szene, begreift sich als Teil des lokalen und regionalen Organismus.

"Das macht uns einzigartig", sagt Huber. Sie erzählt, wie Botschafter aus anderen Ländern immer wieder beeindruckt von dem Schweizer Zukunftslabor seien, das so gar nicht den vielen Klischees über das Land entspricht. Das Schweiz-Image der Schokolade und der Alpen, das überlasse man dem Tourismusbüro am anderen Ende des Piers, sagt Huber augenzwinkernd.

Suche nach dem nächsten Facebook

Von Swissnex aus hat auch Andrea Fossati im Frühling 2018 die Chancen für sein Schweizer Startup im Silicon Valleys erkundet. Fossati ist Mitgründer von Parquery, einer Bildanalyse-Anwendung, die Parkplatzbetreibern durch den Einsatz von Kameras ermöglicht, freie Stellplätze rasch zu erfassen und ideal zu nutzen.

Der Kunde schickt seine Bilder in die Parquery-Cloud. Dort werden sie blitzschnell ausgewertet und in Informationen aufbereitet. Auch Autofahrer können sich die Plätze über eine App anzeigen lassen und direkt ansteuern. Das spart Zeit, Emissionen und Nerven. Für Parkhäuser existieren ähnliche Systeme bereits, auf grossen offenen Parkplätzen bisher nicht.

Um zu wachsen, brauchen Startups wie Parquery Kapital. Die Investoren des Silicon Valley wiederum sind stetig auf der Suche nach der nächsten Erfolgsidee. Vielleicht ist ja ein neues Instagram oder Facebook darunter. Auf regelmässigen Startup-Nights erhalten die Gründer die Chance, ihre Ideen vor potenziellen Investoren zu präsentieren – zu pitchen, wie die Szene es nennt.

Zwei Minuten müssen genügen. Die Ansprüche der Investoren sind hoch. Wer die Chance hat, seine Idee einem Investor vorzustellen, muss exzellent vorbereitet sein und ihn überzeugen, warum der Markt auf diesen Einfall gewartet hat. Auch dies lernen die Schweizer Gründer in ihrer Zeit an der Westküste.

Parquery hat bereits Kunden in vielen Ländern, der Sprung in die USA schien der nächste Schritt. Deshalb nahm Fossati im Frühjahr 2018 an dem Swissnex-Startup-Camp teil, um die Chancen für Parquery zu eruieren. "Mir haben die Wochen in San Francisco sehr geholfen", erzählt er.

Die Schweizer Gründer seiner Gruppe trafen sich mit Marketing- und Finanzexperten sowie anderen Entrepreneuren vor Ort. Sie wurden gecoacht und lernten, wie man eine Idee vor amerikanischen Investoren präsentiert oder potenzielle US-Kunden anspricht.

Zuviel Zurückhaltung schadet

Die zurückhaltende Schweizer Art kann im kalifornischen Kontext durchaus zum Hemmschuh werden. "Auf dem amerikanischen Markt muss man ein sehr viel direkteres und aggressiveres Marketing betreiben", sagt Fossati. Auch das sei Teil des Lernprozesses gewesen.

Zugleich sei die Startup-Szene in der Bay Area rund um San Francisco sehr viel dynamischer als zuhause in der Schweiz. Startups agieren risikobewusst, sie kommen und gehen, nur wenigen gelingt der Aufstieg in die erste Liga. "In der Schweiz wachsen Startups nicht so schnell", sagt Fossati. Dafür sei die Quote derer, die langfristig überleben, höher als in den USA.

Von Europa aus lässt sich der US-Markt nicht erobern. Diese wichtige Erkenntnis brachte Fossati aus San Francisco zurück nach Zürich. "Wenn wir tatsächlich auf dem amerikanischen Markt expandieren wollen, müsste einer von uns permanent vor Ort sein. Von der Schweiz aus geht das nicht."

Dazu fühlt sich die junge Firma aber noch nicht bereit – vielleicht später einmal. Dann werden die geknüpften Kontakte von grosser Hilfe sein. Bis dahin will man von Zürich aus weiterwachsen und sich auf die nächste Stufe vorbereiten.  © swissinfo.ch

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