Was hat Terrorismus mit Luxusuhren zu tun? Durchaus so einiges, meint man bei der Swatch Group. Die Schweizer Uhrenindustrie steht insgesamt unter Druck - nicht zuletzt, weil man einen wichtigen Trend verschlafen hat.
Was Nicolas Hayek schaffte, glich einem Wunder. Die Welt wurde mit Digitaluhren aus Fernost überschwemmt. Den Schweizer Edelmanufakturen im Jura-Gebirge brachen die Aufträge weg. Da setzte der "Retter der Schweizer Uhrenindustrie" auf Sanierung, Fusion und fetzig-bunte Zeitmesser mit günstigen Preisen. An den Erfolg von "Mr. Swatch" (1928-2010) in den 80er Jahren wird jetzt erinnert, verbunden mit einer bangen Frage: Kann Hayeks Sohn Nick (61) angesichts eines massiven Gewinneinbruchs die Swatch Group - einen der weltgrössten Uhrenkonzerne - erneut auf Wachstumskurs bringen?
Am Donnerstag gab der Swatch-Konzern für das erste Halbjahr 2016 einen Gewinneinbruch um 52 Prozent auf 263 Millionen Franken (242 Mio. Euro) bekannt. Der Umsatz des Herstellers einer breiten Uhren-Palette von preiswerten Lifestyle-Modellen der Swatch-Reihe bis zu superteuren Edelmarken wie Breguet, Blancpain oder Glashütte Original schrumpfte um 11 Prozent auf 3,72 Milliarden Franken. Das Ergebnis fiel noch schwächer aus als während der letzten Absatzkrise für Schweizer Uhren im Jahr 2009.
Terror als Ursache für Umsatzeinbruch
Allerdings ist Swatch in der Schweizer Zeitmesserbranche keineswegs das einzige Beispiel für Krisenerscheinungen. Insgesamt gingen die Exporte im vergangenen Monat im Vergleich zum Juni 2015 um 16,1 Prozent auf 1,6 Milliarden Franken zurück, wie der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie mitteilte. Der Einbruch im Juni sei der dramatischste im gesamten ersten Halbjahr gewesen. Das würde die Schwierigkeiten widerspiegeln, mit denen die Branche bereits seit vielen Monaten zu kämpfen habe.
Die Ursachen sind vielfältig. Nick Hayek etwa macht massgeblich die Terroranschläge in Paris, Brüssel und Nizza verantwortlich. Denn aus Angst gehen weniger Menschen auf Reisen, die Touristenzahlen sinken. Teure Uhren werden aber zu einem beachtlichen Teil von Reisenden gekauft. Weil man im Urlaub mehr Musse hat, das richtige Stück auszuwählen oder weil die Wunschuhr im Duty Free Shop ein bisschen billiger ist.
Uhren als Sieger der Olympiade?
Nun setzt Swatch Hoffnungen auf eine Wiederbelebung des weltweiten Tourismus. Grossbritannien zum Beispiel sei im Aufwind - "wegen des vorteilhaften Pfunds", sprich dem starken Kursrückgang der britischen Währung nach dem Brexit-Votum. Das macht Urlaub auf der Insel erschwinglicher. Auch die Olympischen Spiele gelten als Hoffnungsträger, weil dann wieder Zehntausende unterwegs sind. Aber vor allem, da die Swatch-Edelmarke Omega offizieller Zeitmesser der Spiele und in Rio mit neuen Modellen vertreten ist.
Auch auf dem chinesischen Markt, von dem Swatch stark abhängig ist, sieht der am malerischen Bielersee ansässige Konzern nach eigenen Angaben einen Aufwärtstrend. Überhaupt werde das zweite Halbjahr deutlich besser ausfallen, verspricht die Swatch Group.
Smartwatch-Trend verschlafen
Das könnte sich als zu optimistisch erweisen, meinen Analysten. So weist die "Neue Zürcher Zeitung" auf die in letzter Zeit erheblich verschärften Bestimmungen der chinesischen Regierung für den Import von Luxusuhren hin. Zugleich stellt das Blatt eine Frage, auf die in der Halbjahresmitteilung von Swatch kaum eingegangen wird: "Smartwatch-Trend verschlafen?"
Tatsächlich haben die meisten Schweizer Uhrenhersteller - mit Ausnahme die Luxus-Smartwatch "Connected" von TAG Heuer - der Konkurrenz durch "intelligente Uhren", die sich mit Tablet, Smartphone und Computer vernetzen lassen, kaum gleichwertiges entgegenzusetzen. Vor gut einem Jahr verspottete Hayek Smartwatches sogar noch als "Minitelefon für das Handgelenk".
Inzwischen versucht Swatch, mit seiner Reihe "Touch Zero" gegenzuhalten. Die sportlich-trendige Uhr bietet unter anderem Fitnessfunktionen und künftig auch bargeldloses Bezahlen in Geschäften. Aber echte Smartwatches spielen in einer anderen Liga, allen voran Apple Watch, gefolgt von Samsung Gear.
Bereits im Weihnachtsgeschäft 2015 übertrafen Smartwatch-Verkäufe insgesamt zum ersten Mal die Ausfuhren Schweizer Uhrenhersteller, wie aus einer Studie der Bostoner Marktforschungsfirma Strategy Analytics hervorgeht. Ausgerechnet Ernst Thomke, der einst massgeblich an der Markteinführung der legendären Swatch-Uhr beteiligt war, bescheinigte der Schweizer Uhrenindustrie jetzt, den Trend zur Smartwatch verpasst zu haben. In der Zeitung "Schweiz am Sonntag" sagte er: "Die wichtigsten Funktionen, die wir tagtäglich Dutzende Male brauchen, lassen sich am Handgelenk schneller und einfacher erledigen." © dpa
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