Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Dieser Verfassungsauftrag von 1981 ist in der Schweiz immer noch nicht überall umgesetzt. Jetzt sollen Unternehmen, die Lohngleichheit nicht respektieren, kontrolliert, aber nicht sanktioniert werden.

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Um nicht erklärbare Unterschiede aufzudecken, sollen Unternehmen mit mindestens 100 Vollzeitstellen künftig prüfen müssen, ob sie Männern und Frauen in ihrem Betrieb für gleichwertige Arbeit den gleichen Lohn bezahlen. Die Regierung hatte einen Schwellenwert von 50, die kleine Kammer von 100 Angestellten beschlossen. Bei letzterer wären 5760 oder weniger als 1% der Unternehmen in der Schweiz, aber knapp 45% der Arbeitnehmenden betroffen. Wenn mit Vollzeitstellen anstatt Angestellten gerechnet wird, wie es die grosse Kammer verlangt, werden es weniger sein.

Die Analyse muss danach von einer externen Stelle geprüft und das Resultat den Mitarbeitenden mitgeteilt werden. Von weiteren Analysen werden die Unternehmen befreit, sobald sich zeigt, dass die Lohngleichheit eingehalten wird. Die Massnahmen werden auf zwölf Jahre begrenzt.

Dazu hat am Dienstag die grosse Parlamentskammer mit 108 gegen 84 Stimmen bei zwei Enthaltungen Ja gesagt.

Das bürgerliche Lager stemmte sich in der Debatte vergeblich gegen die Lohnanalyse-Pflicht, die es als "Papiertiger" und "Bürokratiemonster" bezeichnete. Hans-Ulrich Bigler, Nationalrat der Freisinnigen Partei (FDP) kritisierte, dass einmal mehr in den liberalen Arbeitsmarkt eingegriffen werde. Die Vertreterinnen und Vertreter der politischen Rechten bezweifelten, ob es sich bei den Lohnunterschieden wirklich um Diskriminierung handle.

"7000 Franken pro Jahr"

37 Jahre nach dem Verfassungsauftrag, dass Mann und Frau für gleichwertige Arbeit den gleichen Lohn erhalten sollen, gibt es in der Schweiz nicht erklärbare Lohnunterschiede von 7,4%. Zu diesem Schluss war eine Studie des Gleichstellungsbüros gekommen. "Das entspricht einem 13. Monatslohn oder durchschnittlich 7000 Franken pro Jahr", rechnete Martina Munz von der Sozialdemokratischen Partei (SP) vor, und dies allein aufgrund des Geschlechtsunterschieds.

Mauro Tuena von der rechtskonservativen SVP bezweifelte die Richtigkeit dieser Studie. Für die meisten Lohnunterschiede gebe es Erklärungen, die im Lohnanalyse-Modell des Bundes nicht berücksichtigt seien, wie etwa die tatsächliche Berufserfahrung, argumentierte Tuena, der sich auf eine Studie der Hochschule St. Gallen (HSG) berief.

Bundesrätin Simonetta Sommaruga entgegnete, dass das Analyseinstrument des Bundes (Logib), das die Unternehmen künftig für die Suche nach Lohnunterschieden einsetzen sollen, laut dieser HSG-Studie wissenschaftlichen Ansprüchen genüge. Diese kommt zum Schluss, dass ein erheblicher Teil der Lohnunterschiede unerklärbar bleiben würde, auch wenn mehr Faktoren berücksichtigt oder andere statistische Methoden angewendet würden. "Den Vorschlag, die effektive Berufserfahrung in die Lohnanalyse aufzunehmen, verwerfen die Autoren dieser Studie ausdrücklich. Weil man damit immer eine Rechtfertigung hätte, um eine Frau beim Wiedereinstieg in den Beruf schlechter zu bezahlen."

Ein Indiz für Klagen

Lohndiskriminierung ist in der Schweiz aufgrund des Gleichstellungsgesetzes einklagbar, aber laut der Gewerkschaft Unia scheitern drei von vier Klagen. Gestützt auf die Lohnanalysen haben Frauen aber künftig ein Indiz, wenn im Unternehmen ein Problem mit der Lohngleichheit besteht.

Frauen müssen zwar auch in Zukunft Klage einreichen. Aber die Erfahrung zeige, dass Arbeitgeber in den meisten Fällen selber handelten, wenn sie feststellten, dass Frauen in ihrem Betrieb systematisch weniger verdienten als Männer. "Sie warten nicht, bis es zu einer Klage kommt." Die Vorlage schaffe nur Transparenz, aber "Transparenz wirkt eben", so die Justizministerin.  © swissinfo.ch

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