Werner Bösch war der erste Produzent von Indoor-Hanf-CBD in der Schweiz. Vor einem Jahr hatte er in einem Interview mit swissinfo.ch über den Boom des Light-Cannabis gesprochen. Dieses untersteht nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Und wie sieht es heute aus? Statt Euphorie herrscht mittlerweile grosse Enttäuschung.
Als wir Bösch das letzte Mal besuchten, war die Drogenpolizei vor Ort. Die Polizisten hatten kontrolliert, ob die Cannabispflanzen in den Indoor-Plantagen von Werner Bösch den gesetzlichen Bestimmungen entsprachen. Bei unserem erneuten Besuch finden wir zehn junge Leute an einem langen Tisch an. Mit Akribie und übergestreiften Latexhandschuhen säubern sie die Cannabis-Blüten von Blättern und Ästchen.
Werner Bösch befindet sich im Trockenraum. Er entschuldigt sich für die grosse Unordnung. Der Boden ist von Cannabis-Resten und Staub übersät. "Wir befinden uns voll im Arbeitsprozess", sagt er und zeigt die Früchte der jüngsten Ernte.
Seine Indoor-Plantage befindet sich in einem Keller eines Industriegebäudes von Rümlang in der Peripherie von Zürich. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl der Pflanzen mehr als verdoppelt, von 2'700 auf rund 6'000.
Boomt folglich das Geschäft mit Cannabis Light oder CBD (benannt nach dem Wirkstoff Cannabinoid)? "Überhaupt nicht", winkt Bösch ab, "der Markt hat sich total verändert."
Von 5 zu 630 Produzenten
Cannabis Light ist seit rund zwei Jahren im Handel. Das "legale Marihuana" enthält weniger als 1 Prozent THC. Dieser Wert misst den psychogenen Wirkstoff des Krauts. Immer mehr Geschäfte und Shops verkaufen Light-Hanf, sogar aus Automaten lässt er sich in Form von Zigaretten beziehen.
Im Gegensatz zu THC ist CBD nicht als Rauschmittel klassifiziert und unterliegt somit nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Es gibt keinerlei Verbote. Der Substanz werden wohltuende Eigenschaften nachgesagt, etwa bei der Behandlung von Entzündungen, der Bekämpfung von Schmerzen oder einfach zur Beruhigung. "Die medizinische Wirkung von CBD ist derzeit jedoch erst ungenügend erforscht", hält das Bundesamt für Gesundheit (BAG) fest.
Statistiken der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) zeigen auf, wie es um CBD-Cannabis in der Schweiz bestellt ist. Zu Beginn des Jahres 2017 waren fünf Produzenten registriert. Anfang 2018 waren es 490. Und mittlerweile sind es 630. Dieser Boom hat für die Produzenten Schattenseiten: Die Preise befinden sich im freien Fall.
Überproduktion von CBD-Hanf
"Anfänglich wurde ein Kilo im Grosshandel für 6'000 Franken verkauft. Dann fiel der Preis auf 4'000 Franken. Und jetzt sind wir froh, wenn wir noch 1700 pro Kilo bekommen", hält Bösch fest. Laut dem Hanf-Pionier gibt es mittlerweile in der Schweiz eine Überproduktion. Viele Produzenten hätten Mühe, ihre Kosten zu decken (Raummiete, Lampen, Elektrizität, Ventilation, Dünger, etc).
Einige Produzenten hätten bereits aufgegeben, andere ihre Kosten durch den Einsatz von relativ günstigen Erntemaschinen reduziert. Im Keller von Bösch wird hingegen weiter auf Handarbeit gesetzt. "Wir tun dies, um die Pflanzen nicht zu beschädigen und höchste Qualität zu gewährleisten", sagt der ehemalige Elektrotechniker, der seit 40 Jahren im Hanfgeschäft tätig ist.
Trotz einer Erweiterung der Plantage ist die Produktion stabil geblieben: zirka 20 Kilogramm pro Monat. Laut Bösch ist es sinnlos, mehr zu produzieren. "Wir können nicht mehr verkaufen – der Markt ist gesättigt. Wir ziehen es vor, auf Qualität statt Quantität zu setzen", so Bösch.
Rettung durch Italien und Frankreich
Angesichts des gesättigten Schweizer Marktes haben einige Produzenten ihre Fühler ins Ausland ausgestreckt. CBD-Cannabis wird insbesondere nach Italien, Frankreich und Österreich exportiert. Dadurch konnten viele Betriebe eine Schliessung vermeiden, meint Bösch.
In Europa gibt es in Bezug auf den THC-Gehalt schärfere Gesetze - der legale Höchstwert liegt bei 0,2 Prozent. Darum sei Cannabis light sehr gefragt, wie ein Schweizer Produzent in der Luzerner Zeitung erklärte. Dieser setzt seine ganzen Hoffnungen aufs Ausland und insbesondere auf Italien.
In Italien gibt es mittlerweile in 8 von 10 Städten Hanfläden – landesweit sollen es rund 1000 Verkaufsstellen sein. Auch in Frankreich boomen die Geschäfte, welche den legalen Hanf über den Ladentisch wandern lassen, wie die Tageszeitung "Le Monde" kürzlich schrieb. Die meisten Läden deckten sich mit Ware aus der Schweiz ein.
Genau Zahlen über den Export von CBD-Hanf ins Ausland gibt es nicht, auch nicht bei den Zollbehörden. "Wir verfügen über keine Exportzahlen für CBD-Hanf. Der Grund dafür ist, dass CBD-Produkte unter eine Sammeltarifnummer fallen und deshalb in der Aussenhandelsstatistik nicht gesondert erhoben werden können", erklärt David Marquis von der Abteilung Kommunikation und Medien bei der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV).
Cannabis aus Leidenschaft
Werner Bösch sieht diesen Auslandshandel mit Skepsis. "Einige Produzenten haben damit begonnen, sogar Stecklinge zu exportieren. Auf diese Weise verkaufen wir unser Knowhow ans Ausland", so Bösch. In wenigen Jahren seien die Italiener und Franzosen in der Lage, ihren eigenen Hanf herzustellen. "Uns für uns bleibt dann nichts mehr", merkt er kritisch an.
Dass Bösch überhaupt noch im Markt mitmischt, verdankt er seinen fünf Läden, die er selbst beliefert sowie einem eigenen Online-Handel. Auch im Detailhandel ist der Preis für CBD-Cannabis gefallen (auf 10-13 Franken pro Gramm), aber der Preisverfall ist nicht so deutlich wie im Grosshandel.
Dazu kommt: Die Abnehmerschaft ist konstant. Es kommen kaum neue Kunden hinzu. Der Umsatz hat sich zum Vorjahr laut Bösch kaum geändert (zirka 700'000 Franken). Warum macht er gleichwohl weiter? "Einfach aus Leidenschaft", lautet die Antwort.
Seiner Meinung nach profitiert heute vor allem der Staat – neben sehr wenigen Grossproduzenten – vom Cannabis-CBD-Boom. Denn CBD ist als "Ersatzprodukt" für Tabak klassifiziert, unterliegt somit der Tabaksteuer. In der Schweiz macht diese 25 Prozent aus. Im Jahr 2017 betrugen die Einnahmen des Fiskus aus der CBD-Tabaksteuer 13 Millionen Franken.
Welche Zukunft hat CBD?
Bösch ist ziemlich pessimistisch: "Ich sehe für den CBD-Cannabis-Handel keine Zukunft." Seiner Meinung nach hat die Diskussion um CBD-Hanf aber einen wichtigen Effekt, da sie zu einer Öffnung von THC-haltigen Produkten führe. Kürzlich hat die Regierung einen Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung geschickt, um eine kontrollierte Abgabe von Marihuana als Genussmittel sowie zu medizinischen Zwecken zu prüfen.
Bösch ist Mitglied der Interessengemeinschaft IG-Hanf und versucht in dieser Funktion, in Bundesbern Lobbying zu betreiben. Doch er macht sich keine Illusionen. Im Fall einer Autorisierung des Experiments würden die Produzenten wahrscheinlich sehr restriktiven Regeln unterzogen, welche ihr Geschäft wiederum stark belaste.
Seiner Meinung nach werden Schweizer Hanfanbauer nicht mehr lange gegenüber ausländischen und günstigeren Anbietern konkurrenzfähig sein: "Schon heute gibt es kanadische Produzenten, die bereit sind, zertifiziertes Cannabis in der Schweiz zu verkaufen."
Wir verabschieden uns von unserem Gesprächspartner. Bösch lädt uns ein, in einem Jahr wieder vorbeizuschauen. "Ich kann aber nicht garantieren, dass der Betrieb dann noch läuft", meint er. (Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob) © swissinfo.ch
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