Noch weiss kein Mensch, wohin die Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine führen wird. Ein Verlierer steht bereits fest: Für die russische und ukrainische Wirtschaft ist der Konflikt um die Krim schon heute ein Desaster. Die Aktienmärkte stürzen ab und reissen selbst Riesen wie Gazprom mit sich. Welche Auswirkung muss die Schweiz fürchten?
Die Ukraine steht vor dem Bankrott. Kurzfristig sind Schulden in Höhe von acht Millionen Euro zu begleichen, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) schuldet die Ukraine 5,5 Milliarden Franken aus Hilfsleistungen früherer Krisen - Geld, das der Staat nicht hat. Und dann wurden vom russischen Gas-Monopolisten Gazprom auch noch die Rabatte auf Erdgaspreise gestrichen.
Zwar sei eine Staatspleite der Ukraine in der EU verkraftbar und durch Hilfspakete abwendbar, aber auch Russland, den weitaus wichtigeren EU-Handelspartner trifft die Krise schon jetzt. Das grosse Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre ist Geschichte, dem Staat droht eine Rezession. Der Wert des Rubels hat einen historischen Tiefstand erreicht, der russische Börsenindex RTS verlor mehr als zehn Prozent. Als zweitgrösster Erdgas- und Erdölproduzent der Welt ist Russland stark von Rohstoffpreisen abhängig und vom aktuellen Verfall des Gaspreises auf dem Weltmarkt betroffen.
Droht im Kriegsfall ein Gas-Engpass?
Die Hälfte des österreichischen Erdgas-Verbrauchs stammt aus Russland. Noch beruhigt die Energiebranche: Ein Engpass sei nicht zu erwarten. Die Rohöl-Aufsuchungs-GmbH (RAG) habe die Speicher zur Hälfte gefüllt, davon könne man gut drei Monate die Versorgung sicherstellen, man sei "überversorgt". Auch läuft etwa ein Drittel der Gas-Lieferungen Russlands über die Ostsee-Pipeline und nicht über ukrainische Leitungen. Für Haushalte ist im Moment nichts zu befürchten - noch dazu, wo die warme Jahreszeit vor der Tür steht.
Gelassener kann die Schweiz die Erdgas-Thematik sehen: Zwei Drittel des in der Schweiz benötigten Erdgases stammt aus Westeuropa, nur 23 Prozent wurden 2012 aus Russland importiert.
Die Ölpreise zogen am Montag empfindlich an, ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete mit 111,9 Dollar um 2,7 Prozent mehr als am Freitag. Bilaterale Lieferverträge und grosse wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit würden jedoch gegen Preissprünge sprechen, Russland würde seine wichtigste Einnahmequelle aus Energieexporten nicht gefährden wollen. Allerdings: Sanktionen seitens der EU könnten Russland veranlassen, den Energie-Hahn abzudrehen. Und die Preise will Gazprom in den nächsten Tagen prüfen.
Aussenhandel gefährdet
Schweizerische Unternehmen haben in den vergangenen Jahren in Russland eine Menge Geld investiert. Die Raiffeisen Bank International hat den Wert ihrer ursprünglich um 860 Millionen Euro gekauften Ukraine-Tochter bereits auf Null abgeschrieben, die UniCredit tat dasselbe mit ihrer ukrainischen Ukrsotsbank. Beide wollen sich von ihrem Ukraine-Engagement trennen, allein, Käufer gibt es keine.
Zwar ist Russland eine der zehn wichtigsten Ausfuhr-Destinationen der Schweiz, jedoch herrscht nun schon Zurückhaltung, erklärt der Österreicher Dr. Heinz Walter, Regionalmanager der Wirtschaftskammer, Aussenwirtschaft GUS: "Schuld an Exportrückgängen ist hauptsächlich die starke Abwertung des Rubels, der gerade einen historischen Tiefstand gegenüber dem Euro erreicht hat. Lieferungen von Maschinen und Anlagen sind somit teuer wie nie." Ein Krieg wäre die wohl grösste Gefahr. Von einem totalen Zusammenbruch geht die Wirtschaft aber noch nicht aus.
Doch aus wirtschaftlicher Sicht ist die Situation wohl nicht so dramatisch, wie aus menschlicher und politischer.
Börsenkurse auf Talfahrt
Massiv beeinflusst hat der Konflikt die Finanzmärkte bereits bei der blossen Kriegsdrohung: Aktienkurse gingen am Montag auf Talfahrt, der deutsche DAX verlor mehr als drei Prozent. Auch Der Schweizer SMI ist unter Druck. Verlierer waren jene Firmen, die sich in Russland stark engagieren, so fiel etwa der Aktienkurs von Actelion um 4,8 Prozent. Die Schweizer Banken UBS (-3,9 Prozent) und Julius Bär (-2,7 Prozent) mussten besonders grosse Verluste hinnehmen.
Jede weitere Eskalation droht also nicht nur die russische und ukrainische Wirtschaft, sondern die gesamte EU zu belasten. Zu hoffen bleibt also, dass der Konflikt auf politischer und diplomatischer Ebene eingedämmt werden kann.
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